juni 1997

Tomas Friedmann
kommentar

Werma sehn, für was guat is...1

Am 11. und 12. September werden wir die Stadt kennenlernen

In jenen Tagen erließ die UNESCO den Befehl, die Stadt in eine Liste einzutragen. Dies geschah zum fünfhundertstenmal; damals war Dechant Bürgermeister von Salzburg. Da ging jeder in die Altstadt, um zu feiern.2

Als am 29. Juli 1983 endlich die linke Altstadt zur Fußgängerzone erklärt worden war, wurde nicht gefeiert.3 Jetzt wird. Angeblich auf Wunsch der UNESCO. Die Zustimmung bzw. notwendige Mehrheit für das (vorläufig) 7,8 Millionen teure Jubel-Fest unter dem Titel »Weltkulturerbe Salzburg« hat sich die ÖVP hinter verschlossenen Türen von SPÖ und FPÖ »abkaufen« lassen: du ein paar Millionen für Altstadtfonds und Wirtschaftsförderung, du für die Fremdenverkehrsbetriebe. Niemand bemühte sich, auf diesem Bazar etwas für die »ausgepreßten« Salzburger Kulturbetriebe herauszuschlagen. Warum auch? Literaturhaus und Rockhouse müssen zusammen ein ganzes Jahr exakt mit dem Betrag von der Stadt wirtschaften, der hier in zwei Tagen verbraucht wird. Das überrascht nicht wirklich. Auch nicht, daß unbedingt »Carmina Burana« von Carl Orff (der ist doch in Salzburg geboren, oder?) aufgeführt hätte werden sollen, egal ob von Schülern aus Salzburg oder Profis aus München (wo der Komponist tatsächlich auf die Welt kam).

Also werden wir Geigen hören und Glocken und die Gastronomen reden mit, für welche Musik auf welchen Plätzen Platz gemacht wird. Schön und gut. Erfreulich, daß Jugendliche - denen die Altstadt (abgesehen von ein paar Beisln) nicht viel bietet - und fast ausschließlich Salzburger Künstler eingebunden sind. Ein Insider äußerte den Verdacht, daß man es sich nicht mit der heimischen Szene verscherzen wollte. Die nächste Wahl kommt bestimmt ...

Das Programm klingt nicht uninteressant, und eine gute Nachricht gibt es auch: Das Feuerwerk geht erst eine Woche später beim Rupertitag in die Luft. Die schlechte: Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Geschichte, Kunst und Kultur findet nicht statt. Kein Wort über die einzige Bücherverbrennung Österreichs auf dem Residenzplatz.4 Kein Wort über Veränderungen der Stadt durch Herrscher, Kriege, (Umwelt) Zerstörung. Kein Wort über Dichter und Denker.5 Statt dessen sollen wir wahrnehmen, was wir sonst angeblich nie sehen: die Häuser und Plätze des neuen Weltkulturerbes. Übrigens: Wo die Grenze zwischen »alter« und »neuer Welt« genau verläuft, hat noch keiner gesagt.

Eines kann man diesmal niemand vorwerfen: daß die Salzburger Festspiele wieder einmal alles dominierten. Im Gegenteil. Obwohl der Festspielbezirk mitten in der Altstadt liegt, hat man vergessen, die Festspiele um ihre Mitwirkung zu fragen. Jetzt dürfte es zu spät sein, denn am 11./12. September ist das Festspielhaus wegen Betriebsurlaub geschlossen.

1 Elfriede Jelinek: Burgtheater. Allegorisches Zwischenspiel. In: Theater und Faschismus. Hg. v. Peter Roessler u. Gerhard Scheit. Wespennest Nr. 56. Wien 1984

2 vgl. Das Neue Testament, Lukas 2, 1-4

3 vgl. Johannes Voggenhuber: Berichte an den Souverän, Salzburg: Der Bürger und seine Stadt, Residenz Verlag, Salzburg/Wien 1988

4 siehe Gert Kerschbaumer: Faszination Drittes Reich, Kunst und Alltag der Kulturmetropole Salzburg, Otto Müller Verlag, Salzburg 1988

5 siehe C. W. Aigner: Kein schöner Land, 50 österreichische Autoren über Stadt und Land Salzburg, Graphia Druck- und Verlagsanstalt, Salzburg 1981; Adolf Haslinger (Hrsg.):Salzburg, Reisebuch, Insel Verlag, Frankfurt/Leipzig 1993; Ludwig Laher (Hrsg.): Der Genius loci überzieht die Stadt, Verlag Guthmann-Peterson, Berlin/Wien/Mühlheim 1992