juni 1997

Roman Höllbacher

AltstadtFeiern

Schmerbäuchiger Talmi-Tingel

Feste soll man feiern, wie sie fallen, versichert der Volksmund. Er fragte nie, weswegen die Mächtigen gerade auf die Idee verfielen, eine Runde Freibier auszugeben. Wer wußte schon, wann es wieder einmal soweit sein könnte. Das Fest ist in diesem Sinne immer auch ein Kniefall der Regenten vor den Regierten. Sie galt es im Fest zu versöhnen für die Schmach der Unterjochung und der Aussperrung.

Das sogenannte Fest zur Erhebung Salzburgs in den Rang eines Weltkulturerbes ist nach allem, was bisher bekannt wurde, weder ein appolinischer Akt der Freude noch ein rauschhaftes Dyonisium, wie es dem barocken Antlitz der Stadt zu Gesicht gestanden wäre, sondern bloß ein schmärbäuchiger, schematischer Ausguß kulturindustrieller Veranstaltungsveranstalter unserer Tage. Wenn nun auch Vanessa »Teufelsgeigerin« Mae nicht auftreten darf: Der Tiefgang dieses Poptäubchens be-schreibt den Horizont jener, die auf die Idee kamen, sie vorzuschlagen. Aber nicht der Umstand, daß ein Fest gefeiert werden soll und der Gemeinderat dafür einige Mille über den Tresen schob, sondern daß offenbar überhaupt niemand mehr in der Lage ist, die Wonne des Überschwanges zu fassen, stimmt traurig, so traurig wie das Logo für das Weltkulturerbe, das ausschaut wie ein Grabstein. Vielleicht ist der Entschluß des Gemeinderates, in Zeiten keuscher Armseligkeit einen Batzen Geld zum Verludern auf den Tisch zu hauen, das einzig Bewundernswerte an der ganzen Veranstaltung. Eine gegenüber dem Repräsentativen vollkommen verunsicherte und verängstigte bürgerliche Demokratie schiebt die Verantwortung auf die Verwaltung und diese auf eine PR-Agentur der allgemeinsten Form der Inhaltslosigkeit. Zwischen den Zeilen eines affirmativen Amtsberichts führt das Fröhliche schließlich ein lepröses Dasein, es zerfällt.

Die Unbeholfenheit, ein Fest zu organisieren und die Distanz, ja die Teilnahmslosigkeit der Salzburger am Rang eines solchen Welterbes sollten aber nicht nur Anlaß für giftige Polemiken sein. Warum gelang es eigentlich bisher nicht auch nur ansatzweise, Stolz und Freude (klammert man einmal die offiziellen Beifallsbekundungen aus) über die Tatsache zu versprühen, daß die Altstadt von Salzburg neben rund 450 Denkmälern nun ebenfalls diese Bedeutung zugesprochen bekam? Bloß ein Orden, bei dem man sich fragt, wozu sie verliehen werden? Anstatt ein Fest zu organisieren, das an den Glanz barocker Festkultur anknüpft und für ein solches Spektakel lokale Theater, Musiker und Künstler mit einer runden Summe von 7,8 Millionen Öschis unterstützt, bekommen wir Talmi-Tingel vorgesetzt. Daß sich dafür niemand begeistert, ist verständlich.

Wie tief ist also der Graben, der die Stadt von ihren BewohnerInnen trennt? Selbst eine der ersten Adressen für Altstadtangelegenheiten, der Komiker Herbert Fux, meinte letzthin öffentlich, daß die Ernennung um Jahrzehnte zu spät komme, weil die Altstadt ja schon zerstört sei. Also alles für den Hugo?

Globalisierung

Die Verteilung der Zertifikate für Weltkulturdenkmäler rund um den Erdball wird nicht zu unrecht von vielen kritisiert. Letztlich sei es bloß ein Marketing-Trick, lautet einer der häufigsten Einwände gegen die Liste der UNESCO. Andererseits spiegelt sich im Definieren dieser weltweiten Denkmalswerte eine allgemeine Tendenz der Globalisierung. Im Bereich der Wirtschaft oder des www ist dies bereits in der meisten Bewußtsein und in aller Munde. Kulturelle Parameter wie ein Weltkulturerbe sind damit auch Ab- und Sinnbild der weltumspannenden Dienstleistungs-, Wirtschafts- und Finanztransaktionen. Während zwischen Städten wie New York, London, Frankfurt, Tokyo oder Singapur ein Netz entstand und an deren Börsen die Würfel der Weltwirtschaft fallen, entwickeln sich andere Regionen zu exportorientierten Produktionsstandorten.Ein weiteres Segment in diesem globalen Konzern sind die Tourismusgebiete. Wollen sich solche Gegenden zu transnationalen Zentren des Tourismus und Standorten von Ferienhäusern entwickeln, so dürfen sie die industrielle Entwicklung nicht vorantreiben, sondern müssen vielmehr ihre qualitativ hochwertige Umwelt erhalten.

Salzburger Ansicht

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie dilettantisch die bisherigen Aktivitäten rund um das Weltkulturerbe »Altstadt Salzburg« sind. Während alteingesessene Alternative auf Besitzstände pochen und den ewigen Verteilungskampf um Kulturzuschüsse reaktivieren, beauftragt der Bürgermeister eine Werbeagentur, welche die mögliche Tragweite der Entscheidung der UNESCO für Salzburg auch nicht ansatzweise begriffen hat. Zugegeben ist es auch eine Frage der Kultur, ob man mit Pfeffer oder Paprika würzt, aber wer einen derart unscharfen Begriff von Kultur vertritt, dem kann es passieren, daß der Kulturgenuß bei Würstl mit Saft vergeht. Den Vogel in puncto dämlicher Einfälle hat allerding die Bürgerliste abgeschossen: Streng nach dem Motto, daß Oppositionspolitik nur das Gegenteil von dem sein darf, was die anderen machen, schlug sie eine Ausstellung über Altstadtzerstörung vor. Wer die Altstadt von Havanna kennt, wer weiß, in welch erbärmlichem Zustand viele städtebauliche Juwelen auf der Apenninenhalbinsel sind und wieviele Altertümer es weltweit gibt, deren Erhaltung schlicht nicht mehr finanziert werden kann, versteht solchen Defätismus nicht mehr. Das Problem der Salzburger Altstadt ist ganz sicher nicht, daß sie verfällt. Die UNESCO hat sie auch nicht wegen ihres Zerstörungsgrades in die Liste aufgenommen, sondern weil neben dem Kriterium der »Einzigartigkeit« und dem aktuellen »Erhaltungszustand« ein überzeugender Erhaltungsplan vorgelegt werden kann.

Gerade seitens der Bürgerliste hätte man sich erwarten dürfen, daß sie die Ernennung zum Weltkulturerbe als Aufforderung zur Präzisierung ihrer ureigensten politischen Intentionen versteht - der Erhaltung des städtebaulichen und architektonischen Erbes und der Ressourcen der Landschaft auf Basis der Weiterentwicklung der Stadt. Anstatt diesen Stanglpaß aufzugaberln und dem Begriff des Weltkulturerbes die zeitliche Dimension der Zukunft hinzuzufügen, vergräbt man sich im Misanthropischen. Nicht nur zu fragen, was will die UNESCO für ein hübsches Fest, sondern zu zeigen, daß Salzburg einen neuen Weg anbieten kann, wäre ein politischer Auftrag. Als die alte Zähriger Stadt Bern in die Liste der Weltkulturdenkmäler aufgenommen werden sollte, stellte sich die neuartige Frage, ob ein ganzes Stadtgebilde als Weltkulturerbe bezeichnet werden könne, obwohl es im Gegensatz zu einem Einzelmonument auch in Zukunft größeren Veränderungen ausgesetzt sein würde. Die Frage wurde bejaht und Bern 1983 in die Liste eingetragen.

Die Angst vor einem Käse- glockendasein ist verständlich und nicht unbegründet. Schwieriger als ein Museum zu bestücken, dafür atemberaubender wird es sein, das Überkommene und das Neue zu verbinden. Den globalen Kontext der Stadt offensiv zu behaupten und eine lebenswerte Zukunft auf ihrem Boden zu gestalten, heißt die Herausforderung.

Literatur

Saskia Sassen Metropolen des Weltmarktes. Die neue Rolle der global cities.

N.N. Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt. unesco-info 5, Feb. 1995

Bernhard Furrer Weltkulturerbe Bern. In: unesco-Kurier