juni 1997

Jan Carlsen
kommentar

Das Regime Der Gartenzwerge

Bei der Beurteilung politischer Vorgänge ist es bekanntlich zielführend, zu fragen, wem nützt es? Bei den Salzburger Panik-Tagen vom Pfingstwochenende fällt die Antwort eindeutig aus: Ausschließlicher Nutznießer waren die Freiheitlichen. Der FPÖ ist es mit Unterstützung aller großen Salzburger Medien gelungen, in Salzburg eine Pogromstimmmung zu erzeugen und politisch umzusetzen. Nur nebenbei: Dies hat uns SteuerzahlerInnen zumindest 20 Millionen - wahrscheinlich aber mehr - gekostet.

Es geht gar nicht darum, angesichts möglicher Ausschreitungen die Sinnhaftigkeit von vorbeugenden Sicherheitsmaßnahmen - wie beispielsweise auch bei einem Fußballspiel, wo rabiate Fangruppen erwartet werden - in Abrede zu stellen. Es geht um die Verhältnismäßigkeit. Salzburg erlebte - in Erwartung von nur 500 Jugendlichen (!) - weit mehr: Die Pfingsttage brachten durch Medien hysterisierte und von der FPÖ politisch gesteuerte polizeistaatliche Verhältnisse mit massiven Grundrechtsverletzungen. Oder was ist das sonst, wenn Bekleidung und Äußeres für eine Wegweisung, Anhaltung oder für Hausarrest ausreichen? Es gab in diesem Zusammenhang wiederholt Vermutungen, die FPÖ selbst hätte die »Chaostage« ausgerufen, um sie dann für ihre Politik der Destabilisierung der Zweiten Republik einzusetzen. Man mag das einer Partei, die in ihren Reihen Funktionäre hat, die sich wegen Wahlbetrugs verantworten müssen, moralisch durchaus zutrauen. Die Verschwörungstheorie wird dadurch aber nicht wahrer. Tatsache bleibt freilich, daß die »Chaostage« erst wenige Tage vor Pfingsten durch die von der FPÖ (!) in Hunderttausenderauflage verbreiteten Flugblättern eine echte Breitenwirkung - auch unter den potentiellen BesucherInnen - erzielt haben. Wie wenig die »Chaostage« in der ohnehin schwachen »Szene« selbst verankert waren, zeigen die Zahlen: Ganze 250 Jugendliche mit bunten Haaren wollten nach Salzburg, 35 von ihnen wurden festgenommen. Diese Zahl reicht gerade einmal an eine mittlere Bierzeltrauferei heran. Für eine Generalprobe für die Dritte Republik reichten die paar Jugendlichen aber allemal. Daß sich von den politischen Parteien nur ein Teil der Bürgerliste gegen das Pfingst-Regime der verängstigten, kleinbürgerlichen Gartenzwerge zur Wehr gesetzt hatte, zeigt die hohe »demokratische« Akzeptanz durch alle Schichten und politischen Gruppen, die die repressive Randgruppenhatz erreicht hat.

Heute Ausländer und Punker. Schon morgen können kritische Intellektuelle, emanzipierte Frauen, Arbeitslose, Schwule, Behinderte, Juden, sozialdemokratische »Bonzen« unter die Stiefel der Gartenzwerge kommen. Ein Vorwand wird sich finden, und schnell werden Medien und Polizei bereit sein, die freiheitliche Politik mitzuvollziehen.