juni 1997

Stefan Gmündner
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Mann, ist der Wittmann

Der Kultur-Staatssekretär über Festspiele, ART-Forum und die Chef-Sache

Sie haben in einem profil-Interview gesagt, Sie hätten »den liberalsten und weitesten Kulturbegriff, der noch definierbar ist«, wie läßt es sich damit in Österreich konkret arbeiten?

• In Österreich ist der Kunstbegriff schon durch meine Vorgänger sehr liberal definiert worden. Das soll auch so bleiben. Ich möchte, daß der Kunst in jeder Erscheinungsform eine sehr große Liberalität gegeben ist.

Vor allem alternative Kulturinitiativen haben sich in der Öffentlichkeit für ihren Kunstbegriff zu rechtfertigen. Worin bestehen nun für Sie persönlich die Leistungen solcher Projekte?

• Diese Erscheinungsform der Kulturvermittlung erscheint mir als Ergänzung äußerst wichtig. Wir haben einen sehr klar definierten Bereich der Hochkultur bzw. der klassischen Kultur, der etwa durch die Bundestheater in Wien, die Salzburger oder die Bregenzer Festspiele abgedeckt wird. Wir haben aber wenig Vermittlungstätigkeit im Bereich der alternativen Kunst- und Kulturszene. Deshalb ist es eben wichtig, diese Kulturinitiativen, die diese Vermittlungsarbeit vor Ort übernehmen, auch zu unterstützen.

Sie haben gerade die Salzburger Festspiele angesprochen, was würden Sie sagen, bleibt in Salzburg kulturell übrig, abseits der Festspiele?

• Da bleibt sehr viel übrig. In jeder Stadt existiert abseits der Hochkultur eine eigene Szene, die vor Ort durchaus relevant ist. Wie jede andere Stadt hat auch Salzburg seine Eigenheiten und seine unterstützenswerten Initiativen. Hier gibt es das Nonntal, oder die Elisabethbühne, auch der Bereich Tanz ist relativ gut vertreten.

Man darf aber die Salzburger Festspiele in ihrer Wirkung als Werbeträger für ein Klischee, in dem Österreich verhaftet ist, nicht unterschätzen. Man soll das eine nicht verdammen und das andere hochjubeln.

Der Festspielintendant Gerard Mortier hat die Organisation vom European Art Forum dem Kulturgelände Nonntal angeboten, bezeichnenderweise erst, nachdem der Hauptsponsor Bertelsmann abgesprungen ist. Trauen Sie diese Veranstaltung der ARGE Nonntal zu?

• Warum sollte die ARGE das nicht organisieren? Ich bin hier in keiner Weise voreingenommen, das muß man sich anschauen. Es wäre aber gut, sich repräsentative Gäste mit internationalem Renomée zu suchen.

Viele kleine Kultureinrichtungen verweisen auf einen respektablen Prozentsatz an Eigenfinanzierung - beim Kulturgelände Nonntal sind es 54 Prozent. Obwohl die kleinen Kulturschaffenden also wirtschaftlich arbeiten, werden ihnen von staatlicher Seite die Förderungen gekürzt. Wie paßt das zusammen?

• Wir haben die Mittel, die im Vorjahr da waren, auch heuer wieder für die Alternativen vorgesehen. Nur muß das Programm natürlich auch eine gewisse Qualität gewährleisten.

Wer entscheidet da, wem warum wieviel an Geldmitteln zukommt?

• Dafür haben wir ja den Beirat, der aus kreativen und in der Administration vertrauten Geistern besteht. Diese Leute kommen selbst aus der Kunst- und Kulturszene und ihren Empfehlungen folgen wir - im Normalfall.

Tatsache bleibt aber, daß die sogenannte Hochkultur unverändert und nicht hinterfragt hochsubventioniert ist.

• Gegen dieses gegeneinander Ausspielen weigere ich mich grundsätzlich. Es geht nicht um ein »entweder-oder«, sondern um ein »sowohl als auch«. Abgesehen davon unternimmt man auch in der Hochkultur massive Anstrengungen, die Kostenentwicklung einzubremsen. Bei der Ausgliederung der Bundestheater geht es ja um nichts anderes, als das bisherige Budget stabil zu halten.

Zu einem anderen Aspekt der staatlichen Unterstützung: Beraubt man die Alternativkultur durch Förderung ihrer Identität, wird sie so anerkannt und angepaßt?

• Der Beirat fällt ja diese Entscheidung abseits von der Politik. Unser System mag Mängel haben, aber um von den Geschmacksrichtungen einzelner wegzukommen, ist es das beste. Die Frage der relativen Abhängigkeit von staatlichen Mitteln und damit das Problem der »anerkannten Kunst« wird immer bestehen bleiben.

Oft heißt es, die kreative Kunst kann nur in einem Raum der Entbehrung wirklich gedeihen, sonst wird sie angepaßt. Ich bin kein Anhänger dieser Theorie. Man kann doch niemanden darben lassen, damit er irgendwelche Höchstleistungen erbringt. In Österreich ist der Staat gefordert, Subventionen zu geben, da wir nicht wie andere Länder über eine rege Sponsor- tätigkeit verfügen.

Erschöpft sich in Österreich die Kulturpolitik in der Vergabe von Subventionen oder können Sie sich eine andere Form der Förderung vorstellen?

• Wir haben ein zu weitläufiges Gießkannenprinzip und zu wenig Konzentration auf qualitativ Hochwertiges. Wir müssen von Bundesseite die Form der Förderung an sich überprüfen.

Also eventuell eine projekt- anstelle der vorherrschenden personenbezogenen Förderung?

• Das ist unser Problem: Es ist nicht Aufgabe des Bundes, jede Einzelperson zu fördern.

Was sind da die konkreten Pläne?

• Erste Maßnahme wird die Filmförderung sein, und in den nächsten Monaten werden wir jedes einzelne Aufgabengebiet, Abteilung für Abteilung, durchleuchten. Wir müssen weg von der Gießkanne, hin zu projektbezogenen, überregional interessanten Initiativen. Einzelpersonen sollen nur dann unterstützt werden, wenn man damit rechnen kann, daß sie einmal internationale Qualität erreichen. Dann aber mit ordentlichen Stipendien.

Sie sitzen ja in Wien und sind aber für ganz Österreich zuständig - wie behalten Sie da den Überblick?

• Meine Hauptaufgabe ist, daß der Kulturbetrieb in diesem Land funktioniert. Ich muß also die Rahmenbedingungen schaffen, daß Kunst in jeder Form entstehen kann und darf. Hinter mir steht ja ein Riesenapparat an Beamten, die sich sehr gut auskennen.

Was sind für Sie die Maßstäbe für das Funktionieren dieserRahmenbedingungen?

• Im wesentlichen ist das: Was ist an Aktivitäten da? Was gibt es an Basis für diese Aktivitäten? Leben die Leute mit der Kunst und Kultur? Haben wir einen hohen Anteil an Leuten, die ins Theater gehen, haben wir viele Leute, die selber Musik machen, die sich für Musik interessieren? Ist es ein Teil der gesellschaftlichen Gepflogenheiten? Ganz egal in welchem Bereich, die Jungen gehen eben zu den alternativen Veranstaltungen, die Älteren gehen eben zu anderen Dingen, die ihnen mehr zusagen, aber das soll man ja niemandem vorschreiben.

Und wie vereinbaren Sie die doch recht unterschiedlichen Bereiche Kultur, Sport und EU? Zum Beispiel wenn es heißt »Theaterpremiere oder Ländermatch«, wo sind Sie zu finden?

Das erinnert mich an die Frage, als ich noch als Anwalt tätig war und es geheißen hat, würden Sie auch Mörder vertreten?

So schlimm?

Solche Gewissenskonflikte gibt es immer, aber in den meisten Fällen tritt diese Situation nicht auf, es ist ja nicht jeden Tag ein Ländermatch und eine Theaterpremiere. Im übrigen ist Politik ein bißchen mehr, als bei einem Ländermatch oder einer Theaterpremiere anwesend zu sein. Das sind eben dann die demonstrativen Akte, die in der Öffentlichkeit bewertet werden.

Im Grunde genommen, finde ich es ganz gut, daß Sport und Kunst beim Bundeskanzleramt angesiedelt sind. Der EU-Bereich hat ja nur koordinierende Funktion und ist auch in den einzelnen Ministerien vertreten.

Sowohl Sport als auch Kunst sind Querschnittsmaterien, die in fast alle Lebensbereiche hineinreichen. So gesehen sind sie sicher besser beim Kanzler aufgehoben als als Anhängsel bei irgendeinem Minister. Man sollte nicht so tun, als wäre sie vorher beim Verkehrsminister gemeinsam mit der Wissenschaft besser aufgehoben gewesen.

Was halten Sie von einem eigenen Kunst- und Medienministerium?

Die Forderung ist berechtigt, aber man muß die politische Realität sehen: In Zeiten, in denen man ein Sparpaket schnürt, wird man nicht noch die Ministerien vermehren.

Aber ist es nicht bezeichnend, wo in Zeiten wie diesen gespart wird?

• Noch einmal: Die Kunst haben wir aber bis jetzt heraushalten können! Ich sehe es schon so, es ist eigentlich noch besser als bei den anderen.

Kunst ist also jetzt Chefsache. Wie gut funktioniert die Zusammenarbeit mit Bundeskanzler Klima und wie sieht die Kompetenzaufteilung in der konkreten Kulturarbeit aus? Fühlen Sie sich nicht manchmal übergangen?

• Die Aufgabenteilung ist so: Die tägliche Arbeit geschieht hier im Staatssekretariat, bei den Kernfragen gibt es eine Absprache. Wir haben ja keine divergierenden Ansichten, und wenn, dann setzen wir uns eben zusammen.

Aber den neuen Burgtheaterdirektor präsentiert der Bundeskanzler und nicht sein Staatssekretär.

• Ein Burgtheaterdirektor wird ja nicht in den zehn Minuten der Pressekonferenz gefunden, in denen er vorgestellt wird.

Die Lorbeeren für die Arbeit erntet dann allein der Bundeskanzler?

• Das ist eine Frage der persönlichen Eitelkeit, und ich bin nicht eitel. Man darf sich da keinen Illusionen hingeben, das ist der Job als Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Ich sehe das nicht als eine Rivalität, eher als ein gesundes Zusammenarbeiten. Für mich ist es wichtig, daß ich in der Kunst die Rückendeckung des Kanzlers habe.

Und dieses Gefühl haben Sie?

• Absolut.

Es heißt, Sie hätten keinen Moment gezögert, als BK Klima Ihnen den Posten als Kulturstaatssekretär angeboten hat. Würden Sie heute wieder so spontan zusagen?

• Sicher, selbstverständlich. Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Es gab sehr unberechtigte und unqualifizierte Angriffe mit nebulosen Geschichten. Jemanden nach vierzehn Tagen aufzufordern, wieder zu gehen, das kann ja keiner ernst meinen. Also ich habe es nicht ernst genommen.

Warum hatten Sie einen so schlechten Start in den Medien?

• Mich dürfen Sie das nicht fragen. Die handelnden Personen sind abgetreten -also Scholten, Pasterk, auch Peymann, und es ist einer gekommen, den man in der Medienszene eben nicht gekannt hat. Da sind alle nervös geworden. So sehe ich das.

Wir danken für das Gespräch!