juni 1997

an uns

LeserInnenbriefe

Zur ARGE-Presseaussendung zu den sogenannten Chaos-Tagen zu Pfingsten in Salzburg

ÖVP und F schüren weiter Hysterie und Panik. Die ÖVP hat im Kultur-ausschuß vom 15. Mai dazu aufgerufen, die Zustimmung zur Subvention an das Kutlurgelände Nonntal davon abhängig zu machen, ob diese sich von der Gewalt im Rahmen der Chaostage distanziere; die F schloß sich an.

Was war geschehen? Die ARGE Nonntal - seit jeher ein Ort, wo versucht wird, mit friedlichen Mitteln auch sogenannte Außenseiter zu integrieren - hat gewagt, die aus ihrer Sicht übertriebene Medienberichterstattung der Salzburger Zeitungen und die rechtspopulistische Agitation der »Freiheitlichen« zu kritisieren und deren offensichtliche Wirkung darzustellen; nämlich Angst und Panik in großen Teilen der Salzburger Bevölkerung.

Zum einen trägt die ÖVP-Resolution dazu bei, ein Klima aufzubereiten, das gewalttätige Auseinandersetzungen zumindest wahrschein- licher macht und damit eine Situation bewirkt, die auch ich auf das entschiedenste ablehne. Zum anderen erpreßt sie, und das ist wirklich einmalig, eine Salzburger Kulturstätte dahingehend, daß diese zu gesellschaftlich brisanten Themen nicht mehr kritisch Stellung nehmen darf. Hier wird versucht, über finanziellen Druck Zensur auszuüben.

Ich fordere die ÖVP auf, nicht in den rechtspopulistischen Chor der Freiheitlichen einzustimmen und Versuche kulturpolitischer Zensur in Zukunft zu unterlassen. Schluß mit der Hysterie, die ein Klima erzeugt, welches Gewalt jedenfalls wahrscheinlicher macht.

P.S.: Das Kulturgelände Nonntal bekennt sich übrigens in seinem Statut zu friedlichen Lösungen von Konflikten

Mag. Bernhard Carl, Bürgerliste

Offener Brief an Landesrat Schnell

Wie Zucht und Ordnung von Salzburg endlich wieder Besitz ergreifen, genau wie damals, als die Welt noch heil war.

Stimme des Volkes: »Im Stadion g’hörns zusammengetrieben und abgeknallt!«, »Ein Steinbruch g’hört eröffnet und mit Ketten sollens zur Arbeit angetrieben werden!« etc.

Sind solche Sprüche gewalttätig, Herr Landesrat Schnell? Nein, natürlich nicht, sie sind der Ausfluß »natürlichen Rechtsempfindens«, eines Empfindens, das Sie sich auf Ihre politischen Fahnen heften. Sie haben dabei einen tatkräftigen Helfer - die Kronen Zeitung. In schöner Eintracht laufen Sie und Ihr ergebener Chefredakteur Hasenöhrl (oder sind Sie ihm ergeben?) zu Hochform auf. Es gibt eigentlich nur noch eine Forderung, die Sie beide zu meiner Überraschung noch nicht gestellt haben - nämlich die »gewalttätige Horde« erschießen zu lassen! Dank Ihnen wird die Bevölkerung Salzburgs aufgeklärt, wer sich die Zerstörung Salzburgs zum Ziel setzt. Nicht etwa Atombomben, Atomkraftwerke etc., nein, eine Horde »blutdürstiger, gewalttätiger, vermummter auf die Erde herabgekommener Monster«, die auf öffentlichen Plätzen »Rudelbumsen« (übrigens die Phantasie vieler Stammtischbrüder), »Massennacktbaden in den denkmalgeschützten Brunnen« und viele andere »grauenvolle« Dinge vorschlagen!

Mit einem Wort: Die Stadt ist dem Untergang nahe, doch dank Ihnen, der Kronen Zeitung und dem Herrn Polizeidirektor werden wir »mit dem größten Polizeieinsatz in der Geschichte Salzburgs« geschützt! Gott sei dank gibt es noch »Heilsbringer«.

Wie ein Politiker mit Namen Schnell, dessen Problemlösungskompetenz ansonsten gegen null geht, im Verein mit der Kronen Zeitung ein Klima der Angst und Massenhysterie erzeugt und die Randgruppe der Punker zu »vogelfreien« Feindbildern stempelt

In den deutschen Städten, vor allem in den Neuen Bundesländern, herrscht unter einer großen Zahl von Jugendlichen bis zu 50% Arbeitslosigkeit, z. B. in Leipzig. Die Folge davon sind Hoffnungslosigkeit, ein Leben ohne Sinn und Perspektive. Weiters kommt es noch erschwerend hinzu, daß diese Jugendlichen auch keinen Rückhalt in ihren Familien finden und kaum einen in der Gesellschaft, weil es solche Politiker wie Sie gibt. Ein Leben ohne Sinn erzeugt Aggressionen, Haß, Gewalt und führt zur Bildung von Jugendgangs. In Berlin etwa bildete sich aus diesem Grund, initiiert von einigen Polizisten, die »AG Gruppengewalt«, die zuerst das Gespräch und die Vermittlung sucht und erst als letztes Mittel den Polizeieinsatz wählt. Kriminalhauptkommissar Gerke, Mitarbeiter der Arbeitsgruppe »AG Gruppengewalt«, setzt auf Abrüstung: »Ein Mehr an Polizei wird das Problem nicht in den Griff bekommen. Wir brauchen nicht mehr Polizei, sondern einen breiten Diskurs über die gesellschaftlichen Ursachen von Gewalt.«

Ein Beispiel zu Ihrem besseren Verständnis:

Die Freiheitlichen bekämpfen nicht den vielfachen Milliardär Dichand, der sklavenähnliche Bedingungen für seine Zeitungskolporteure schafft, vielmehr werden die »Sklaven« des Landes verwiesen, wenn sie nicht mehr funktionstüchtig sind oder eventuell sogar gegen diese unmenschliche Behandlung aufbegehren. Als Draufgabe denunziert die »F« diese Menschen noch als Wirtschaftsflüchtlinge, »Ausländergesindel« etc.

Übrigens: Kennen Sie einen Österreicher, der für den Multimilliardär Dichand unter diesen Bedingungen arbeiten würde? Rührnderweise haben die Freiheitlichen, im Verein mit ÖVP und SPÖ, vollstes Verständnis dafür, daß sich Herr Multimilliardär Dichand die Werkvertragsregelung für seine Kol- porteure nicht leisten kann! Das ist strukturelle Gewalt - ein Tabuthema unserer Gesellschaft.

Welche Vorgangsweise hätte ich mir vorgestellt?

Es wäre bereits lange vorher, im Vorfeld, von der Polizei abzutesten gewesen, wie real die Gefahr von Gewalttätigkeit ist und welche präventiven Maßnahmen zu setzen sind. Es hätte das Gespräch mit Salzburger Punkern und Streetworkern gesucht werden müssen, ebenfalls mit den Gruppen, die einzureisen gedachten. Ich habe kein Problem mit polizeilichen Maßnahmen, wo z.B. Grenzen gesperrt, keine großen Ansammlungen zugelassen werden, um eventueller Gewalttätigkeit auszuweichen. Aber was jetzt stattfindet, ist eine Kriegserklärung! Die Atmosphäre in der Stadt ist mit Unmenschlichkeit und Gewalttätigkeit erfüllt. Zu dieser Eskalation haben Sie entscheidend beigetragen.

Was übrig bleibt, ist ein Scherbenhaufen und ein Bruch des Rechtsstaats. Jugendliche mit auffälliger Haarfarbe, ungewöhnlichem Haarschnitt werden oft fografiert und aus der Stadt verwiesen oder bekommen, wenn sie Stadtbewohner sind, Hausarrest. Ansonsten werden sie eingesperrt. Der städtische Streetworker Herr Falkensteiner, der sich aus Solidarität eine Haarsträhne gelb färben ließ, wurde von einem Polizisten zum sofortigen Verlassen der Stadt aufgefordert. Punkies, die die Chaostage vorher einen »Scheiß« fanden, werden aufgrund der brutalen und kriegerischen Vorgangsweise aggressiv und wütend. Eine ganze Gruppe Jugendlicher wird zum Feindbild gestempelt.

Politik der Freiheitlichen: Kriegszustand unter den Wohlstandsverlierern schützt die Mächtigen.

Die Politik der Freiheitlichen hat in einem entscheidenden Punkt eine unwahrscheinliche Gemeinsamkeit mit den Nationalsozialisten: Die Angst großer Teile der Bevölkerung vor Arbeitsplatzverlust und somit vor Existenzverlust, die dadurch entstehenden Ohnmachts-, Aggressions- und Haßgefühle werden schamlos zur Hatz gegen »Feindbilder« ausgenützt. Diese verdienten es quasi, verachtet zu werden, wie damals zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft die Juden gezwungen wurden, die Straßen zu säubern, wo sie jeder mit Hohn und Spott übergießen durfte. Das Ende des Liedes war, daß sie einige Jahre später millionenfach vergast wurden.

Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, sagte ein großer deutscher Maler: Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen könnte!

Genauso ergeht es mir mit Ihnen und der Kronen Zeitung!

Dr. Elisabeth Moser, Bürgerliste

Überrascht und amüsiert: das bin ich nach der Lektüre der jüngsten Ausgabe des von mir immer aufmerksam und gern gelesenen »Kunstfehlers«. Überrascht, weil Ihr mich als Spiritus rector einer vermeintlich rechten Politik von Stadtrat Mitterndorfer outet und deshalb über mich berichtet. Amüsiert, weil ich Euch eine dermaßen platte und abgelutschte Antifa-Rhetorik nicht zugetraut habe. Insoferne bin ich auch enttäuscht. Eine etwas differenziertere und intelligentere Darstellung »rechter« Politikansätze hätte ich vom »Kunstfehler« schon erwartet. Denn in dem, was Ihr da an Schwarz-weiß-Malerei geliefert habt, steht Ihr dem Boulevard, wenn auch mit anderen politischen Vorzeichen, in nichts nach. Der »Kunstfehler« also ein Organ dieser unsäglich faden politischen Korrektheit, ein Sprachrohr selbsternannter Gutmenschen, eine publizistische Bastion des politmoralisch verpflichtenden »Antifaschismus«? Links ist gut und rechts ist böse? So einfach ist die Sache für Euch? Tatsächlich?

Wann verabschiedet Ihr Euch endlich von der bequemen Vorstellung, Rechte seien antikulturell, antiintellektuell, antidemokratisch und anti-was-weiß-ich-was? Anstatt die - noch dazu handwerklich wenig redliche - journalistische Faschokeule gegen alles zu schwingen, was politisch rechts ist und zu sein scheint, lade ich Euch ein, eine ordentliche Diskursethik zu beweisen. Ihr könnt mich gerne zum Cafe/Bier/Safti einladen. Diskutieren wir, etwa über das Thema: »Die Feindbilder einer Redaktion«. Ich komme sicher! Reden reduziert schließlich so manche Klischees, die auf die Entfernung so gerne gepflegt werden. Und noch eine - im übrigen ernstgemeinte - Idee: Macht mich zum Kolumnenautor im »Kunstfehler«! Titel: »Von rechts gesehen«, »rinks und lechts« oder so ähnlich. Es würde die erfrischende, provokative Note des »Kunstfehler« verstärken. Habt Mut zur Meinungsvielfalt. Traut Euch! Es tut nicht wirklich weh und dem Geist schadet es nicht. Außerdem: unterhaltend ist es auch. Aber leider: ich wette, Ihr traut Euch nicht. Schließlich: Wo kämen wir denn da hin, wenn da glatt ein Rechter und noch dazu im »Kunstfehler«...

Mit aufmerksamen Lesergrüßen

Dr. Franz Spitzauer

Büro Stadtrat Mag. Siegfried Mitterndorfer