jänner-februar 2000

Doc Holliday

Host a Kaiser, bist a Kaiser

Erlebnisgastronomie nach Salzburger Art

Das Sternbräu ist eine echte Salzburger Institution. Der gute Stern über der Altstadt hat schon so manches Mal dem nächtlichen Wanderer heimgeleuchtet. Und das nicht nur zur Weihnachts(bock)zeit. Die Gaststätte, die sich im Besitz des österreichischen Bierriesen Brau-Union befindet, war dereinst eine eigenständige Brauerei. 1929 erfolgte der Anschluss an die Brau-AG. Seit 1956 wird nur noch gezapft und gekocht.

Im vergangenen Dezember war der 2000 Sitzplätze bietende Großbetrieb häufig in den Schlagzeilen der Medien. Geschäftsführer Günter Puttinger, seit 1978 Pächter des Stern, bewarb sich bekanntlich um den Obmannsposten beim ÖVP-Wirtschaftsbund und damit auch um das Präsidentenamt der Wirtschaftskammer Österreichs. Bei der Wahl am 10. Dezember unterlag er aber seinem Kontrahenten, dem oberösterreichischen Ziegelbaron Christoph Leitl, klar. Etwa zwei Drittel der Delegierten entschieden sich gegen den Großgastronomen. Der bleibt Salzburger Wirtschaftskammerpräsident und wird Vizepräsident im Wirtschaftsbund. Im Wahlkampf präsentierte sich Puttinger, der Kommerzienrat mit gut 20-jähriger Erfahrung in verschiedenen Gremien der Interessensvertretung, als ein Kämmerer der alten Schule: konservativ, Sprecher der Klein- und Mittelbetriebe, ein Anhänger der Sozialpartnerschaft. Hehre Worte. Da aber zu einer Partnerschaft immer zwei gehören, erkundigte sich der »kf« bei den Arbeitnehmervertretern, wie sie diese Aussagen bewerten. »Herr Puttinger ist alles andere als ein Sozialpartner. Er lehnt eine Zusammenarbeit mit uns ab und akzeptiert keinen ›eigenständigen‹ Betriebsrat, bloß einen, der nach seiner Pfeife tanzt«, erklärt Josef Gönnitzer, Landessekretär der zuständigen Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst. Für aktive Gewerkschafter und Betriebsräte hat Puttinger nichts übrig. Die passen nicht in sein unternehmerisches Weltbild. Also hat er in den vergangenen Jahren diese »Störenfriede« konsequent aus dem Betrieb eliminiert. Dies durchaus auf subtile Weise, indem ihnen die Arbeit systematisch vermiest wurde: »Ungünstige« Diensteinteilungen, die zu Einkommensverlusten führen und das insbesonders in der Gastronomie beliebte Spiel, die Dienstnehmer gegeneinander aufzubringen. Bislang ist diese äußerst gewerkschaftsfeindliche Haltung immer aufgegangen. Was damit zusammenhängt, dass Organisierungsgrad und Solidarität im Gastgewerbe eher gering sind. Die autoritäre Betriebsführung und Umgang mit seinem Personal, in der Hochsaison sind das immerhin etwa 110 bis 120 Leute, erinnern an eine längst vergangen geglaubte Epoche. Sicher, selbst seine Gegner können dem peniblen Patriarchen, der nach dem Motto lebt, Vertrauen ist nicht so gut, Kontrolle ist am Besten, eine gewisse Eloquenz beim Durchsetzen seiner unternehmerischen Ziele nicht absprechen. Obwohl, so Gönnitzer, sich Puttinger immer »hart an der Grenze der Legalität bewegt«, konnte ihm auch in den juristischen Auseinandersetzungen bislang nicht beigekommen werden. Geht es um die Einschüchterung seiner Belegschaft, lässt der Unternehmer sich immer wieder etwas Neues einfallen. 1999 kürzte er bei bestehenden Arbeitsverträgen die Löhne auf das Kollektivvertragsminimum. Die Überzahlungen schaffte er zwar nicht gänzlich ab, wandelte sie aber in eine freiwillige Prämie um. Mit der Option, dass diese jederzeit einstellbar sei. Einmal allerdings gelang es der Gewerkschaft erfolgreich in die Offensive zu gehen. Ende 1997 organisierte die Arbeitnehmervertretung eine »Besetzung« des Sternbräus: 400 Personen, die zur Mittagszeit bei einem Glas Soda die Tische belegten. Solche »Geschäftsstörungen«, oder auch die öffentliche Kritik von Konsumentenschützern der AK an den überhöhten Preisen für Kartoffelsalat, behagten dem Geschäftsmann alten Stils weniger. Vor diesem Hintergrund bekommt die im Wirtschaftsbundwahlkampf gemachte Ankündigung Puttingers, im Falle eines Sieges Frank Stronach oder einen führenden Manager von dessen Magna-Konzern zu seinem Stellvertreter zu machen, Sinn. Schließlich ist der gstopfte Onkel aus Kanada ein notorischer Gewerkschaftshasser.

In den 80er Jahren entwickelte Puttinger gemeinsam mit der Brau-AG ein neues Konzept für das Sternbräu. Mehrere unterschiedliche Lokaltypen, etwa ein Bier-Pub, ein »Italiener« usw. wurden etabliert. Ein Entwurf, der unter dem neumodischen Namen »Erlebnisgastronomie« firmiert. Erleben ist Trumpf in der Gesellschaft der 90er Jahre. Dahinter steckt ein marktstrategisches Kalkül. Die Devise heißt: Entspannen statt verkrampfen. Wer etwas erlebt ist gut drauf und motiviert zu konsumieren. Ausschließlich um Letzteres geht es. Aber Umsatzsteigerungen lassen sich auch durch eine Erweiterung der gastronomischen Angebote nicht garantieren. Schon gar nicht, wenn der urige Flair einer alten Bräuwirtschaft, der gerade dem alten Stern-Garten anhaftete, nach dem Umbau (1986-88) gänzlich verlorenging. Das neue Erscheinungsbild, diese glänzende Oberfläche, die nur die schlechte Imitation eines Wirtshauses abgibt, mag für unwissende Touristen, die nichts anderes kennen, oder für den in Geschmacksfragen traditionell verwirrten Salzburger Spießbürger attraktiv sein. Kaum vorstellbar, dass der Gastgarten so um 1966/67, vor Puttingers Regentschaft also, ein beliebter Treffpunkt für die sich entwickelnde »rebellische« Jugendkultur war. Die Halbe Kaiser-Bier kostete den durstigen Schulschwänzer damals öS 3,50! Etwa zur gleichen Zeit diente der CVler Puttinger als ÖH-Vorsitzender in Wien. In dieser Eigenschaft verteidigte er, wie viele andere spätere Machtträger aus dem konservativ-christlich-sozialen und dem national-burschenschaftlichen Lager, die antisemitischen Ausfälle des Altnazi-Geschichtsprofessors Taras Borodajkewicz als »Freiheit der Wissenschaft«. Bekanntlich wurde 1965 bei einer Gegendemonstration der Antifaschist Ernst Kirchweger erschlagen. Nur bezeichnend und wenig überraschend, dass sich Puttingers Einschätzung der damaligen Ereignisse bis heute nicht geändert hat.

Bleibt noch die wahre Bedeutung von »Erlebnisgastronomie« im Sternbräu aufzudecken: Falls du dich als Angestellter für deine Rechte einsetzt und nicht kuschst, kannst du in diesem Betrieb etwas erleben.