jänner-februar 2000

Anton Gugg

Ein Intendant (noch) ohne Eigenschaften

Peter Ruzicka, der neue Intendant der Salzburger Festspiele, scheint ganz dem Klischee eines glatten Kulturmanagers zu entsprechen, an dessen Stromlinienförmigkeit sich niemand einen Schiefer einziehen wird

Diesem Mann ist einfach nicht nahe zu kommen, auch wenn man ihm auf den Leib rückt. Ähnlich erregend muss der Disput mit einem Vorstandsmitglied der Deutschen Bank sein. Was über den Tisch kommt, ist absolut wohlgesetzt, absolut überlegt und ist rhetorisch bügelfaltengenau geglättet. Peter Ruzicka scheint ganz dem Klischee eines glatte Kulturmanagers zu entsprechen, an dessen Stromlinienförmigkeit sich niemand einen Schiefer einziehen wird, so sehr man auch dagegendrückt und reibt. Der 51-jährige Düsseldorfer ist sicher kein kleines Tier im deutschen Hochkultur-Gehege, aber selbst Szenekenner wussten bis zum Name-Droping vor der Kür des kommenden Salzburger Festspiel-Intendaten nichts anzufangen mit einer Figur, die mit dem großen Hamburger und jungen Münchner Musiktheater eng verbunden war und ist. Nur Forscher in den Ablagerungen neuerer Produktion kennen Kammermusik im gemäßigten Avantgarde-Schulstil, mit denen der Komponist Ruzicka Spezialkapitel der Musikgeschichte bereichert hat. Als Tonsetzer und Dirigent will der »Neue« das Festspielpublikum nicht behelligen, auch nicht mit Resten sogenannter »dekonstruktiver« Bühnenkunst, wie sie die Ära Gerard Mortier geprägt haben soll. Weiß er Himmel, was konstruktive Oper und das Gegenteil davon ist. Stücke wie das aufregend sinnliche , ganz auf Menschen-Erzählung konzentrierte Shakespeare-Projekt »Schlachten !« soll es unter seinem Regiment nicht in Salzburg geben, ließ Ruzicka ausrichten, dafür sollen Geschichten über Menschen erzählt werden, auf eine ganz neue sinnliche Weise. Ruzicka will also das, was Mortier immer wollte und auch vorbildlich realisiert hat, aber er will es ganz anders und doch wieder mit ähnlicher Konsequenz. Salzburg soll also Vorbildwirkung für die ganze Welt gehabt haben und diese Rolle auch weiterhin spielen - mit Lieferanten und Playern, die Gemeingut aller Kulturwelt sind und vielleicht deshalb nie in den Programmen Mortiers aufgetaucht sind. Die künftigen Opern-Bäcker Salzburgs Hans Werner Henze und Wolfgang Rihm tragen Namen von inzwischen musealem Rang und die als Theaterdirektoren gehandelten Bühnenroutiniers Jürgen Flimm und Hermann Beil kontrastieren perfekt zu den wilden Junggenies Martin Kusej und Thomas Ostermeier. Bei dieser ausgewogenen Charakter-Dramaturgie der handelnden Personen kann eigentlich gar nichts mehr schiefgehen, auch nicht mit einer aufgefrischten klassischen Salzburger Programmatik, die auf den unerschütterlichen Säulen Mozart und Strauss ruht. Dazu ganz großes Welttheater und österreichische Bühnen-Evergreens - und dazwischen Zemlinsky, Korngold und Schreker - also vergessenes, verdrängtes, von Geschichte und Geschmack überflügeltes Emigrations-Kulturgut. Haupttempel und archäologische Fundstücke des 20. Jahrhunderts könnten auch mit dieser oder jener selten gespielten Puccini-Rührgeschichte, etwa dem »Mädchen aus dem Goldenen Westen«, bunt aufgeputzt werden. Ruzickas verspricht Festspiele für Jedermann, für Spezialisten und für Konsumenten, die das Bekannte in der aktuellsten Ästhetik serviert bekommen wollen. »Don Giovanni« habe ihn inszenierungsmäßig noch nie befriedigt wegen des Mangels an zeitgemäßer Realisierung, bekennt er freimütig . Es könnte also durchaus sein, dass Mozarts härtester Prüfstein für Regisseure und Ausstatter in eine innerhalb von Opernhausmauern noch nie gesehene Technik übersetzt wird. Peter Ruzicka bleibt vorerst ein phantomartiger Festspiel-Intendant ohne Eigenschaften, geschweige denn Ecken und Kanten. Er gleicht noch einem Vertreter der Hochdiplomatie, der auf gar keinen Fall bestehende Strukturen in Frage stellen will, der mit Sehnsüchten nach dem Guten, Alten spielt und zugleich das ganz Neue fordert. Exklusivgesellschaft und Experiment sind in den ersten Hilfsthesen des kommenden Festspiel-Kapitäns noch keine Gegensätze. Eine beruhigende Vorstellung für alle, die gerne Illusionen nachhängen und Konflikt versprechenden Lösungen ausgewichen sind - in der hohen Politik wie in der Findungskommission. Ruzicka wirkt neben Mortier wie ein Sedativ. Alles wurde widerspruchsfrei und eiligst akzeptiert. Der Vertrag, die Rahmenbedingungen und auch Helga Rabl-Stadler. Dieses unhörbare und doch unüberhörbare »Nicht ohne meine Präsidentin« musste wie Balsam in den Ohren der Volkspartei geklungen haben.