jänner-februar 2000

Doc Holliday

Der lange Marsch in den Arsch

Die Suche nach der neuen Regierung als taktisches Spielchen

Na also. Seit Mitte Dezember wissen wir es. Aus den »Sondierungsgesprächen« ist doch noch etwas geworden. Zumindest das »österreichische Wort des Jahres«. Klar in Führung vor »Millenium«. Dabei hätten beide Vokabeln berechtigte Chancen mit dem amtlich bestätigten Unwort von 1999 zu konkurrieren. »Schübling« errang diese zweifelhafte Ehre. Ein Wort, das nach beamtetem Polizistendeutsch tönt. Und bei dem etliche negative Konnotationen mitschwingen, etwa die Assoziation mit einem Pilz. Der kann ja leicht giftig und gefährlich sein, also Tbc, Aids oder Drogen an und in sich tragen. Ab mit dem (Volks)Schädling zum Leukoplast-Test. Dort ist dann Leib und Leben keinen Pfifferling mehr wert.

Bleiben wir noch etwas bei der Sprachwissenschaft, kehren aber zu den »Sondierungsgesprächen« zurück. Die oberste Sprachinstanz Duden erklärt: Sondieren, ein französisches Lehnwort, heißt in erster Linie »mit einer Sonde untersuchen«. Sonde bedeutet einerseits »Lot, Senkblei«, andererseits ist es ein medizinischer Terminus für ein »stab- oder schlauchförmiges Instrument, das der Arzt zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken in Körperöffnungen und Hohlorgane einführt«. Damit sind wir auch schon wieder beim Neologismus »Sondierungsgespräche« gelandet, dieser Umschreibung für das Geblöke und Geseiere rund um die Suche nach einer neuen Regierung für Österreich. Treffend ist der Ausdruck allemal. Dabei spielen nämlich auch einige Körperöffnungen (zwecks Hineinkriechen oder Winderzeugung) und Hohlräume (bei manchen Menschen an Stelle eines Gehirns) eine Rolle.

Zur Erinnerung: Mit der Nationalratswahl im Oktober fing alles an. Im Wahlkampf reiste der Mascherlträger und ÖVP-Chef Schüssel dank katastrophaler Umfragewerte auf einer neuen Masche. Mit vollem Mund und Hosen deklamierte er, dass seine Partei im Falle eines »Absturzes« auf den dritten Platz mit Sicherheit in Opposition ginge. Zitat Schüssel vom 7. September: »Wir werden unter keinen Umständen an einer Regierung teilnehmen, wenn wir nicht zumindest Zweite sind«. Wie es der Teufel in Gestalt der Wähler so wollte, trat dies aber prompt ein. Das markierte den Startschuss zu einer Schmierenkomödie letzten Ranges mit mehreren Hauptdarstellern. Obwohl eigentlich noch in der Regierung, ging die rabenschwarze Reichshälfte zuerst prophylaktisch in Opposition. Diesen Kurs steuerten sie zwei Monate lang mit Emphase. Ein Wink mit der Krampusrute und der kaum zu durchschauende Bluff: »Seht her, wir sind anständige Politiker. Wir meinen, was wir sagen.« Selten waren in Österreich so viele und so schlechte Witze zu hören und zu sehen. Das Defilee der Witzfiguren ging damit aber erst richtig los und brachte andere, altbekannte Spieler ins Rennen. Allen voran die Kronen-Zeitung und Bundespräsidenten Thomas Klestil. Erstere zeigten einmal mehr, wer diesen Staat regiert. Cato höchstpersönlich und seine Adlaten schrieben das Machtwort: Nein zu einer Regierungsbeteiligung der FPÖ (die Haider-Partei in Opposition nützt der Herrschaft aus der Muthgasse mehr), eine Neuauflage von Rot-Schwarz muss her. Um dies auch noch dem letzten Wappler klar zu machen, spielten alle Machtpokerer sich gegenseitig die Trümpfe zu. So lud der ORF in unerträglicher Häufigkeit den Innenpolitik-Chef des größten Kleinformats, Dieter Kindermann, ein, um ihn von »staatsmännischer Verantwortung« schwafeln zu lassen. Ex-TV-Direktor und Krone-Ombudsmann Helmut Zilk ist schließlich nicht völlig umsonst ein guter Freund von Dichand und Klestil, sowie, falls das jemand vergessen haben sollte, SPÖler. HBP Klestil fürchtet um den guten Ruf Österreichs im Ausland. Wer will schließlich schon gerne auf schöne, billige Auslandsreisen und dazugehörige Galadiners verzichten? Da treffen sich seine Interessen mit denen jener, die um ihre Geschäftsbeziehungen in der weiten Welt fürchten. Denn dort ist Haider nicht so beliebt wie in der Heimat. Daran haben auch seine halbherzigen, mit verhärmtem Gesicht vorgetragenen Entschuldigungen nichts ändern können. Währenddessen drehte sich das Mascherl einmal mehr mit dem Wind. Beim VP-Parteivorstand am 13. Dezember fiel der Beschluss wieder Regierungsverhandlungen aufzunehmen. Welch eine Überraschung. Und SPÖ und FPÖ winselten und bettelten derweil um die Macht. Wer kein Rückgrat hat, der wird Politiker. Glaubwürdigkeit ist für diese Lachnummern ein böhmisches Dorf. Manche stehen zu ihrem Wort (zumindest kurze Zeit), manche in der Zeitung, manche im Regen, manche auf S & M (oder war das H & M) und manche auf der Leitung. Wen kümmert schon das Geschwätz von gestern, und der Weg an die Macht ist gepflastert mit Politleichen und Worthülsen. Längst schon hat Österreichs Bevölkerung das unnötige Kasperltheater satt. Der »Stammtisch« wird einmal mehr die falschen Schlussfolgerungen ziehen und im Falle von Neuwahlen im März erst recht dem Gottseibeiuns aus Kärnten die Stimme geben. Die vergangenen Monate nutzten die beiden Noch-Regierungsparteien schließlich bloß zu Einem: Dem Postenschacher nach dem Proporzsystem. Das Trauerspiel ist jedenfalls prolongiert. Dabei kann wirklich niemand, der noch etwas Hirnschmalz im Kopf hat, sich über die bevorstehenden Belästigungen freuen. Es reicht wirklich. Genug der Phrasendrescherei, ob von Politikern oder »Experten« in den Medien. Es steht aber zu befürchten, dass es 2000 so weitergehen wird, wie 1999 endete: Öde, trist und keine Änderung in Sicht. Da bleibt nur die bange Frage, was eigentlich von der gelungenen Demo vom 12. November übrig geblieben ist. Wie salbadern Politiker so schön: Es besteht Handlungsbedarf.