jänner-februar 2000

Thomas Neuhold
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Die kulturpolitische Geisterfahrt der ÖVP

Auch die neue Gemeinderatsfraktion der Stadt-ÖVP hat ein Problem mit der Salzburger Kulturszene

Als Anfang Dezember 1999 eine Presseaussendung der Stadt-ÖVP zum Thema »Änderung der Subventionsrichtlinien« in die Redaktionsstuben der Salzburger Medien flatterte, staunten die politischen Beobachter in der Landeshauptstadt nicht schlecht.

Allgemein war erwartet worden, dass die Stadt-Schwarzen nach den dunklen Jahren der Ära Josef Dechant einen liberaleren Kurs in der Kulturpolitik einschlagen werden. Einige - übrigens auch in der Redaktion des »kunstfehler« - erhofften sich von Personen wie Alfred Winter sogar eine echte Kurskorrektur; immerhin hatte SZENE-Gründer Winter im Wahlkampf noch vollmundig ein »neues Klima« versprochen und sich beispielsweise für mittelfristige Förderverträge stark gemacht.

Ein halbes Jahr später hat Winter alles vergessen. Was die ÖVP in ihrer zwölf Absätze starken Punktation zu den Subventionsrichtlinien an Grundsätzen formulierte, geht weit über die Geistesblitze der ehemaligen Gemeinderätin Gerlinde Vegh oder die arrogante Ignoranz von Ex-Bürgermeister Dechant hinaus. Der Dachverband Salzburger Kulturstätten sprach von einem »Frontalangriff auf alle Kultureinrichtungen«, der »Standard« ortete eine neue Eiszeit zwischen Kultureinrichtungen und ÖVP.

Winter tauchte unter und schwieg. Es blieb Gemeinderatsklubobfrau Judith Wiesner vorbehalten, sich tapfer der Diskussion zu stellen. Egal ob das im Schloss Mirabell verbreitete Gerücht stimmt, dass sich Winter und ÖVP-Vizebürgermeister Karl Gollegger auf der einen sowie Wiesner und Hans-Georg Gmachl auf der anderen Seite schon ziemlich »auseinandergelebt« haben, oder es sich um ein taktisch abgekartetes Spiel »guter Bulle - böser Bulle« handelt, Winter hat jedenfalls alle seine Wahlversprechen gebrochen.

Gerade die SozialdemokratInnen bereuen es zutiefst, dass sie den Schwarzen den Vorsitz im Kulturausschuss überlassen haben. Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) zum »kunstfehler«: »Das ist ein Kulturverhinderungsausschuss geworden.« Was Schaden nicht dazu sagt: Auch seine eigenen GenossInnen haben sich bei den Betroffenen nicht gerade beliebt gemacht. In der Salzburger Kulturszene kritisiert man/frau offen, dass die SPÖ-VertreterInnen in kulturpolitischen Dingen nicht gerade sattelfest sind.

Wiesner selbst weist auch auf entsprechende SPÖ-Anträge hin. So hat beispielsweise SP-Gemeinderätin Romana Rotschopf »Zielvorgaben, Kennzahlen und Messgrößen zur Beurteilung der qualitativen Arbeit« von SubventionsnehmerInnen im Sozialausschuss beantragt.

Ehrenamtlichkeit und Qualifikationsnachweis

Zurück zur ÖVP: Konkret geht es ihr zwar »nur« um die technische Abwicklung der Subventionsvergabe, wer aber das Papier aufmerksam las, wusste schnell, dass nicht in erster Linie die Sportförderung und Fremdenverkehrstopf gemeint waren. Ausgehend von der zwischen allen Gemeinderatsfraktionen akkordierten jährlichen Reduktion der Förderungen um zwei Prozent - vorerst bis ins Jahr 2004 - verlangte die ÖVP, dass auch in Hinkunft keine mittelfristigen Fördervereinbarungen abgeschlossen werden dürfen. dass exakt diese im Parteienübereinkommen nach den Wahlen im März 1999 auch mit der Unterschrift der Schwarzen festgeschrieben worden war, wurde »vergessen«.

Aber auch die anderen Punkte haben es in sich. So müssten subventionierte Vereine »einen Qualifikationsnachweis für ihre Mitarbeiter« erbringen. dass die Betroffenen, die teilweise seit Jahrzehnten den Aufbau einer lebendigen Kulturszene in Salzburg - oft auch gegen den Widerstand der Politik - managen, dies als Affront verstehen, kann man/frau sich leicht vorstellen. Das beschämend niedrige Niveau der Salzburger Kommunalpolitik im Allgemeinen und der Kulturpolitik im Besonderen macht die Forderung nach Qualifikationsnachweisen für die Betroffenen noch unerträglicher. Wer in diesem Gemeinderat besitzt selbst soviel Wissen und Kenntnis, um über die Qualifikation von Kino-Chef Michael Bilic, ARGE-Geschäftsführer Gerhard Wohlzog oder Rockhouse-Programmierer Wolf Arrer zu urteilen?

So technisch das ÖVP-Papier auch klingen mag, natürlich geht es auch um Ideologie. Unter Punkt c. ist zu lesen: »...und grundsätzlich von der Ehrenamtlichkeit subventionierter Tätigkeiten ausgegangen werden.« Die vom Dachverband Salzburger Kulturstätten an die ÖVP gestellte Frage, wie diese Ehrenamtlichkeit bei den Bundestheatern, Landesgalerien oder aber auch den Festspielen aussehe, wurde bis dato nicht beantwortet.

Noch bedrohlicher wirkt für die Kultureinrichtungen Punkt j. Dort heißt es wörtlich: »Die rein rechnerische Kontrolle ist durch eine inhaltliche Kontrolle zu ergänzen.« Und weil sich die ÖVP ja auch dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit verbunden fühlt, will die Partei in Zukunft auch subventionierte Leistungen prinzipiell ausschreiben, »um Wettbewerb sicherzustellen und Quasi-Monopole beim Subventionsempfang aufzubrechen«. Originalton Wiesner dazu: »Ausschreibung in dem Sinne, dass man sagt, vielleicht gibt es andere Initiativen, die auch das machen, aber nie an den Topf kommen.«

Es braucht nicht viel Phantasie, um zu erraten, woher politische Unterstützung für solche Vorschläge kam. FPÖ-Landesparteichef Karl Schnell ärgerte sich wohl nur darüber, selbst nicht auf so etwas draufgekommen zu sein. Er kündigte jedenfalls an, die ÖVP-Punktation als FPÖ-Initiative in den Landtag einbringen zu wollen.

»Unsinnigkeiten und Absurditäten«

Soweit der Stand am Anfang Dezember. Aufgeschreckt von Anrufen einiger ZeitungsredakteurInnen war der Dachverband Salzburger Kulturstätten der erste der reagiert hat. »Kulturförderungen sind grundsätzlich als Korrektiv zu einem nicht funktionierenden Marktsegment zu sehen. Kultur kann der Logik der freien Marktwirtschaft also nicht unterworfen werden; vergleichbar mit gesellschaftlichen Bereichen wie Gesundheit, Ausbildung, öffentlicher Verkehr oder aber beispielsweise auch der Landesverteidigung«, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme der Interessensvertretung.

Die Reaktion der politischen Konkurrenz ließ hingegen auf sich warten. Bürgerlistenklubobmann Helmut Hüttinger gibt auch unumwunden zu, er habe das ÖVP-Papier anfangs »nicht ernst genommen«. Und ganz ernst nehmen kann er es wohl bis heute nicht. Hüttinger fragt, wie denn die von der ÖVP vorgeschlagene »Ausschreibung von subventionierten Leistungen« vor sich gehen solle? »Welches Theaterstück kann von welchem Ensemble am billigsten aufgeführt werden? Welcher Autor veranstaltet die längsten und billigsten Dichterlesungen?« Orginalton Hüttinger: »Das sind Unsinnigkeiten und Absurditäten.«

Früher reagiert hat das Kulturamt. Deutlich wie selten zuvor stellte das Amt klar, dass es keine dirigistischen Vorgaben im Kulturbereich geben dürfe. »Das wäre Staatskultur, die dem verfassungsrechtlich verankerten Prinzip der Freiheit der Kunst widerspricht.« Nach den Vorschlägen der ÖVP bestehe die Gefahr, dass »Subventionswerber in den finanziellen Ruin getrieben werden, wenn diese nicht bereit sind, die Vorgaben und Vorlieben der gerade an der Macht befindlichen Politiker im Detail zu erfüllen«. Zudem würden einige VP-Ideen das Stadtbudget zusätzlich belasten. Exakte Leistungsvereinbarungen etwa würden zu einer Umsatzsteuerpflicht bei den Empfängern führen. Letztlich würden also die Einrichtungen entweder 20 Prozent weniger bekommen, oder die Stadt müsste 20 Prozent zahlen. Profitieren würde aber in jedem Fall der Umsatzsteuerempfänger, also der Bund.

Vertagt

Klubobfrau Wiesner war sichtlich überrascht über die Intensität der Debatte und über derart massiv vorgetragene Kritik. »Es wird sicherlich kein Rückfall die Ära Dechant sein«, beeilt sie sich im »kf«-Gespräch zu versichern. Sie wolle zwischen den einzelnen Kultureinrichtungen in Salzburg auch nicht werten. Im Klartext: Wem dann, sollten die neuen Vorschläge der ÖVP Wirklichkeit werden, das Messer der inhaltlichen Kontrolle angesetzt wird, kann man/frau sich zwar denken, verraten wird es nicht.

Wiesner sagt, ihr gehe es vielmehr um die Abläufe der Subventionsvergabe. Die inhaltliche Diskussion müsse vor der Budgetierung stattfinden; Ziel seien Transparenz und nachvollziehbare Prioritäten; die Politik habe zu entscheiden, was sich die Stadt leisten könne und wolle. Von den alljährlichen Budgetverhandlungen und von der Diskussion um eine neues Kulturleitbild für die Stadt, sagt sie nichts.

Wohl aber wurde der ÖVP klar, dass sie sich mit ihrem Vorstoß auf ziemlich dünnes Eis begeben hatte. »Wir sind nicht dagegen, weil wir dagegen sind«, die ÖVP wolle nicht blockieren, versichert sie. Also stimmte man/frau im Kulturausschuss einem relativ unverbindlichen Beschluss zu, der ziemlich alles offen lässt. Zitat aus dem Protokoll: »Anfang des nächsten Jahres Diskussion über die Vergabe der Förderungen unter Berücksichtigung der Abläufe und der bevorstehenden Produktdefinition.« Einstimmig!