september-oktober 1997

Mario Jandrokovic
geschaut

Einführung ins digitale Serail

Verwundert betrachtete der Kulturgourmand, mit welch schweißtreibender Mühe an der reichlich gedeckten Tafel des Festspielsommers eine Opera buffa durch die Würze aktueller Diskurse abgeschmeckt wurde. François Abou Salem inszenierte die Entführung aus dem Serail für die Festspiele als überbordend-abendfüllenden, multi-kultischen Nahost-Report, doch wurde der aus Palästina stammende Regisseur von der Szene-Version der Mozartoper bei weitem in den Schatten gestellt, was prätentiöse Keckheit angeht. Lokalmatador Hubert Lepka hatte letztes Jahr für die Szene die altbackene Theatersprache eines niedlichen Rebellions-Rührstücks durch Requisiten wie Bagger und Kräne sowie die atemberaubende Kulisse des Gollinger Zementwerks ins Phantastische zu rücken gewußt. Nachdem solch Theater, das vornehmlich mit Kilopond argumentiert, im hiesigen kulturell(politisch)en Diskurs äußerst gut aufgehoben scheint, ging Lepka heuer gleich einen entscheidenden Schritt nach vorne und entführte sich und das Publikum in eine Bilderbuchwelt des Internet. Er packte dabei gleichzeitig die Gelegenheit, die der Datenhighway als Jungbrunnen der Aktualität bietet, beim Schopf, und Mozart, den Bürgen für höchste kulturelle Ansprüche, beim Zopf. Das Entlanghanteln an Lustigkeiten und Offensichtlichkeiten, bei einem Amateurtheater bisweilen durchaus sypmathischer Wesenszug, fiel schlichtweg ungut auf bei einer Inszenierung, die ganz hochtrabend als »digitale Version« dieser Oper proklamiert wurde. Requisiten wie Großleinwand-Projektionen, Monitore und ein Schreibtisch mit PC wurden zu dick aufgetragenen, nachdrücklichen Hinweisen auf die »digitale« Botschaft, die Peter Valentin mit verspieltem, letztendlich altbackenem Synthesizer-Augenzwinkern über die Partitur gestülpt hatte. Einzig die AkteurInnen (die auch aufgrund ihrer gesanglichen Leistungen versöhnlich stimmten) vermochten es, in einigen wenigen Augenblicken einen dramatisch stimmigen Dialog zwischen Bildschirm und der mit alten Fernsehern, Kran und Autodrom-Vehikeln unmotiviert vollge-pferchten Bühne aufzubauen. Ansonsten verebbte Lepkas Sturm auf die Bastionen des digitalen Zeitalters und der Hochkultur zwischen Showmaster-Schmäh und dem Kokettieren mit Trash, das mit der Einblendung einer Uralt-Version von King Kong seinen peinlichen Höhepunkt an komplizenhafter Verstrickung des Publikums im Mitgrinsen erlebte. Als Nachfolgeprojekt wäre wohl eine Oper zu Walt Disneys »Tron« von 1982 angesagt.