september-oktober 1997

Romana Klär

»Ich glaub, ich kann rechnen«

Pustet und Müller: Engagierte Verlage - wenig Unterstützung

Was machen Lesebücher über Salzburger Frauengeschichten und ein frauenspezifischer Reiseführer in einem Verlag, der sich bislang auf Salisburgensien und Bildbände spezialisiert hat, sich einer theologischen Tradition verpflichtet fühlt und in den Köpfen von Leserinnen und Lesern vor allem als Adresse für wissenschaftlich-philosophische Studien (ehemals Universitätsverlag) präsent ist?

Sie passen tatsächlich ins Programm. Der Salzburger Anton Pustet Verlag erfährt seit einigen Jahren eine »Verjüngungskur«, die ihm nicht nur wirtschaftlich nützt, sondern auch das Image eines konservativen Verlagshauses aufzuweichen beginnt. Schlüsselfigur des Unternehmens ist die stellvertretende Verlagsleiterin Mona Müry- Leitner, studierte Theologin und Romanistin, die seit Anfang der 90er Jahre durch ihre Programmgestaltung zielstrebig einen neuen (effizienteren) Kurs ansteuert. Ohne auf die lokale Schiene sowie auf »Volkskulturelles« zu verzichten oder mit dem katholischen Weltbild zu brechen, haben sich im Sachbuchverlag drei Schwerpunkte herauskristallisiert.

solidarisch leben, Geschichte,

Architektur & Kunst

Da wird zum Beispiel das religiöse Buch-Spektrum neu ausgerichtet und mit gesellschaftspolitisch aktuellen Inhalten gefüllt: Die »edition solidarisch leben« ist nicht konfessionell ausgerichtet, international geschätzte Sozial- oder WirtschaftswissenschafterInnen bringen hier ethische Fragen der Gegenwart aufs Parkett. »Abschied vom Gott der Europäer« von Robert Schreiter findet sich unter den Titeln genauso wie das von der Kirche kritisierte Buch »Männer spielen Mann. Dramen mit Gott und Vater« von Sturmius Wittschier oder - immer den lokalen Bezug im Auge - »Fremde Heimat Salzburg« (von Josef Mautner und Angelika Kampfer), ein Essay- und Fotoband, der Lebensgeschichten von SalzburgerInnen nicht österreichischer Herkunft unters Volk bringen will. Im Frühjahr erscheint in der Edition ein Buch von Herman Daly, einem »Aussteiger« aus der Weltbanker-Szene, der sich mit Grenzen des Wachstums und nachhaltigem Wirtschaften auseinandersetzt.

Politische oder kirchliche Interventionen habe es während ihrer Tätigkeit im Verlag nie gegeben, erklärt Müry-Leitner. Aber es sei schon vorgekommen, daß ein honoriger, wissenschaftlich gebildeter Polit-Funktionär gerne seine Werke bei Pustet verlegt hätte und sich mit einer Absage zufrieden geben mußte, weil die Schriften nicht in das verlegerische und betriebswirtschaftliche Konzept paßten.

Architektur und Kunst sind der zweite Bereich, den Müry-Leitner bei Pustet stärker ausbauen will. »Architektur Stadt Salzburg« (Roman Höllbacher u.a.) wird im kommenden Jahr in dritter Auflage im Handel erhältlich sein. Was »Die bewahrte Schönheit. Drei Jahrzehnte Altstadterhaltung«, - ein Buchprojekt, dessen Anlaß die sogenannte UNESCO-Würdigung ist - herausgegeben von der Sachverständigenkommission für Altstadterhaltung an differenzierten Blicken auf das »Weltkultur- erbe« im Herbst bringen mag, wird sicherlich nicht nur für Architekturbegeisterte, sondern auch für KennerInnen der kommunalpolitischen Diskussionen um den »Schutz von Plätzen und Gebäuden« in dieser Stadt spannend werden.

Vielversprechend klingt ein Band, an dem zwölf Salzburger FotokünstlerInnen - allesamt MitarbeiterInnen der Galerie Fotohof - mitgewirkt haben. »Architektur ist überall« (hg. von Thomas Gruber und Hermann Schnöll) lautet der Titel des Buches, das die jeweils unterschiedlichen »Perspektiven« der FotografInnen zum Thema Stadtwahrnehmung sichtbar machen soll.

Drittes wichtiges Standbein im Verlagsprogramm sind historische Dokumentationen, darunter die von Heinz Dopsch und Hans Spatzenegger herausgegebenen acht Bände zur Geschichte Salzburgs. Sie waren für die Produktion der beiden eingangs erwähnten Lesebücher »Die andere Geschichte I und II« ausschlaggebend. Denn wieder einmal schien vergessen, daß Geschichte nicht nur von Männern gelebt und geschrieben wird.

Wie Architektinnen anders planen und bauen (lassen) - »so, daß die Männer zum Beispiel auch mal lieber zu Hause bleiben« (Müry-Leitner) - wird ebenfalls im Frühjahr nachzulesen sein.

Förderungen werden knapp

Damit die innovative Fachfrau ihre Pläne umsetzen kann, bedürfe es nicht nur gut durchdachter Argumentation gegenüber dem letzten Entscheidungsträger Molnar, sondern des wirtschaftlichen know how. »Ich glaub, ich kann rechnen«, meint sie auf die Frage, wo sie denn das Handwerk zur wirtschaftlichen Betriebsführung gelernt hätte. Das sei auch nötig, denn die Geldtöpfe würden zunehmend leerer, Rationalisierungen und das Erschließen neuer Geldquellen somit unausbleiblich. Auf die Verlagsförderung durch den Bund könne sie kaum zählen. Die sei jenen Verlagen vorbehalten, die vor allem Belletristik publizierten. Zu starker Regionalbezug sei in Wien ebenfalls nicht gefragt. Also müsse sie dem jeweiligen Buchprojekt entsprechend Sponsoren gewinnen.

Ein Buch über Möbel im 20. Jahrhundert kam zum Beispiel durch die Unterstützung einer Möbelfirma zustande, die Frauengeschichten wurden unter anderem vom hiesigen Frauenressort gefördert, und bei den gesellschaftspolitischen Bänden aus der Reihe »solidarisch leben« arbeite sie eng mit deutschen und schweizer Forschungs- stätten (Wuppertaler Institut oder MISERIOR) zusammen. Die Subventionen machten im vergangenen Jahr rund ein Fünftel des Umsatztes aus - die Bilanz sei so gut wie schon lange nicht mehr gewesen.

Wie eng es um die staatliche Förderung (mittlegroßer) Verlage wie Pustet steht, weiß auch Arno Kleibel, Enkel von Verlagsgründer Otto Müller und heute alleiniger Eigentümer des Salzburger Literartur- und Sachbuchverlags in der Ernest-Thun-Straße. Kleibel mußte in den vergangenen Jahren, um überlebensfähig zu bleiben, wie er sagt, kräftig einsparen, Lektorat und Pressearbeit teilweise ausgelagern und den MitarbeiterInnenstab verringern. In seinem Verlag betragen die Subventionen etwa - geringe - acht Prozent des Umsatzes. Die Visitenkarte des Verlags und gleichsam der österreichischer Literatur - Literatur & Kritik - ist davon ausgenommen. Die 1966 gegründete Zeitschrift (heute herausgegeben von Karl-Markus Gauß und Arno Kleibel) gilt unter KennnerInnen als eine der besten deutschsprachigen Literaturfachschriften, die in über 20 Ländern ihre StammleserInnen findet.

Guter Ruf rechnet sich

Um sich vom Beirat, der über die Höhe der Verlagsförderung entscheidet, nicht völlig abhängig zu machen, setzt der gelernte Buchhändler bei der Suche nach Finanzspritzen ebenfalls auf »Projektförderung«. Darüberhinaus hat Kleibel ein »stilles« Guthaben: Der Otto Müller Verlag verdankt seinen Bekanntheitsgrad und den Ruf eines ausgezeichneten Literaturverlages vor allem den Rechten auf sämtliche Trakl-Texte, die bis 1984 bei ihm lagen. Auch die Nutzungsrechte der Waggerl-Schriften rechnen sich. Heute sind es die Urheberrechte des Werks von Christine Lavant, einer von GermanistInnen und LeserInnen gleichermaßen geschätzten Autorin, die den Verlag im deutschen Sprachraum Verkaufserfolge sichern sollen. Die Veröffentlichung des Gesamtwerks der 1973 verstorbenen Trakl-Preisträgerin aus dem Kärntner Lavanttal ist in Arbeit. Im Herbst erscheint »Herz auf dem Sprung«, ein Briefwechsel zwischen Lavant und ihrer Freundin Ingeborg Teuffenbach, der das Schreiben und das Verzweifeln darüber, die Sehnsüchte der Frau und der Künstlerin, die menschlichen Beziehungen und ihr Scheitern zum Inhalt hat. Die Germanistin und Herausgeberin Annette Steinsiek hat das Nachwort verfaßt.

Nach wie vor entspricht das Programm des Otto Müller Verlags dem - seit der Verlagsgründung 1937 verfolgten - Prinzip, (junge) österreichische Literatur (mit besonderer Berücksichtigung von Lyrik) zu veröffentlichen. Unter den bekannten Namen wie H.C. Artmann und Gerhard Amanshauser finden sich daher auch Namen wie kf Mitarbeiterin Gudrun Seidenauer (»Apfel und Aug«), O.P. Zier (»Schonzeit«) und Elisabeth Reichart (u.a. »La Valse«, »Fotze« und »Sakkorausch«).

Theologisch - religiöse Schriften, die schon des öfteren den Zorn der Kirche auf sich gezogen haben, sowie übersetzte und erläuterte mystische Texte (das Gesamtwerk der Hildegard von Bingen) zählen zum zweiten wichtigen Standbein des Unternehmens. Odette Desfonds »Rivalinnen Gottes. Priesterfrauen brechen das Schweigen«, erscheint ebenfalls im Herbst.

Last but not least zählen die Bände der Edition Fotohof zu besonders »anschaulichen« Ausgaben des Verlags. Die ebenfalls im Herbst erscheinende Nummer 14 verspricht viel: »abfischen« titelt der Fotograf Kurt Kaindl seinen Fotoessay (s/w) über die »alte Waldviertler Kulturtechnik«, bei der fast alle Bewohner eines Dorfes beim Ausräumen der zahlreichen Karpfenteiche mitanpacken (müssen).