september-oktober 1997

Mario Jandrokovic

Irrlichter in der Altstadt

Francescas monumentaler, Geld sparender Bildschirmschoner

Von Habsburg an das Volk: Ein 34 Meter hoher Turm - ein weithin sichtbares Wahrzeichen mitten in der Altstadt als Symbol für den Denkmalschutz und wider die Zerstörung und Verschandelung unseres wertvollen Weltkulturerbes. Mit ihrem großherzigen Projekt »State of the Art« ist Francesca Habsburg, ehemals Thyssen, auch auf breiter politischer Basis endgültig zur Personifikation der Erhaltung von Altem und Bewährtem geworden. Dies gehörte gebührend gefeiert, und auch das Volk war eingeladen, beim gesellschaftlichen Spektakel zur Eröffnung des Projektionsturms am Anton-Neumayr-Platz mitzumachen. Wohl selten zuvor hatte in diesem Jahrhundert die Mozartstadt - mit all den prunkvollen Festspielaufmärschen vergangener Tage nicht gerade ein übersensibles Pflaster für Zeichen der Klassengesellschaft - eine dermaßen krasse öffentliche Manifestation von Kastenwesen erlebt: Im Inner Circle feierte man unter sich die kulturelle Wohltat. Nicht nur der Außenring geladenen Lakaien sorgte dafür, daß man streng separiert blieb vom Fußvolk, sondern auch die Barrikaden aus Eisengittern und die Vielzahl an wachenden »Gorillas«. Ohne dramatisch zu übertreiben: Daß niemand von jenen, die das Spektakel von der Straße aus beobachteten, von den städtischen Bussen überfahren worden ist, ist bloß Fortuna zu verdanken und der Geistesgegenwart Einzelner, die das Metallgehege mit Gewalt versetzten.

Mit der Zeit ist der Turm, von dem aus man allabendlich Botschaften zur Erhaltung des Weltkulturerbes an die Mönchsbergwand projiziert, zu einer zwar penetranten, jedoch nicht näher beachteten Glosse im edlen Wettstreit der Besetzung der Altstadt mit Trademarks geworden. Diejenigen, denen die Projektionen ein Geschenk sein sollten, reagieren gleichmütig, höchstens mit hämischen Bemerkungen wie »Bildschirmschoner« oder »Habsburgs Urlaubsdias«. Tatsächlich werden die nicht besonders inspirierten Lichtprojektionen, wie sie zum Repertoire alternder Rock-Diven und zur Grundausstattung jeder besseren Disco gehören, dem Namen des ganzen, vormals als Geniestreich angekündigten Projekts - »State of the Art« - überaus gerecht. Wäre Francesca Habsburgs Stiftung »ARCH Foundation«, über die der Turmbau zu Salzburg abgewickelt wurde, bloß das Hobby einer kapriziösen reichen Dame, die ob der guten Sache und der damit verbundenen Publicity einiges an Kosten und Personalverschleiß in Kauf nimmt, dann würde »State of the Art« bald schon ins Reich etwas zu heiß gekochter lokaler Provinzpossen eingehen. In den USA, wo öffentliche Gelder für Kultur- und Sozialeinrichtungen bekanntlich überaus knapp fließen, beweisen die Superreichen zumindest dadurch demokratisches Bewußtsein, daß sie sich eine gewisse Umverteilung nach unten über Spenden und Stiftungen einiges kosten lassen.

Da mutet es äußerst seltsam an, wenn gerade in unseren Breiten, wo man sich das Bemühen um das Allgemeinwohl groß auf die Fahnen heftet, die öffentliche Hand einen derartigen, schlichtweg demokratiefeindlichen Kniefall vor dem Hause Habsburg vollzieht, während Kunststaatssektretär Wittmann gleichzeitig proklamiert, die bisher vom Bund vergebenen Klein- und Kleinstförderungen sollten von den Ländern und Gemeinden übernommen werden - »wo immer sie das Geld auch hernehmen«. Auf welch schnellem Wege die Bewilligungen für das Projekt in der ansonsten so heiklen Altstadt zustande kamen, ist bloß ein weiteres Kapitel aus der Geschichte eines denkmalgeschützten Geschlechts.