september-oktober 1997

Peter Truschner

Denn sie sollen nicht wissen, was sie tun

Wie das ZEITFLUSS- Festival davor bewahrt werden soll, zur Institution zu werden

Der ZEITFLUSS hat sich ein Bett geschaffen. Nun geht es ans Brücken- schlagen.

Soll heißen: Die Trilogie, die im ersten ZEITFLUSS-Jahr 1993 mit »Luigi Nono: Die Ästhetik des Widerstands« begann und 1995 mit den »Gesän-ge(n) von der Notwendigkeit des Überlebens« ihre Fortsetzung fand, wurde 1997 mit den zehn Programmpunkten im Rahmen von »Endspiel« abgeschlossen. Die Programmgestalter Markus Hinterhäuser und Thomas Zierhofer-Kin sehen keinen Sinn darin, das Festival in seiner gegenwärtigen Form zu einer Institution verkommen zu lassen, die erfolgreiche Abläufe reproduziert und Erwartungen befriedigt.

Basisarbeit wurde geleistet, Komponisten und Werke präsentiert, die in Österreich - von Salzburg gar nicht zu sprechen - zum Teil noch nicht zu hören waren. Daß es möglich wurde, Luigi Nonos Musik mit ‘Genuß’ gleichzusetzen, sie zu goutieren wie Mahler oder Strauss, sehen beide als »große Errungenschaft« an. Daß das Programm dabei ein wenig wie ein musikgeschichtlicher Nachhilfeunterricht wirkte, der in stimmungsvollem Ambiente (Kollegienkirche, Residenzhof) zelebriert wurde, stört Hinterhäuser nicht: »Die Kollegienkirche ist primär nichts als ein wunderbarer Klangraum. Und jeder pädagogische Anspruch ist uns scheißegal.« Und: »Wenn man ein Festival wie den ZEITFLUSS, noch dazu im Rahmen des Tourismusfaktors Salzburger Festspiele, gründet und um die Unterstützung durch Politik und Sponsoren kämpft, kann man nicht nur 100%ige Experimente bringen. Obwohl es mit Scelsi, Cage oder Zorn durchaus Veranstaltungen gegeben hat, an denen Publikum und Kritik zu knabbern hatten.«

Genau daran will der ZEITFLUSS anschließen, wenn davon geträumt wird, in Salzburg »eine Art Laboratorium« zu installieren, das Künstlern aus allen Bereichen die Gelegenheit geben soll, miteinander an Projekten zu arbeiten, deren Ausgang ungewiß ist. Das Bekenntnis zu einem möglichen Scheitern ist gleichsam Programm. »Wir wollen uns gegen die Zumutung des Konzertbetriebs zur Wehr setzen, daß man drei Jahre im voraus fixieren muß, wann man wo welches Projekt wie realisieren wird. Am besten, man weiß vorher gar nicht, was man tun soll.« Nach Hinterhäuser und Zierhofer stehen sowohl die Festspiele als auch das Bundesministerium diesem etwas hochgegriffenen Vorhaben zustimmend gegenüber: »Das Ministerium ist interessiert daran, daß vor Ort etwas produziert wird. Wir hoffen auf zusätzliche Sponsoren, wenn wir den ZEITFLUSS alljährlich veranstalten. Ansonsten wird das Budget ‘97 einstweilen eingefroren.«

Mit dem Besuch waren die Veranstalter nach eigenen Angaben »hochzufrieden«, auch wenn hinter ihrer Behauptung, daß das Publikum »neben den expliziten Festspielgästen hauptsächlich aus Salzburgern bestanden« hat, ein zweifelndes Fragezeichen zu setzen ist.

Mit der Qualität kann man auf jeden Fall zufrieden sein. Die Werke wurde fast ausnahmslos mit Kompetenz, Präzision, Spielfreude, punktuell sogar Leidenschaftlichkeit dargebracht. Ein Wegweiser in die Zukunft scheint dabei John Zorn, der mit mancher provozierender Selbstverständlichkeit vier Möglichkeiten realisierte, sich musikalisch zu äußern. Weit entfernt von der postmodernen Geste, die Kunst(-geschichte) alsSelbstbedienungsladen anzusehen, blieb er, zwischen Neuer Wiener Schule, Klezmer und Jazz-Improvisation pendelnd, immer unverwechselbar er selbst.

Peter Greenaways Beitrag hingegen, dem Bilder und Bedeutungen über- und nebeneinander schichtenden Beschleunigungsmoment seiner Filme beraubt, entpuppte sich unter der hochstaplerischen Selbstdefinition »prop opera« als etwas, mit dem keiner gerechnet hatte: als banaler Einkaufszettel eines Bildungsbürgers.

Apropos banal: Angesprochen auf die Klage von LH Franz Schausberger, die Festspiele böten zu schwere Kost, meinte Markus Hinterhäuser lapidar: »Ich kann das nicht auf uns beziehen, denn Herr Schausberger hat nicht eine einzige unserer Vorführungen besucht.«