september-oktober 1997

Thomas Neuhold

An der falschen Schraube

Die Verteuerung der Arbeit

Entgegen allen Versprechungen, es gebe kein weiteres Sparpaket - wer hat das eigentlich geglaubt? - ,wurde von SPÖ und ÖVP über den Sommer das Belastungspaket III geschnürt. Auch wenn bei Redaktionsschluß dieser Ausgabe des »kunstfehler« die Sozialpartnerverhandlungen darüber noch nicht abgeschlossen waren, stehen die Eckpunkte des Doppelbudgets 98/99 im wesentlichen fest. Unter dem Titel »Valorisierungsstop für sämtliche Transferleistungen« kommt es zu einer Realkürzung bei den Sozialausgaben. Radikale Schnitte gibt es über Änderungen bei den Bemessungszeiträumen, Pensionsabschlägen und Wegfall von Zuverdienstmöglichkeiten bei künftigen PensionistInnen, FrühpensionistInnen aber auch Invaliditätsrentner-Innen.

Neue Versicherungspflicht

Während sich die Schnitte bei den Pensionen überwiegend gegen künftige RentnerInnen richten, treten die neuen Sozialversicherungsregelungen schon mit Jahreswende in Kraft: »Optionenmodell« nennt sich die auf Druck der SozialdemokratInnen neu eingeführte Sozialversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte. In Zukunft sollen »Geringfügige«, wenn sie unter 3.740 Schilling »verdienen«, selbst entscheiden, ob sie versichert sein wollen oder nicht. Das Unternehmen muß aber ab einer Lohnsumme von 5.610 Schilling (aller dort geringfügig Beschäftigten; Anm.) verpflichtend Sozialversicherungsbeiträge abführen. Vordergründig ein Entwurf zugunsten der »Geringfügigen«: Nur wer es wirklich braucht, wird einen Teil seines ohnehin geringen Einkommens abzweigen.

Das strukturelle Problem eines ohnehin teuren Faktors Arbeit wurde aber weiter verschärft: Wissenschafts-, Kultur-, und Sozialeinrichtungen, über die sich beispielsweise Studierende »geringfügig« ihre Ausbildung mitfinanzieren, werden neuerlich zur Kasse gebeten und mittelfristig Leute abbauen. Ähnliches gilt für den Handel: Die »McJobs« werden zwar sozial abgesichert, dafür weniger.

In Wirklichkeit aber handelt es sich um eine kurzfristig gedachte Schröpf- aktion, die mithilft, EU- und hausgemachte Budgetlöcher zu stopfen. Wie wenig die Aktion sozial motiviert ist, läßt sich allein schon daran ablesen, daß laut Angaben des Salzburger ÖGB von den 9.000 Salzburger »Geringfügigen« nur etwa zehn Prozent keinen Versicherungsschutz hätten. Alle anderen seien ohnehin anderweitig versichert.

Sozialpolitischer Dogmatismus

Aber selbst, wenn man/frau soziale Motive unterstellt, wird so die Sozialpolitik selbst ihr größter Feind. Das mas-sivste soziale Problem, die Arbeitslosigkeit, ist mit Sicherheit nicht über eine weitere Verteuerung der Arbeit zu bekämpfen. Es soll hier nicht über alternative Grundsicherungsmodelle zum bestehenden Sozialversicherungssystem im Detail geurteilt werden. Überlegungen zur Entkoppelung der sozialen Absicherung des/der Einzelnen vom Lohnerwerb sind aber ein Gebot der Stunde. Nicht zuletzt deshalb, weil die bisherigen Sozialversicherungsmodelle ausschließlich auf durchgehende, einheitliche, meist männliche Erwerbsbio- graphien ausgerichtet sind. Die werden aber bekanntlich immer seltener. Einstweilen beherrschen freilich noch DogmatikerInnen die Szenerie. Und so ist im Belastungspaket III die nächste Drohung auch schon formuliert: Im Jahr 2000 sollen überhaupt alle Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung gepreßt werden.