september-oktober 1997

Thomas Neuhold

Exklusiver Klub der freien Bürger

20 Jahre Bürgerliste: Trotz aller Erfolge droht die Bürgerliste ihre Basis zu verlieren

Als im Herbst 1977 die Liste »Vereinigte Bürgerinitiativen Rettet Salzburg - Bürgerliste« das »Salzburger Klima«, gegen den Sumpf aus Packelei und Spekulantentum, antrat, auf Anhieb 5,6 Prozent der Stimmen erreichte, den Bäcker Richard Hörl und den Schauspieler Herbert Fux in den Gemeinderat entsandte, glaubten nur wenige, daß dieser Wahlverein eine politische Zukunft habe. Tatsächlich aber prägten gerade jene Frauen und Männer, die mit dem Slogans wie »Freier Bürger oder Untertan« in die Schlacht gezogen waren, die Stadt Salzburg in den letzten zwei Jahrzehnten wie keine andere politische Kraft. Die Liste der unmittelbar erkämpften Erfolge der Bürgerliste in Bereichen wie Grünland- oder Altstadtschutz, Verkehrspolitik, Seniorenbetreuung und vieles mehr ist lang. Wie sähe die Stadt wohl aus, hätte das schwarz-rot-blaue Trio alle seine Vorhaben durchziehen können? Nicht auszudenken!

Man/frau mag zu einzelnen Positionen der Stadt-Grünen durchaus unterschiedlicher Ansicht sein. Eines ist aber wohl unbestritten: Das wichtigste Verdienst von Hörl über Johannes Voggenhuber bis Helmut Hüttinger ist, daß sie allen Widerständen und Repressionen zum Trotz, couragiert und mit hohem persönlichem Einsatz ein Stück Kontrolle durch die BürgerInnen, Menschlichkeit und Demokratie in die Stadt gebracht haben. Und auch wenn man/frau heute oft immer noch ob der eigenen Ohnmacht und ob der Arroganz der Mächtigen verzweifeln möchte, jenen Teil an kommunalpolitischer Offenheit, Transparenz und Demokratie und damit Lebensqualität, der in den vergangenen Jahren mühsam erkämpft werden konnte, haben wir zu einem hohen Prozentsatz der Gruppe gutsituierter aber renitenter SalzburgerInnen aus der Bürgerliste zu verdanken.

Partei ohne Basis

Mit zur Erfolgsstory Bürgerliste gehört auch ihr Beitrag zum Aufbau einer Grünen Bundespartei. Die Stationen der Politkarriere von Johannes Voggenhuber stehen symbolisch für den Beitrag der Salzburger: Vom grünen Pionier-Stadtrat zum streitbaren Bundespolitiker ins EU-Parlament. Mit dieser Entwicklung ging freilich auch die »Parteiwerdung« der Grünen einher. Das BürgerInneninitiativenkonglomerat wurde zur drittstärksten Fraktion in Salzburg, der ursprünglich bunte Haufen Grünalternativer wurde zur »stinknormalen Partei« (Voggenhuber) im Nationalrat. Was ursprünglich einmal parlamentarisches Spielbein der Initiativen (Stadt) und verlängerter Arm der Neuen Sozialen Bewegungen (Bund) war, ist heute eine Partei in ihrer gesamten Eigendynamik, samt der ihr eigenen »Sachzwänge«.

Am deutlichsten wird diese Entwicklung dort, wo die Grünen Regierungsverantwortung tragen; etwa in Salzburg. Plötzlich werden Enscheidungen gefällt, die mit dem »Gemeinwohl«, mit der Stadt als Ganzem argumentiert werden und nicht mehr mit den Interessen irgendeiner bürgerlichen »Schöner Wohnen«-Initiative, der man/frau sich vor 15 Jahren vielleicht noch verpflichtet gefühlt hätte. Daß man/frau nicht der Versuchung des billigen Polit-Effekts nachgegeben und sich ins sektiererische Oppositionseck verkrochen hat, ist ein Beweis politischer Integrität. Allerdings haben die Grünen Funktionäre verabsäumt, die eigenen Strukturen dieser Entwicklung anzupassen.

Wer nach zwanzig Jahren immer noch so tut, als wäre die Bürgerliste ein reines Wahlforum von BürgerInnen und ihren Initiativen, verkennt die Realität. BürgerInneninitiativen und Neue Soziale Bewegungen haben massiv Schlagkraft und Zulauf eingebüßt und ihre Funktion als Bürgerlistenbasis und -legitimation weitgehend verloren. Damit laufen aber die zwei Dutzend Salzburger Grünen (Stadt- und Landfraktion, Parteivorstand und Angestellte) Gefahr, eine geschlossene und exklusive Gesellschaft zu werden. Es gibt so gut wie keine Basisarbeit. Mitarbeit oder gar Kontrolle ist zwar nicht unmöglich, aber genauso unrealistisch wie in anderen Parteien. So gibt es beispielsweise weder für BürgerlistenaktivistInnen, geschweige denn für außenstehende (was für ein Wort für eine offene Bürgerliste!) Kulturinteressierte eine Möglichkeit, für die unselige Kulturpolitik eines Herbert Fux Rechenschaft zu verlangen. Bliebe dann nur noch der Wahlzettel.