september-oktober 1997

Einladung zu einer unsichtbaren Kundgebung am 1. Nov. 1997

Die Mühlen der amtsdeutschen Ordnungsbehütungsgilde mögen zwar langsam mahlen, jedoch effizient; deren Sprache - ausgestattet mit einem Höchstmaß an wundersamer verbaler Treffsicherheit - wirkt wohl nur für Uneingeweihte stelzig, unbeholfen und widersinnig. Davon konnte sich der in München lebende Künstler Wolfram Kastner unschwer überzeugen. Bereits seine Aktion zu Allerheiligen vor beinahe drei Jahren, in der er die Kranzschleife am Kriegerdenkmal der SS durchschnitt und zum Ausstellungsgegenstand erhob, hatte Anlaß für überbordende Empörtheit gegeben. Letztes Jahr zur selben Zeit wurde die kleine Demonstration, die Kastner und einige seiner Freunde zu Ehren der umgebrachten Deserteure im Nazi-Regime auf die Beine stellten, von der Exekutive als »Provokation der Öffentlichkeit«, das heißt: der Teilnehmenden am Aufmarsch der Kameradschaft IV, gewertet. Wolfram Kastner machte sich dieses Vergehens schuldig, da diese Kundgebung nicht ordnungsgemäß angemeldet war, daher folgte vor Ort die »Einstellungsaufforderung« (unter dem hinderlichen »Blitzlichtgewitter« eines »deutschen Medienmitarbeiters«) und schlußendlich am Postweg die »Anzeigenerstattungsverständigung« (der kunstfehler berichtete). Dieses Jahr wird Wolfram Kastner in Zusammenarbeit mit dem Kulturgelände Nonntal zu Allerheiligen, auf daß sich niemand provoziert fühle, eine unsichtbare Versammlung abhalten sowie ein unsichtbares Denkmal schaffen und hierfür den ordnungsgemäßen Amtsweg einschlagen.

Der kunstfehler dokumentiert nachfolgend die Anzeige zweier Veranstaltungen am 1. November 1997 zur Ehrung der von der SS ermordeten Salzburger Deserteure:

Sehr geehrter Herr Polizei- direktor,

am 1. November 1997 wollen wir die von der SS 1944 ermordeten Deserteure durch die Herstellung eines unsichtbaren Denkmals sowie eine unsichtbare Versammlung vor dem Kriegerdenkmal auf dem Salzburger Kommunlafriedhof ehren.

Die sichtbare Ehrung dieser Opfer der NS-Diktatur wurde im vergangenen Jahr als »besonders rücksichtslose Störung« gewertet und mit Strafen belegt. Da niemand auf dem Kommunalfriedhof in irgendeiner Weise an igendeiner Verrichtung gehindert oder dabei gestört wurde, muß wohl die Sichtbarkeit der Ehrung allein von der Bundespolizei und ihren Zeugen als »besonders rücksichtslos« beanstandet, bzw. mit Geldstrafe belegt worden sein.

Wie ziehen daraus die Konsequenz und zeigen hiermit der Bundespolizeidirektion gemäß Versammlungsgesetz unsere Absicht an, ein unsichtbares (also besonders sichtloses) Denkmal herzustellen und eine vollständig unsichtbare Versammlung zu Ehren der ermordeten Deserteure am 1. November 1997 vor dem Kriegerdenkmal auf dem Kommunalfriedhof abzuhalten. Wir ersuchen um die rechtzeitige Zusendung der Bescheide.

Das Denkmal wird folgendermaßen hergestellt:

in etwa 1944 mm vom Kriegerdenkmal graben drei Personen ein Loch (44cm Durchmesser und 38 cm Tiefe), in welches eine Urkunde mit den Namen der ermordeten Deserteure und die schriftlich verfaßte Hoffnung auf deren eines Tages in Salzburg sichtbar werdende öffentliche Ehrung sowie eine Ausgabe des Buches von Thomas Bernhard »Die Ursache« in einem raumsparenden Kunststoffbehälter begraben werden. Das Denk-loch wird mit der ausgehobenen Salzburger Friedhofserde wieder aufgefüllt und diese festgetreten, sodaß keine oberflächlich sichtbare Spur zurückbleibt. (1. Nov. 1997, 8.oo-8.15 Uhr)

Die unsichtbare Versammlung wird folgendermaßen abgehalten: Eine Anzahl von ca. 1.000 Menschen befindet sich - nicht körperlich sondern lediglich in Gedanken - an der Stelle, wo heute noch das martialische Kriegerverehrungsdenkmal steht, gedenkt der ehren- und sinnvollen Handlungsweise der Deserteure, die sich dem verbrecherischen Krieg der Wehrmacht entzogen, dafür von der SS ermordet wurden und bis heute nicht rehabilitiert wurden. Die gedanklich versammelten beziehen große Distanz zu der demonstrativen Verharmlosung und Verherrlichung der SS durch die sog. Kameradschaft 4 mit ihrer Kranzschleife und nehmen gedanklich eine Situation vorweg, in der solche SS-Feiern nicht mehr möglich sein werden.

Die gedanklich Versammelten halten sich real - einzel oder höchstens zu dritt - fern (Mindestdistanz: 53 Meter) von dem gespenstischem Marsch der alten SS-Kameraden und ihrer Unterstützer und Beschützer. (1. November 1997, 9.45-10.45 Uhr)

Wir erlauben uns, interessierte Politiker und die Öffentlichkeit über diesen Antrag rechtzeitig zu informieren.

Mit besten Grüßen

Wolfram Kastner

gez. Herbert Fux, Dr. Gerd

Kerschbaumer, Dr. Elisabeth Moser, Dr. Werner Rainer,

Dr. Eugene Sensenig, Mag.

Anselm Wagner, Gerhard Wohlzog