jänner-februar 1998

Thomas Neuhold
gelesen

Karl Müller: »Karl Heinrich Waggerl. Eine Biographie mit Bildern, Texten und Dokumenten.«

Otto Müller Verlag, Sbg. 1997.

Am 10. Dezember 1997 wäre Karl Heinrich Waggerl hundert Jahre alt geworden. Zum Jubiläum gab es natürlich Veranstaltungen, Bildungswochen, Tagungen und Biographien. Besonders aktiv in Sachen Waggerl: der Salzburger Germanist Karl Müller. Er organisierte ein viel beachtetes Waggerl-Symposium in Wagrain und legte im Otto Müller Verlag eine umfassende und aufwendig gestaltete Biographie des Nazi-Dichters vor. Der Waggerl-Biograph betont in seinem 350 Seiten starken Band insbesonders die Mehrdimensionalität Waggerls als »Heimatverkünder«, »Geborgenheitsapostel«, »Pazifisten«, »NS-Kollaborateur«, »Gaukulturpreisträger«, »Agnostiker«, »Heimatschriftsteller«, etc...

Mit dem Anspruch dem Leben des hochdekorierten NS-Schreibers »gerecht« zu werden, begibt sich der die Biographie freilich auf unsicheres Terrain. Jeder rezipiere sich seinen Waggerl selbst, meinte der Salzburger Theologe Gottfried Bachl bei der Wagrainer Waggerl-Tagung sinngemäß. Daran kratzt auch Karl Müller nicht wirklich. Der Wagrainer Bürgermeister etwa sieht Waggerl als einen, der seine Talente und Fähigkeiten, sein Schaffen und Wirken dem »Gesamtwohl« zu Verfügung stellte. Er spricht gar von (menschlicher) »Größe« des »begnadeten« Waggerl. Auch das ein Ergebnis der ganzen Differenziertheit?

»Nichts Komplizierteres heutzutage als ein einfacher Mensch«, war der Titel des parallel zur Präsentation der Waggerl-Biographie abgehaltenen Symposiums. Bei allem Respekt, aber so kompliziert ist die Geschichte des typischen Österreichers im 20. Jahrhundert, in all seiner Widerwärtigkeit, dann auch wieder nicht.