jänner-februar 1998

Peter Truschner
geschaut

Ringen um Worte

Die Bühne des TOI-Hauses fungierte am 27.11. als Forum für jemanden, den man voreilig wohl als besonders prädestiniert dafür halten könnte, dem Motto der allmonatlichen Veranstaltung - »Ghetto Art Salon« - gerecht zu werden. Siegfried Zehetner, 1966 in Wels geboren, ist seit seiner Geburt spastisch gelähmt. Seine Mutter starb früh, er selbst lernte erst rund zehn Jahre später selbstständig essen, gehen und sprechen. 1982 kam er in das Behindertendorf Altenhof (OÖ), wo es ihm ermöglicht wurde, den Hauptschulabschluß nachzuholen und in der Computergruppe des Dorfes zu arbeiten. Seine in Gedicht- und Balladenform gehaltenen Texte, die von Verliebtheit, Einsamkeit, aber auch Sorge um die Welt erzählen (»Du bist wia a Rätsel fia mia«, »I wü doch ka Maschin sein«), waren für manche Anwesende fast nicht zu verstehen, da die Kombination aus oberösterreichischer Mundart und Siegi Zehetners Behinderung die Verständlichkeit des Vortrags erschwerte. Wer darob seine Anwesenheit im stillen als umsonst betrachtete, beging einen Fehler: er sah nicht genau hin. (Außer vielleicht bei den beiden Videoblöcken, die während der Lesung eingespielt wurden und von Zehetners Alltag in Altenhof erzählten.)

Das eigentliche Erlebnis des Abends war jedoch, wie Siegi Ze-hetner mit seinen Texten, mit seinen Worten rang. Wie er spuckte, lallte, wie sein Kopf ein wenig zur Seite gerissen wurde und er doch nicht locker ließ. In den intensivsten Momenten wurde ihm die Behinderung zur Befähigung und es gelang ihm, die Anstrengung, die Schreiben (auch im Sinne von darauffolgendem Rezitieren) bedeutet, jedem, der sehen wollte, deutlich und ohne Pathos vor Augen zu führen.