jänner-februar 1998

Mario Jandrokovic
geschaut

Im Paradies der namenlosen Waren

Das Brotmesser funktioniert fürs erste bestens, und das Problem, ob es auch über Generationen so gut schneiden wird wie ein Markenartikel, der so um das fünfzigfache kostet, geht an zahllosen Geldbeuteln eh spurlos vorbei. Ob Gebrauchsgegenstände für Küche oder Kosmetika, ob Spielzeug, Kleinstluxus oder Staubfänger: In den derzeit schwammerlmäßig sprießenden »10-Schillig-Läden« - etwa gleich beim Elmo-Kino oder, mit besserer Auswahl, im Zentrum Herrnau - kauft man zum übersichtlichen Einheitspreis Waren beziehungsweise »Kleinschas« ohne jenen Mehrwert, der sich aus Markennamedropping und Eigentumsakkumulation ergibt. Der Anreiz dieser Shops ist letztendlich derselbe wie der von ausgeflippten Designerläden: Mal schauen, wonach man eigentlich sucht. Den Unterschied macht der Preis, denn der kommt ohne Aufschlag für die vorgefertigte, vornehmlich durch die Referenz der Marke gespeiste poor white trash-Romantik der Handy-Generation aus. Somit hat es hier auch ein Ende mit der postmodernen Vorliebe für Waren, die so billig aussehen, daß sie schon wieder teuer sind, und deren Kauf man dann auch noch durch das Zusammenbasteln einer Meta-Ebene zu rechtfertigen hat. Im »10-Schilling-Laden« folgt der Preis der Funktion und keinem symbolischen Mehrwert. Wo sonst findet man im Kon-sumland die geringste Differenz zwischen Warenwert, Gebrauchswert und Kaufpreis? Sind doch jene Billigläden auch Symptome für die Exzesse der kapitalistischen Ökonomie, wo Überproduktion zwangsläufig zu Konkursmassen führt, die dann, solange der Vorrat reicht, feilgeboten werden. Noch dazu ohne Warteschlangen, denn analog zum sogenannten »Hofer-Phänomen« bringen gerade unter den »Wohlstandsverlierern« solche von Ausländern, Studenten und sonstigem Gesocks frequentierten, den Sparpaketopfern mehr als entgegenkommenden Shops einen Verlust von sozialem Status mit sich, um den die auf gediegen getrimmten Einkaufszentren so rührend bemüht sind. Die »10 Schilling-Läden« halten dem Vergleich zu den Palästen des KonsumentInnenvolks jedoch so sicher stand wie der Trabi dem A-Klasse-Mercedes beim Elchtest.