jänner-februar 1998

Didi Neidhart
zu gast

Die normative Kraft des Faktischen oder Geschichten aus dem Alltag autonomer Kulturarbeit

»Wo geht’s hier zum Punker-Fest?« Mit dieser Frage wurde ein »kunstfehler«-Redakteur in den Abendstunden des 26. 11. 1997 auf dem Weg zwischen ARGE-Beisl und Veranstaltungssaal von zwei Mädchen angesprochen. Da dieser aber mit Bestimmtheit ausschließen konnte, daß es an diesem Abend in der ARGE ein »Punker-Fest« gab und seines Wissens nach auch sonst in Salzburg nichts derartiges geplant sei, setzte er seinen Weg Richtung Veranstaltungssaal fort. Dort hatte die Sozialistische Jugend Salzburg zu »Talk, Music & Party« mit Gabi Burgstaller, (SPÖ), Eduard Mainoni (FPÖ), ein Vertreter der Polizeidirektion, Kurt Luger (Jugendkulturforscher) und musikalischer Umrahmung geladen. Unter dem Motto »Anderssein in Salzburg - Skater, Raver, Punks, Studenten, Schüler: Jugendliche im konservativen Weltkulturerbe« sollten Jugendliche die Möglichkeit bekommen »Wünsche, Probleme, Vorstellungen und Ärgernisse« direkt an die betreffenden EntscheidungsträgerInnen zu richten. Genau dort war besagter »kunstfehler«-Redakteur aber mitten in jenem »Punker-Fest«, nach dem sich die Mädchen erkundigt hatten. Wie es dazu kam, läßt sich ungefähr so rekonstruieren. Auf Grund von Erfahrungen mit thematisch ähnlichen Veranstaltungen, bei dem die sichtlich lippenbekenntnisfrustrierten Jugendlichen ausgeblieben waren, hatte die SJ diesmal im Vorfeld Kontakte zur Salzburger »Punk-szene« aufgenommen. Einerseits um die DiskutantInnen zumindest mit ein paar Randgruppenexemplaren zu konfrontieren, andererseits um gerade dieser Szene ein öffentliches Forum für ihre Anliegen zu geben. Soweit so gut. Nur trat dann der Faktor »Stille Post« in kraft und aus »Talk, Music & Party« wurde besagtes »Punker-Fest«, welches sich sogar bis nach Wien herumsprach. Von dort reiste dann auch -inklusive Band (!) - der überwiegende Teil der ca. 100 Punks an, um einen »Punker-Folklore-Abend« wie aus dem kleinformatigen Bilderbuch aufzuführen. Soll heißen, die SJ-Diskussionsveranstaltung wurde kurzerhand zur Demonstration eines »Anderssein« umfunktioniert, dessen Differenz zu einer Bierzeltschlägerei fast nur im optischen Erscheinungsbild der Akteure festzuhalten war. Was wiederum dazu führte, daß »auffällige« Jugendliche, die eigentlich als »Opfer von Vorurteilen und Intoleranz« behandelt werden sollten, genau das überkorrekt bestätigten, was Politiker, Exekutive und »anständige Österreicher« von ihnen denken: Punker = Chaoten. Und da es von seiten der zu diesem Zeitpunkt völlig überforderten SJ auch keine Security gab, kam es auch zu jenem »historischen« Moment, bei dem Eduard Mainoni erstmals richtig froh gewesen sein dürfte, daß es ARGE-Menschen gibt. In vorliegenden Fall solche, die ihm sicheres Heimgeleit gewährten. Selbiges Angebot nahm auch der Polizist an, der natürlich sofort seine Einsatzkommandos verständigte, diese jedoch nicht die Veranstaltung stürmen, sondern um das Gelände der ARGE patrouillieren ließ. Das Konzept der »De-Eskalation« dürfte also wirklich auch in Salzburg angekommen sein. Nur, wer kann die hier angerichtete Scheiße (die dumpfe Bierzeltalternative zur eh schon nimmer mehr so praktizierten »repressiven Toleranz« des Establishments) wieder ausbaden? Das Schnaitl, oder gleich wieder alle, die in der Mozartstadt durch bunte Haare und sonstiges »Anderssein« auffallen?