jänner-februar 1998

Nikolaus Dimmel
titel

Das Wohlfahrtsbudget im Land Salzburg 1993-96

Nirgendwo ist so viel die Rede von der Unfinanzierbarkeit, Budgetexplosion und dem Zwang zum Sparen wie dies im Bereich der öffentlichen Wohlfahrt und hier wiederum in der allgemeinen Sozialhilfe der Fall ist. Die budgetären Tatsachen allerdings geben kaum Anlaß dazu, die Sozialhilfe als Eisberg, der das Budget zum Sinken bringt, zu denunzieren. So zeigt zwar der Brutto-Wohlfahrtsaufwand des Landes Salzburg 1993-96 eine Steigerung von 4,61 auf 5,36 Mrd.; rechnet man jedoch die gestiegenen Einnahmen des Landes entgegen, so ist der entsprechende Nettowand von 1,29 auf 1,19 Mrd. real gesunken. An dieser Stelle wird zugleich deutlich: kameralistische Buchungstechnik ist Herrschaftstechnik. Wenn man weiß, daß etwa Aufwendungen für die Bosnien-Flüchtlingshilfe in manchen Jahren in den Richtsatzaufwendungen für Inländer verbucht wurden, zweifelt man grundsätzlich an den von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellten Zahlen. Seien wir also mißtrauisch und fahren fort: rechnet man aus den erwähnten 1,19 Mrd. die Wohnbauförderung heraus, verbleibt eine Steigerung des sonstigen Wohlfahrtsaufwandes von netto 531 auf 681 Mio. Allerdings sind wir damit längst noch nicht bei der Zielgröße der allgemeinen Sozialhilfe angelangt. Vorher müssen wir noch die familienpolitischen Maßnahmen, die sozialpolitischen Maßnahmen etwa für Frauen und Senioren, die freie Wohlfahrt (Subventionen) sowie die Aufwendungen für die Katastrophenhilfe herausrechnen. 1996 erreichte der Nettoaufwand hierfür 92 Mio. – 1993 waren es 93 Mio. gewesen. Damit sind wir bei der üblichen Dreiteilung der Wohlfahrt in Sozialhilfe, Behindertenhilfe und Jugendwohlfahrt angelangt, worauf 1996 insgesamt 588 Mio. netto entfielen. Und hier zeigt sich Erstaunliches. Während der Bruttoaufwand 1993-96 für die Jugendwohlfahrt (VaSt 43) von 169 auf 250 Mio. gestiegen ist, sank der Nettoaufwand ungeachtet aller Unkenrufe über die Kosten der stationären Unterbringung von Kindern und Jugendlichen von 102 auf 67 Mio. Verbleiben also 521 Mio. auf der Voranschlagsstelle 41, wo Sozial- und Behindertenhilfe zusammengefaßt sind. Faßt man in einem nächsten Schritt den Aufwand für die Pflegesicherung, die Opferfürsorge und Blindenhilfe sowie die Einrichtungen und Maßnahmen der Behindertenhilfe mit 203 Mio. Nettoaufwand für 1996 zusammen und stellt diesem den »Rest« der Sozialhilfe gegenüber, so zeigt sich, daß die Maßnahmen der allgemeinen Sozialhilfe (VaST 411) einen Nettoaufwand in Höhe von 318 Mio erreichten. Dies entspricht gegenüber 1993 (128 Mio.) einer Steigerung um 148%.

Nun wäre es aber weit gefehlt, zu meinen, dies sei das Kuchenstück, welches in Form der umstrittenen Geldleistungen in die Hände vermeintlicher Sozialschmarotzer geraten ist. Um es am Jahr 1996 für die Maßnahmen der allgemeinen Sozialhilfe anhand der größeren Abschnitte in Brutto(!)rechnungsgrößen (gesamt: 1.108 Mio.) darzustellen: im Pflichtleistungsbereich (Hoheitsverwaltung; bescheidförmige Erledigung) wurden 220 Mio. aufgewendet für sämtliche Richtsatzleistungen (Alleinunterstützte, Haupt- und Mitunterstützte, einmalige Leistungen mit/ohne laufenden Sozialhilfe) sowie den gesamten Wohnungsaufwand; 77 Mio. wurden für Krankenhilfe und Pflege aufgewendet; 466 Mio. wurden hingegen für die Unterbringung in Anstalten oder Heimen aufwendet; für Bestattungskosten, Hilfen zur Erziehung und Erwerbs- befähigung sowie für die Hilfe für werdende Mütter schlugen schließlich 1,2 Mio. zu Buche. Das ergibt einen Bruttoaufwand in Höhe von 764 Mio. Nun muß man hier aber auch die entsprechenden Einnahmen des Landes in der beachtlichen Höhe von 761 Mio berücksichtigen: 491 Mio. erhielt das Land von seinen Gemeinden als Kostenbeitrag; 164 Mio. erhielt es von den Empfängern der Hilfe sowohl der offenen als auch der geschlossenen Sozialhilfe und 106 Mio. erhielt es von Dritten/anderen Quellen. Im Pflichtleistungsbereich wurden also 764 Mio. aufwendet, denen allgemeine Einnahmen in Höhe von 761 (VaSt 2/411) korrespondierten. Der Rest in Höhe von 344 Mio. entfiel 1996 auf den Kannleistungsbereich. Hier wiederum wurden 131 Mio. für die Hilfe in besonderen Lebenslagen einschließlich Gerichts- und Anwaltskosten sowie 213 Mio. für die sozialen Dienste aufgewendet. Diesem Aufwand im Kannleistungsbereich korrespondierten zumindest Einnahmen in der Höhe von 28 Mio.

Im Ergebnis verkörpert die Sozialhilfe in keiner Weise jenes Budgetdrama, für das sie politische Dummschwätzer gerne halten möchten. Ganz im Gegenteil lassen die Zahlen vor allem die Frage offen, wohin die Armen im Land Salzburg eigentlich »verschwunden« sind. Egal ob man 1,4 Mio. Arme (Wallner 1995), 950.000 Arme (Lutz/Wagner/Wolf 1993) bzw. 400.000 Arme (Pohoryles 1995) zählt oder – wie es BMAGS soeben tat – von 11,4% Armutsbevölkerung spricht: im Lande Salzburg kann man gut und gerne von 50.000 Armutsbetroffenen ausgehen. Tatsächlich aber haben 1995 im Land Salzburg nur 9.500 Personen Sozialhilfe (3.289 davon waren sogenannte »Dauerleistungsbezieher«) bezogen (ÖSTAT: Sozialhilfe 1995) – für 1996 wurden keine Daten zur Verfügung gestellt. Sohin müßte das allgemeine Räsonieren dahin gehen, daß wir (und das sind allemal noch immer wir: das Volk als Souverän) nicht zu viel, sondern zu wenig Sozialhilfe geleistet haben, um auch die Menschenwürde der Modernisierungsverlierer zu sichern.

Der Autor war Leiter des Sozialamtes in der Stadt Salzburg und arbeitet zur Zeit als Wissenschafter an der Universität Salzburg