jänner-februar 1998

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Arbeit schützt vor Armut nicht

Nach der Herbstkampagne von »Krone« und FPÖ gegen den »Sozialhilfe-mißbrauch« wollte der »kunstfehler« wissen, wer denn in Salzburg eigentlich Sozialhilfe bezieht? Es sind überwiegend anständige, fleißige InländerInnen

Wie einfach das Strickmuster reaktionärer Politik ist, verblüfft immer wieder. Die Armen auf die noch Ärmeren hetzen, die Schwachen gegen die noch Schwächeren aufbringen, Mehrheiten gegen vermutete oder tatsächliche Minderheiten ausspielen, schon hat man eine Zeitung mit Massenauflage und einen Wähleranteil von über 20 Prozent. Exakt nach diesem Drehbuch läuft auch jene Kampagne, die »Krone« und FPÖ in Salzburg gegen den »Sozialhilfemißbrauch« fahren: Prostituierte, Kleinkriminelle und Dealer würden von der offenen Sozialhilfe gestützt, ja erst durch diese nach Salzburg gelockt und das Amt würde nichts dagegen unternehmen.

Daß einige der vom Kleinformat aufgeblasenen »Fakten« schlecht recherchiert waren, einer der »aktuell« aufgegriffenen Fälle von »Sozialhilfemißbrauch« stammte gar aus dem Jahr 1990, störte genausowenig wie die grenzenlose Dummheit der Argumentation: Wiederholt wurde dem Sozialamt die Verantwortung dafür aufgebürdet, daß ein Sozialhilfeempfänger straffällig (im konkreten handelte es sich um einen Einbrecher; Anm.) geworden war. Als ob die Pensionsversicherungsanstalt für Straftaten eines/r Rentners/in zu belangen sei! Ein anderer Fall: Das Sozialamt hätte einem Drogendealer Sozialhilfe ausbezahlt, so der Vorwurf in der »Krone«. »Wenn aber selbst die Kriminalpolizei monatelang ermittelt, um zu klären, ob jemand mit Drogen handelt, wird das Sozialamt dies nicht schneller bewerkstelligen«, erklärte Sozialamtsleiterin Renate Szegedi-Staufer die Unhaltbarkeit der Kampagne.

Teure Untersuchung - kaum Ergebnisse

Das alles weiß natürlich auch der ressortzuständige Stadtrat Josef Huber (SPÖ). Gebeugt hat er sich dennoch und als Zugeständnis an die Hetzer eine Sonderuntersuchung in Sachen »Sozialhilfemißbrauch« angeordnet. Zwei Beamte ermittelten nun - zusätzlich zu den 350 Routinekontrollen pro Jahr - die Rechtmäßigkeit des Sozialhilfebezuges, also ob bei den Empfängern nicht doch irgendwo ein verstecktes Einkommen vorhanden ist. Via Fernsehen erging sogar die Aufforderung in Verdachtsfällen anonym Anzeige zu erstatten. Das Resultat der amtlich angeforderten Vernaderung war gleich null. Einmal rückten die Beamten sogar aus, weil ein Sozialhilfeempfänger laut anonymem Schreiben angeblich »wertvolle Bauernmöbel« in seiner Wohnung stehen hatte. Fehlanzeige! Der brave Mann hatte Ikea-Schrott mit Blümchen verziert.

Für den/die SteuerzahlerIn ist das ganze übrigens eine sauteure Geschichte, denn den Kosten der Sonderermittlungen von über 800.000 Schilling pro Jahr steht eine vermutete »Mißbrauchsquote« von höchstens zwei Prozent der in der offenen Sozialhilfe ausbezahlten Gelder - also höchstens drei Millionen Schilling jährlich - gegenüber. Erwartungsgemäß waren auch die Erfolge der Erhebungen eher mickrig. Von den 4.848 »Fällen« in der Stadt (die Zahl bezieht sich auf die Haushalte; Anm.) gelten amtsintern rund 50 als problematisch und wurden penibel kontrolliert. Mehr oder weniger gravierende Verstöße gegen das Sozialhilfegesetz gab es bei weniger als der Hälfte, so eine amtsinterne Bilanz. Würde die Aktion nach betriebswirtschaftlichen Kriterien abgerechnet werden, käme am Ende mit Sicherheit ein veritables Minus heraus.

Gelernt hat man im Magistrat aus dem Flop der Bespitzelungsaktion scheinbar wenig. Im Gegenteil: Im Schloß Mirabell hält sich das hartnäckige Gerücht, daß sich das städtische Wohnungsamt des Blockwart-systems erinnerte und die HausbesorgerInnen in den Gemeindebauten aufforderte, Verdachtsfälle von Geheimprostitution zu melden.

Vorgelagerte Netze sind gerissen

Neben der »Aktion Scharf gegen Sozialhilfemißbrauch« (Stadtrat Huber) wird sich bis Ende Jänner auch ein eigens eingerichteter Arbeitsausschuß des Gemeinderates mit dem Thema beschäftigen. Wozu das Ganze gut sein soll, weiß wahrscheinlich nur FPÖ-Klubchef Eduard Mainoni, der für den Wahlkampf eine politische Bühne sucht. Wirklich arbeiten kann der »Arbeits«-Ausschuß ohnehin kaum etwas, da die Sozialgesetzgebung Landessache ist und die Stadt - wie andere Bezirksbehörden auch - ohnehin nur im übertragenen Wirkungsbereich tätig ist. Letztlich werden sich die GemeinderätInnen darauf beschränken, ausgehend von einer Analyse der Struktur der SozialhilfeempfängerInnen Vorschläge zur Novellierung der Sozialgesetze dem Land zu übermitteln.

Konkret wird das Amt den GemeinderätInnen folgendes Zahlenmaterial unterbreiten: In der Stadt sind mittlerweilen rund 7.200 Menschen in 4.800 Haushalten von der Sozialhilfe abhängig. Übrigens: Nur 8,6 Prozent davon waren im Monatsmittel 1997 »Fremde«; das sind exakt zehn Prozentpunkte weniger als der AusländerInnenanteil insgesamt in der Landeshauptstadt, der mit Stichtag 1.1.97 bei 18,6 Prozent lag.

150 Millionen Schilling kostet die offene Sozialhilfe, 223 Millionen rinnen in Anstalten und Seniorenheime. War ursprünglich die Sozialhilfe als letztes Netz für Menschen ohne jegliche Einkommen und Hilfe eingezogen worden, so sind heute nur mehr rund ein Drittel der SozialhilfebezieherInnen ohne Einkommen. Zwei Drittel beziehen Einkommen in Form einer Pension, Alimenten, Arbeitslosengeld oder Lohn. Amtsleiterin Szegedi -Staufer: »Die vorgelagerten Netze bieten keinen Schutz vor Verelendung mehr, sie sind gerissen!« Aber auch Arbeit und Lohn reichen für einen Alleinverdiener mit durchschnittlichem Facharbeitergehalt und drei Kindern längst nicht mehr.

Die Einkommensverteilung im Jahresschnitt 1996 bei den SozialhilfebezieherInnen, die neben der Sozialhilfe auch über andere Mittel verfügen können, zeigt deutlich wie dramatisch die Entwicklung für Pensionisten, die jahrzehntelang hart gearbeitet haben, für Geschiedene, Arbeitslose und Menschen, die im Berufsleben stehen, ist:

• 17 Prozent der SozialhilfebezieherInnen mit Einkommen hatten ein Monatsnettoeinkommen von bis zu 5.000,

• 51 Prozent zwischen 5.000 und 10.000,

• 21 Prozent zwischen 10.000 und 15.000,

• sieben Prozent zwischen 15.000 und 20.000,

• die restlichen vier Prozent über 20.000 Schilling.

Die Gemeinderatsfraktionen selbst müßte die Dramatik der sozialen Verelendung eigentlich bereits bekannt sein. In einem sehr grundsätzlichen Beschluß vom 15. Mai 1996, in dem vom Land eine »Neukodifikation des Sozialrechtes« gefordert wird, hält der Gemeinderat zum Funktionswandel der Sozialhilfe ausdrücklich fest: »Die Gemeinden können zwar gundsätzlich zur Absicherung atypischer Notfälle herangezogen werden, nicht aber zur Beseitigung von Massennotständen, wie die Notlage von älteren Mitbürgern, von Alleinerziehern, von Dauerarbeitslosen, von kinderreichen Familien u.s.f.«