märz 1998

Didi Neidhart
gelesen

John F. Szwed

Space Is The Place.

The Life And Times Of Sun Ra.

Payback Press, 1997

Allein die Idee, eine Biographie über das mannigfaltige Leben und Werk der Jazz-Legende Sun Ra zu machen, erscheint auf den ersten Blick wie ein Faß ohne Boden. Der Yale-Professor John F. Szwed meistert dieses Unterfangen jedoch derart genial, daß dabei nicht nur eine der besten (Jazz-)Musikerbiographien der letzten Jahre, sondern ein mehr als 400 Seiten umfassendes Pflichtkompendium in Sachen afro-amerikanischer Kultur- und Sozialgeschichte herausgekommen ist. Wobei Szwed nahezu Pionierarbeit leistet. Da fungiert auch jede »Anekdote« als Wendepunkt bzw. innovativer Schub in einem Gesamtkontext, der Sun Ras Schaffen als einen der wichtigsten »Think Tanks« innerhalb der afro-amerikanischen Diaspora nicht nur nachzeichnet, sondern auch erklärt, warum und weshalb man hier mit mitteleuropäischen/ weißen Denkmustern nicht weiterkommt. Eben weil es hier um radiakal anderes Denken geht, welches auch Dimensionen wie Raum und Zeit miteinschließt. Ras Konzepte einer Alien Nation, einer Afro-Nautik, Afro-Futuristic und seine Beschäftigungen mit ägyptischer Mythologie werden so auch als eine Art dritter Möglichkeit einer afro-amerikanischen »Emanzipation/ Selbstfindung« neben der Integration (Bürgerrechtsbewegung) und dem Seperatismus (Nation Of Islam) beschrieben. Neben Bezügen zu aktuellen Weiterführungen und Parallelentwicklungen (Funkadelic/ Parliament, Dub, HipHop, WordSound, vgl. »gehört«) bietet »Space Is The Place« genügend Material, um »blauäugige« Blicke bezüglich der Gesamtheit der »Black Music« ( ihr Verhältnis zu Rhythmen, Sounds, Wortspielen etc.) gehörig zu hinterfragen. Wie meinte einst Stefan Brecht, der Sohn von Bert Brecht, in einer Replik auf das Abstempeln von Sun Ras Live-Performances als ägyptisches Karnevals-/Schmierentheater: »There is probably something I didn't get. That bad taste is our own.«