märz 1998

Ulrike Schmitzer

ArchitekturTräume

Nicht gebaute Architektur in Salzburg - Vergangenheit und Zukunft

Es soll ein Mega-Stadion werden, die multifunktionelle Arena in Wals. 1,3 Milliarden Schilling sind für ihren Bau veranschlagt, vom Fußballfeld bis zu Konzerten mit Top-Stars soll alles auf 116.000 Quadratmetern Platz finden. Mit dem Aus für Olympia in Salzburg ist dieser Traum jedoch noch nicht zu Ende geträumt - wenngleich er auch ein bißchen nebulöser wird. Die Arena wird vermutlich ihr Schicksal mit zahlreichen Architekturprojekten in Salzburg teilen, die dann je nach Stimmung von Zeit zu Zeit aus dem Archiv gekramt und bewundert oder kopfschüttelnd begutachtet werden.

Die Idee, Wals zum Dorado für Sportler aus der Stadt Salzburg zu machen, ist nicht neu. 1955 dominiert die »Sport-City« die Schlagzeilen der lokalen Presse. Die Anlagen von Camp Roeder mit Boxhallen, Tennishallen und Basketballfeldern sollen mit einer Schwimmhalle erweitert werden. Es ist die Suche nach einem geeigneten Platz für ein Sportzentrum, die die Phantasie der Politiker und Journalisten über Jahre bemüht. 1971 scheint Hellbrunn der ideale Standort für ein Landessportzentrum zu sein. Architekt Wilhelm Holzbauer plant in Verbindung mit Wohnbauten an der Hellbrunner Allee, die Bürgerinitiative »Schützt Salzburgs Landschaft« sammelt 20.000 Unterschriften und verhindert den Bau: »Hellbrunn ist für Salzburg gerettet!« jubilieren daraufhin die Salzburger Nachrichten. Drei Hallen - eine mit einer Tribüne für 2.000 Personen, eine Sporthalle und eine Turnhalle, sind wohl doch nicht mit dem Landschaftsschutz vereinbar.

Die Suche geht weiter: 1973 taucht der Gedanke auf, das Sportzentrum doch gleich in die Planung der Universität Freisaal einzubeziehen. Architekt Wilhelm Holzbauer plant - und weiß, daß es die letzte Chance ist, Universität und Landessportzentrum zu vereinen. Zuvor schon hat Architekt Roland Rainer die Idee eines Universitätsviertels: Zwischen Mönchsberg, Teich und Schloß Leopoldskron will er die Philosophische, Theologische, Juridische und auch die Medizinische Fakultät unterbringen. 1975 macht sich der Bürgermeister von Plainfeld stark: Er will das Landessportzentrum in seiner Gemeinde haben - doch da bleibt er der einzige. 1977 schließlich scheint endlich die Lösung gefunden: das Sportzentrum am Forellenweg. Die Stadt reserviert schon Flächen für drei Sporthallen, nur fehlt ihr das Geld für den Bau. 500 Millionen Schilling sind auch 1980 noch unfinanzierbar. Bürgermeister Josef Reschen sucht Alternativen: eine Sporthalle in Leopoldskron, der Eislaufplatz im Volksgarten soll überdacht und ein Hallenbad im Volksgarten gebaut werden - das käme weit billiger, ist Reschen überzeugt. Eine Tiefgarage am Bürglstein müßten private Interessenten errichten. Und da hat Reschen noch eine Idee - wie wäre es mit einer Sporthalle in der Alpenstraße?

Seifenblasen für die Kunst

Weit mehr noch als der Sport beflügelten Kunst und Kultur die Atelier-Phantasie der Architekten, angespornt von ehrgeizigen Plänen der Stadtpolitiker. Einen noch heute vielbeachteten Plan faßt Architekt Gerhard Garstenauer 1971. Er will das Innere des Mönchsbergs für die Kultur nutzen. Es soll ein »Kunstzentrum im Berg« werden. Verleger Friedrich Welz spricht von einer Weltsensation, die Architekt Franz Fonatsch einige Jahre später mit einem eigenen Projekt wiederbeleben will.

1989 erregt Architekt Ludwig Kofler das Interesse der Salzburger: Hinter dem Haus Ursulinenplatz 5 will er eine Guggenheim-Schnecke bauen, nach dem Vorbild des Guggenheim-Museums in New York. Vom Salzachkai aus soll man die Schnecke betreten, durch einen Skulpturenpark unter der Straße marschieren und mit einem Lift in die Ausstellungsräume im Mönchsberg gelangen. Die Wohnungseigentumsbau (WEB) will das 170-Millionen-Schilling-Projekt finanzieren....

Prominentestes Gedankengebilde - Holleins Guggenheim Museum

Doch da sind die Pläne Hans Holleins für das Guggenheim-Museum gerade präsentationsreif. Es könnte »Holleins Architektur-Debüt in Salzburg« werden, freut sich die Austria Presseagentur im Mai 1989. Zwei Tage später schon verheißt die Schlagzeile nichts Gutes mehr: »Felsen-Museum von Hollein lodert im Politstreit« - die SPÖ teilt Bürgermeister Josef Reschens Begeisterung für das Museum, die ÖVP kritisiert, Vizebürgermeister Josef Dechant spricht von Gigantomanie. Im Oktober 89 reagieren die Amerikaner geradezu euphorisch. Die Pläne Holleins seien das Beste, was er jemals an Architektur gesehen habe, wird Thomas Krens, Direktor des New Yorker Guggenheim-Museums zitiert. Das »phänomenale Bauwerk« wackelt, als 1990 die Pläne bekannt werden, in Varese in Italien ein drittes Guggenheim-Museum anzusiedeln - und zwar als Ausstellungsraum für Schenkungen des italienischen Grafen Giuseppe Panza. Eberhard Stüber, der Direktor des Hauses der Natur, nutzt die Gunst der Stunde: Er will ein Museum »Mensch und Umwelt«, weil das weit mehr Besucher anlocken würde als das Guggenheim-Museum. Landeshauptmann Hans Katschthaler schlägt eine Alternative vor: Das Guggenheim-Musem soll auf Schloß Kleßheim eingerichtet werden. Ein Proponentenkomitee beginnt mit einer Unterschriften-Aktion zu kämpfen. Da sieht auch die Stadt Hallein eine Chance, Guggenheim in den Dürrnberg zu holen. Fünf Jahre Diskussion folgen, 1994 hält Krens noch an Salzburg fest, 1996 sieht er ein: Es fehlt am politischen Willen Salzburgs.

Kunsthalle-Variationen

Salzburg strebt schon lange seine eigene Kunsthalle an. In den 70er Jahren legt Wilhelm Holzbauer einen Entwurf für eine Kunstzentrum in der Nähe des Schlosses Mirabell vor. Das Projekt bindet die Basteimauer ein, die den Mirabellgarten vom Zwerglgarten trennt. Geplant ist kein Museum im herkömmlichen Sinn, sondern ein Kommunikationszentrum mit Werkstätten und Ausstellungsräumen.

Oder: Wie wär's mit einer Kunsthalle beim Stadtkinohaus und Museum Carolino Augusteum auf dem Rot-Kreuz-Parkplatz? Das ist der Vorschlag, den Bauträger Fürst und Architekt Hoffmann 1994 machen. Unter dem Kai soll laut Plan eine Tiefgarage mit 350 Abstellplätzen entstehen. Eine multifunktionelle Halle soll es werden, die im Sommer auch von der Szene genutzt werden kann. Das Stadtkinohaus will Fürst kaufen, betrieben werden sollte die Halle von der Stadt. Der Salzburger Museumsverein lehnt das Projekt sofort ab. Er will das Stadt-Land-Museum im Residenzgebäude untergebracht wissen.

Und ließe sich nicht das Cafe Winkler zur Kunsthalle adaptieren? Diese Pläne gibt es seit Sommer 1996, Landeshauptmann Franz Schausberger will eine multifunktionelle Halle für Musik, Kongresse und auch für ein Museum. 1997 einigen sich Schausberger, Kulturlandesrat Othmar Raus und Bürgermeister Josef Dechant darauf, daß das ehemalige Casino-Gebäude als Museum genutzt werden soll. Und wer stellt wohl einen Entwurf vorß Richtig, Architekt Wilhelm Holzbauer. Ursprünglich als Kongreßhaus gedacht, ließe sich das Projekt leicht als Kunsthalle adaptieren, ist Holzbauer flexibel. MAM - Museum am Mö-nchsberg - so könnte die Kunsthalle genannt werden. Laut Regierungsbeschluß zur »Neuordnung der Salzburger Museen« sollte bereits im Jänner 1998 die Entscheidung der Wettbewerbs-Jury und die Auftragsvergabe erfolgen.

Damit scheint auch für Wieland Schmied der Traum vom »Kunstforum« ausgeträumt: Schmied stellt sich schon 1990 die Unterkellerung des Max-Reinhardt-Platzes für Lagerräume und Werkstätten vor - und vor allem für eine Ausstellungshalle mit Oberlicht. Das wegen seiner Häßlichkeit allseit bekannte Sparkassenstöckl soll ersatzlos eliminiert werden. Falls dieser Vorschlag kein Gehör findet, hat Schmied noch ein As im Ärmel: die Kunsthalle Rainberg-Riedenburg. Damit wärmt Schmied die Pläne der ARGE auf: Das ehemalige Bräugebäude am Rainberg als Kulturzentrum wiederzubleben.

Große Architektur für die Musik

Einer der begehrtesten Plätze für Architekten ist der Mönchsberg. Denn »man mußte davon absehen, das Festspielhaus in die Mitte der Stadt zu placieren, wo das lärmende Treiben der Alltagswelt, das Wagengerassel oder der schrille Pfiff der Lokomotive ins Innere des Theaters dringen und störend wirken müßten«. So entschlossen sich die beiden Wiener Architekten Fellner und Helmer 1890, ihr Festspielhaus auf dem Mönchsberg zu plazieren - wie in der Eröffnungsbroschüre der Festspiele von 1960 nachzulesen ist. Im November 1995 läßt Lutz Hochstraate, der Intendant des Salzburger Landestheaters, die Idee eines Opernhauses auf dem Mönchsberg wieder aufleben. Ein Komitee für ein Opernhaus auf dem Mönchsberg wird am 1. Dezember 1995 gegründet, ausgereifte Pläne gibt es aber noch nicht. Im August 1996 kündigt Landeshauptmann Franz Schausberger an, eine Arbeitsgruppe mit der Machbarkeit des Projekts zu beschäftigen. Zu dieser Zeit bringt Architekt Friedrich Kurrent den Vorschlag in die Diskussion ein, ein Opernhaus in der Umgebung des Bruderhofs neu zu bauen.

Monumentaler Musentempel

Der Mönchsberg erscheint dem Internationalen Olympischen Komitee 1950 der ideale Platz für die erste internationale Musikolympiade. Architekt Clemens Holzmeister entwirft einen kolossalen, zylindrischen Bau mit einem Bühnenhaus für 3.000 Personen. Der monumentale Musentempel stößt auf herbe Kritik und wird mit den NS-Plänen für die Stadtberge verglichen. 1942 hatte ja Otto Strohmayr ein Gauforum für den Kapuzinerberg entworfen - ein Pendant zur Festung sollte es werden, das Franziskischlößl sollte einer Gauburg weichen. Auf dem Mönchsberg sollte laut Strohmayr ein heroischer Bau das Armeekommando beherbergen.

Ebenfalls 1950 plant Architekt Clemens Holzmeister ein Festspielhaus auf dem Rosenhügel - fünf Jahre später meldet sich der ehemalige Vizebürgermeister Heinz Kraupner mit einem neuen Festspielhaus-Projekt zu Wort: Für ihn ist das Gelände des ehemaligen Nonntaler Bahnhofes der einzige und ideale Platz für ein neues Festspielhaus, denn es müßten »kein Gebäude abgerissen, kein Berg abgetragen« werden.

Die großzügige Anlage von Hellbrunn inspiriert die Planer. 1922 will Architekt Martin Knoll gemeinsam mit Wunibald Deininger sein Festspielhaus im Park von Hellbrunn bauen. Kurz zuvor schon hatte ein prominenterer Architekt dieselbe Idee. Hans Poelzig stellt 1920 sein Projekt eines Festspielhauses im Hellbrunner Schloßpark vor. Sein expressionistischer Entwurf wird mit barocker Grottenarchitektur oder dem Turmbau von Babel verglichen, verwirklicht wird er aber nie. Schade, denn das Große Schauspielhaus Poelzigs in Berlin ist heute große Architekturgeschichte.

Architektur und Tourismus

1988 will die Stadt beim Aya-Bad - jetzt heißt es Freibad Alpenstraße - ein Hallenbad mit einem Kurmittelhaus bauen. Kostenpunkt: 300 bis 400 Millionen Schilling. Zwei Drittel der Summe bezahlen private Investoren, sagt der damalige Fremdenverkehrs-Ressortchef Gerhard Buchleitner. Die restlichen Millionen will er aus dem Verkauf des Kurpark-Grundstücks samt Kurhaus in der Auersperg-straße finanzieren. Geplante Eröffnung 1993.

Hände weg von Leopoldskron!

»Opas Kurort ist tot, es lebe das Rehabilitationszentrum der Enkel«, sagt der Herzchirurg Max Halhuber 1974. Er setzt sich für ein Kurzentrum Leopoldskron ein und will den Verantwortlichen Dampf machen. Seit 1971, als zehn Vorschläge zur Verbauung der Kurzone Leopoldskron gemacht wurden, ist nichts passiert. Die zunächst realistischste Variante des Planungsbüros Max Gunther und Ferdinand Stracke aus Darmstadt, nämlich eine u-förmige Verbauung des Schlosses Leopoldskron, wird schubladisiert. Auch die Planungsvariante, die die Stadtgärtnerei mit dem Donnenbergpark verbauen will, gerät vorerst ins Vergessen. Die Schützer der Grünanlagen behalten die Oberhand. Die Bürgerinitiative »Schützt Salzburgs Landschaft« verlangt auch 1982 wieder: »Hände weg von Leopoldskron!« Die gesammelten 21.000 Unterschriften sollen die Verbauung verhindern. Das gelingt bis 1996, als das totgesagte Projekt wiederaufersteht: die »Paracelsus Therme Salzburg«. Die Tauernkraftwerke Tourismus und die Tauernplan Consulting planen ein 160 Betten-Hotel, ein Hallenbad, ein Kurmittelhaus, ein ganzheitliches Diagnosezentrum, ein Sportzentrum ..., Standort ist wieder die städtische Gärtnerei am Donnenbergpark. »Derzeit nicht realisierbar«, kontert ÖVP-Bürgermeister Josef Dechant, das Projekt widerspreche dem räumlichen Entwicklungskonzept.

Und zuletzt noch zwei Dinge zur nicht endenwollenden Diskussion um das Kongreßhaus:

Erstens, falls der Standort Mönchsberg wieder aufgewärmt wird. Es war vor elf Jahren, daß 1987 der portugiesische Architekt Alvaro Siza Vieira mit seinem Projekt auf dem Mönchsberg scheiterte. Und zweitens, eine Anregung für diejenigen, die am Standort Auerspergstraße festhalten - das Projekt von Max Fabiani aus dem Jahre 1908. Vielleicht sollte man es wiederauferstehen lassen, um kostengünstig umzubauen. Hier die einfache Anleitung: »Umgestaltung des bestehenden Kurhauses in modernes Kurmittelhaus. Hiebei Aufbau eines Stockwerkes auf den Bädertrakt, großer Kurhaussaal als Schwimmbassin ausgebaut.«