märz 1998

Gerald Gröchenig

Gesundes Salzburg: »No Sports!«

Das geplante Stadion in Wals dient allem, nur nicht dem Sport

Die Verbindung von Sport und Kultur (was immer das auch bedeuten soll) war eines der hochtrabenden Ziele der Salzburger Olympiabewerbung. In einem Bereich sind Sport und Kultur schon lange verbunden: Wenn es um Breitensport oder Soziokultur außerhalb von kommerziell verwertbaren Spitzenleistungen geht, fehlen sowohl politische Konzepte wie auch deren Umsetzer.

Die Stadt Viernheim in Hessen hat ca 35.000 Einwohner. Die Ausgangslage ähnelt Salzburg. Schüler leiden an Haltungsschwächen, Übergewicht, schwachem Herz- und Kreislaufsystem; ein Großteil der Bevölkerung geht einem Beruf ohne körperliche Betätigung nach; durch Bewegungsmangel explodieren die Kosten im Gesundheitsbereich, traditionelle Anbieter im Sport- und Bewegungsbereich befinden sich im Modernisierungsrückstand usw... Wie reagiert die Stadt darauf? Man entwickelt das Leitbild »Gesunde Stadt«, daraus werden aus einem ganzheitlichen Ansatz Programme entwickelt. Ein Sport- und Fitnessberater wirkt als Koordinator, erstellt entsprechend den Problemanalysen Sportentwicklungspläne, koordiniert Nachfrage und Bedarf mit bereits bestehenden Anbietern. Sport- und Fitnessberater Horst Stephan: »Auch Nicht-Organisierte müssen bedient werden. Aufgabe der Gemeinde ist es dabei, Hilfe zur Selbsthilfe und zur Selbstorganisation zu geben und vor allem die persönliche Kompetenz der Bevölkerung zu entwickeln.« Dabei beruft sich Stephan auf einen Salzburger Ehrenbürger - Robert Jungk. Koordiniert wird zwischen Vereinen, Betroffenen, Ärzten, Krankenhäusern, Krankenkassen, psychosozialen Einrichtungen und Einrichtungen der Gemeinde. Einige Beispiele: Wenn ein Verein ein Programm gegen Haltungsschäden bei Kindern anbietet, macht die Gemeinde in ihren Kindergärten PR dafür. Man entwickelt Sportprogramme für AsylantInnen, organisiert Trainerfortbildungen im Ort, unterstützt die Gründung von Lauftreffs und Frauenlauftreffs. Letztes Ergebnis der Tätigkeit: eine Osteoporose-Sportgruppe mit 160 Teilnehmerinnen. Nach neun Jahren schneidet das Sport- und Fitnessreferat bei Umfragen immer bestens ab, die Bevölkerung trägt die Intentionen mit.

Zurück nach Salzburg: Die SN be-richten über die Zunahme von übergewichtigen Kindern in den Schulen. Wie reagiert die Politik? Das Landesjugendreferat überlegt einen Sponsorvertrag zwischen Mac Donalds und den Schulen, pro verzehrtem Fleischlaberl soll es Cash für die Klassenkassa geben. Landeshauptmann Schausberger meint, die Schulen sollten den Rupertitag zum Nachdenken über Olympia nutzen.

»Das aktive Sportbewußtsein ist bei uns eher schlecht ausgebildet. Die Medien haben daran sicher ihre Mitschuld.« Albert Morocutti, Direktor des Universitäts-Sport-Instituts USI zeigt am Mikrokosmos Universität, wie man Sportpolitik gestalten könnte. Ein ausgewogenes Programm von über 200 Kursangeboten, angesiedelt zwischen Gesundheits-, Breiten- und Wettkampfsport, ist zu 70% ausgebucht. »Könnte man ein adäquates Programm für die Gesamtbevölkerung entwickeln, dann hätte das sicher seine Folgen.«

Doch davon ist Salzburg weit entfernt. An Sportstätten ist die Versorgung zwar nicht schlecht.Während der abendlichen Spitzenzeiten wäre der Bedarf natürlich um einiges größer. Dazu kommt, daß die Sporthalle in der Alpenstraße durch Musikantenstadl usw. oftmals tagelang für die Vereine blockiert ist. Das Sportzentrum Rif hat zwar eine Verbesserung gebracht, ist aber nur für Autobesitzer jederzeit erreichbar. Und von der sportpädagogischen Forderung nach der täglichen Turnstunde redet ohnehin niemand mehr. Eher läßt man den ohnehin spärlichen Turnunterricht ausfallen, weil man sich über die Zuständigkeit fürs Putzen der Säle streitet, wie kürzlich in Lehen vorexerziert. Wer nicht in den bestehenden Sportorganisationen organisiert ist, kanns entweder bleiben lassen oder sich in ein Fitnesscenter mit 10.000,- Schilling Jahreskosten eintragen.

In Mannheim wurden einmal im Monat alle Sporthallen für den allgemeinen Gebrauch geöffnet, auch eine Möglichkeit, für sportliche Betätigung Werbung zu machen. In Salzburg plant man ein Stadion mit 25.000 Zuschauern Fassungsvermögen und Kosten von 1,35 Milliarden Schilling. Abgesehen von den Planungs- und Finanzierungsgrundlagen, die ein eigenes Kapitel sind: Es ist zu befürchten, daß bei Realisierung dieses Vorhabens dringend notwendige Gelder für den Breitensport (allerdings für Programme, die in Salzburg noch ihrer Entwicklung harren) langfristig gebunden sind. Doch wer weiß, vielleicht würde eine fitte Stadtbevölkerung eher stören, wenn 880.000 Eintrittskarten pro Jahr (17.000 pro Woche!) in diesem Stadion verkauft werden müssen.