märz 1998

Thomas Neuhold

Hört die Signale vom Uhrturm

Der Wahlerfolg der Grazer KPÖ ist für viele GrazerInnen ein Hoffnungsschimmer. An der Politik der KP-Spitze wird er nichts ändern.

Was für ein Frust für die Freiheitlichen: Da glaubt man aufgrund der miesen Stimmung in der Stadt schon die ganze Sache eingesackt zu haben und dann schnappen einem ausgerechnet die Kommunisten den Wahlsieg und die Schlagzeilen weg. Die Dunkelroten haben bei den Grazer Gemeinderatswahlen im Jänner nicht nur rund acht Prozent der Stimmen und einen Regierungssitz erreicht, sondern die KPÖ konnte auch um einiges mehr an Zuwachs verbuchen als die FPÖ. In einigen Arbeiterbezirken überschritt die KP sogar die Zehn- Prozent-Marke deutlich. Werte, die die Linke sonst nur in Italien oder Frankreich erreicht.

Damit aber nicht genug: Nur wenige Tage nach dem roten Sonntag an der Mur wollen die Kummerl auch noch zwei der insgesamt neun Stadtratsposten - ihren eigenen und einen der Blauen - einsparen und das frei werdende Geld einem sozialen Wohnungsfonds zur Verfügung stellen. Das ging den freiheitlichen Kämpfern gegen Privilegien und Parteienproporz dann doch zu weit. Den lukrativen Stadtratsposten wollte man behalten und lehnte ab.

Grazer Aufbruch...

Was die Grazer KPÖ vorgeführt hat, ist linke Politik konkret. Ernst Kalten-egger, Gemeinderatsnachfolger des 1981 tödlich verunglückten legendären Ferdinand Kosmus, hat sich in jahrelanger Kleinarbeit zum Ombudsmann der sozial Schwachen vor allem in Miet- und Wohnungsfragen entwickelt. Selbst ÖVP-Mandatare hätten - so erzählt man/frau sich in Grazer Politkreisen - ihr Klientel in Wohnungsfragen zur KPÖ-Mietberatung geschickt. Weil die KP ohnehin nicht auf die Beine kommen würde. Irrtum! Die Anerkennung von Kalten-egger und seinem Team geht so weit, daß Wolfgang Pucher nach dem KP-Wahlsieg öffentlich von einem »Hoffnungsschimmer« sprach. Der Mann ist katholischer Pfarrer.

Die Grazer Partei hat etwas gemacht, was vielen österreichischen Linken, die sektengleich in ihren Beratungszimmern dämmern und Organisationen als soziale Wärmestube, nicht als politisches Instrument begreifen, immer suspekt - da nicht revolutionär genug - war: Handwerklich gute, mediengerecht aufbereitete Politik für Arbeiter, Studierende, Frauen... - konkret, ohne großes Revolutionsgetöse, dafür wirkungsvoll und abrechenbar. Die KPÖ-Graz hat die Freiheitlichen dort gepackt, wo es am meisten weh tut: Gemeinderätin Elke Kahr und Kalten-egger setzten sich aktiv für jene »kleinen Leute« ein, deren Fürsprecher die FPlerInnen vorgeben zu sein. »Helfen statt reden!«, stand auf einem Wahlplakat der KP-Graz zu lesen. Diese Losung »klingt nur auf den ersten Blick apolitisch. Sie drückt das aus, wofür die KPÖ in Graz steht: Wohnungsnotruf, Mietervolksbegehren, Unterschriftenaktion für die Senkung der Energiepreise«, so der Landesvorsitzende der steirischen KommunistInnen, Franz Stephan Parteder, in seiner Wahlanalyse. Ein bißchen erinnert das an den (Erfolgs-) Slogan der PDS bei den Berlin Kommunalwahlen: »Links ist, wo das Herz schlägt!« Diese Politik erleichterte es auch vielen Linken von der Uni oder aus Kultur- und Sozialinitiativen, für die Kummerl zu votieren.

...hinter dem Semmering...

Will man/frau das Rekordergebnis - 1945 hatte die KP gerade 6,7 Prozent erreicht - verstehen, muß auch ein Blick auf die Geschichte der KPÖ geworfen werden. Sie ist auch gekennzeichnet durch regelmäßig wiederkehrende Austrittswellen. Ende der 60er Jahre trat im Zuge der Parteikrise um den »Prager Frühling« ein großer Teil der politisch-intellektuell führenden Köpfe der Partei den Rückzug an oder verließ die Gesinnungsgemeinschaft - auch auf Ebene der Landes- und Bezirksleitungen. Die nachfolgende Führungsgarnituren repräsentierten überwiegend den konservativen Apparat und - was weit schlimmer wog - den politisch nur mittelmäßig talentierten Teil der KP. Als der personelle Aderlaß überwiegend durch junge Intellektuelle Ende der 80er Jahre überwunden schien und die weltoffenere Gruppe rund um Walter Silbermayr Schritt für Schritt die Parteiagenden übernahm, lag der »Reale Sozialismus« schon in den letzten Zügen. Die mit seinem Zusammenbruch verbundene Auseinandersetzung entschieden DogmatikerInnen und SektiererInnen für sich: Die KPÖ erlebte erneut eine Austrittswelle auf allen Ebenen; eine gewohnt realitätsferne Mittelmäßigkeit übernahm wieder das Kommando.

Die steirischen Kommunisten blieben von dieser Entwicklung nicht verschont. Ihnen gelang es aber, die Konflikte, deren Epizentrum in der Bundespartei lag, abzuschwächen. Hinter dem Semmering konnte man/frau sich aufgrund der eigenen politischen Stärke in Gewerkschaft und Kommunen dem Zugriff der Wiener Organisation streckenweise entziehen und so blieb die Organisation bis heute halbwegs intakt.

...fremde Federn...

Wenn sich nun jene Funktionäre der KPÖ, die nach dem Abgang von Silbermayr und GenossInnen in die zentralen Funktionen nachrückten, öffentlich über den Wahlerfolg an der Mur freuen, ist das menschlich nur allzu verständlich und auch legitim. Wenn aber Parteichef Walter Baier daraus einen Trend nach links und hin zur KPÖ ableitet, ist das - gelinde ausgedrückt - wohl ein bißchen verfrüht. Zugegeben, die KP-Fraktionen haben bei diversen Interessensvertretungswahlen erstaunlich gut abgeschnitten und der Wahlerfolg in Graz ist eine Hoffnung - insbesonders für jene Menschen, die unter den eklatanten Wohnungsproblemen oder den immensen Energiepreisen leiden. Realität ist freilich auch die Stärke der FP. KP-Landeschef Parteder wörtlich: »Machen wir uns aber nichts vor. Die KPÖ hat in Graz 7,9 Prozent, die FPÖ 26,8 - und die Wahlbeteiligung war sehr niedrig.«

Es entspricht der Logik politischer Parteien, daß regionale Wahlniederlagen regional erklärt werden und regionale Siege auch auf das Konto der Zentralen gebucht werden. Es würde sämtlichen Gesetzen der KPÖ widersprechen, würden nicht Baier und Co. aus dem Erfolg der - jahrelang bekämpften - steirischen Politik gestärkt hervorgehen.

In den ersten internen Diskussionen der Bundespartei wurde beispielsweise als Lehre aus den Grazer Wahlen die Bedeutung der Medienarbeit für die KPÖ hervorgestrichen. Da gehört schon eine Quentchen Chuzpe dazu: Gerade die Gruppe um Baier hat mit Schützenhilfe der Parteiyuppies (etwa der KP-Vermögens- und Liegenschaftsverwalterin Brigitte Löw, die das gewaltige Vermögen der Partei marktwirtschaftlich, aber unpolitisch zu verwalten und zu vermarkten hat) alle Versuche von fortschrittlicher parteiübergreifender Medienarbeit offen bekämpft und schließlich abgewürgt. Als Ergebnis blieb die schwachbrüstige Mitgliederzeitung »Volksstimme«, deren Namensgebung eine Verhöhnung ihrer einst angesehenen Tageszeitungs-Vorgängerin ist.

...und Salzburg?

Es bedarf keiner großen prophetischen Gabe, um vorauszusagen, daß sich der Grazer Erfolg bei den Wahlen in Salzburg nicht wiederholen wird. Die Salzburger KPÖ - bis 1967 im Gemeinderat - wurde von den Parteikrisen immer besonders hart gebeutelt. In den 70er Jahren schied schon einmal beinahe die gesamte Parteileitung aus ihren Funktionen, Anfang der 90er Jahre trat die Landesführung fast geschlossen aus der Partei aus. Der traditionell hohe Anteil Intellektueller, der geringe realpolitische Einfluß und persönliche Verbindungen - Silbermayr selbst stammte aus der Salzburger KP - sind einige der Gründe dafür. Heute ist die KPÖ in Salzburg weitgehend marginalisiert. Allein in Hallein, wo die KP erst 1994 aus dem Gemeinderat flog, gibt es Chancen - wenn auch geringe - auf ein Comeback.

Nein, die KPÖ ist an der Salzach kein Faktor. Die Ereignisse an der Mur bieten sich aber dennoch für einen Vergleich an: Was wäre gewesen, hätte sich die SP-Abspaltung »Demokratie 92« tatsächlich als linke Partei entpuppt und sich an Kalteneggers Politik ein Beispiel genommen. Ressourcen in Form eines Klubs und vier politisch erfahrener MandatarInnen wären vorhanden gewesen.