april 1998

Mario Jandrokovic

»...so ein Teil einer Repolitisierung«

Lioba Reddeker, Bundeskuratorin für Kunst, über die »Basistage«

Der Begriff »Basis» ist kulturpolitisch stark besetzt. Was bedeutet er hier?

• Der Begriff wurde bewußt gewählt im Sinne einer kulturpolitischen Positionierung. Sehr wichtige Prozesse in der Kunstförderung wie etwa Beiräte bewirken, daß sich in dem Sinne über die kulturpolitische Diskussion entscheidet, was überhaupt an Kunst ermöglicht wird. Und mich beschäftigt das deshalb immer, weil ich der Meinung bin, daß in Österreich bei vielen bildenden Künst-lerinnen und Künstlern tendenziell ein Künstlerverständnis herrscht, wo sehr unbewußt vor diesen Hintergründen agiert wird. Wir haben hier nur dauernd eine Diskussion über die Staatskünstler, die Kunstgewinnler und die intransparenten Entscheidungswege, die Vetternwirtschaft. Man sollte diese Diskussion wieder sehr stark rückkoppeln an die künstlerische Produktion, und das wäre für mich so ein Teil einer Repolitisierung, um ein gängiges Schlagwort zu nutzen.

Heißt dies, daß Diskursfreudigkeit, Konfliktbereitschaft bei bildenden Künstlerinnen und Künstlern unterentwickelt sind?

• Mein Resumee nach zwei Jahren Forschung auf diesem Gebiet ist eigentlich schon, daß in Österreich politische und kulturpolitische Arbeit über Kulturinitiativen - ich sag’s jetzt ein bißchen kurz - um einiges effektiver zu sein scheint als über bildende Kunst, die häufig einfach in ganz andere Betrachtungsmuster und Legitimationsdiskurse eingebunden ist. Für die Kulturinitiativen ist es in ihrer Entstehung und in ihrer Arbeit explizit wichtig, sich politisch zu positionieren, während Künstlerinnen und Künstler einfach anstreben, in einen internationalen Kunstdiskurs zu kommen. Jedenfalls ist das Politische bei Künstlerinnen und Künstlern ein Thema, das häufig nicht so bewußt reflektiert wird.

Wie weit besteht die Gefahr, daß den Theoretikerinnen und Theoretikern, Kuratorinnen und Kuratoren, die in den Ateliers Diskussionsrunden abhalten, eine zu gewichtige Rolle zufällt?

• Das war der Vorwurf in Innsbruck: Ich benütze dieses Atelier und die künstlerische Arbeit als Hintergrund, um ganz was anderes zu diskutieren als Kunst. Für mich geht es aber um die Kunst, wenn es um kulturpolitische und strukturelle Hintergründe geht. Und ich versuche schon, eher Leute einzuladen, die nicht mit einer so hermetischen Theorie daherkommen, und es sind auch Künstlerinnen und Künstler involviert, von denen wir eine gewisse Diskursfähigkeit voraussetzen.

Ist es eigentlich von zwingender Konsequenz, die »Basistage« in Ateliers stattfinden zu lassen?

• Es ist keine zwingende Konsequenz in die Ateliers zu gehen, nur ist sie zwingend in absoluter Ermangelung vernünftiger Alternativen. Diese Atelieröffnung hat aber schon damit zu tun, daß wir ganz explizit auf die Produktionssituation hinweisen und die Produktionen vorführen wollen, ohne eine Ausstellung zu machen.

Welche Zukunftsvision haben die »Basistage«, wenn es um eine Verbesserung der Produktionsbedingungen vor Ort angeht?

• Wenn ich von Visionen von den »Basistagen« spreche, muß ich ein klein wenig weg davon, nur von den Produktionsbedingungen zu reden. Die gilt es im großen und ganzen immer zu verbessern. Und Salzburg ist da ein prägnantes Beispiel, wo es um Ateliers und Experimentierfelder einfach schlecht bestellt ist. Insgesamt geht es mir jedoch um einen öffentlichen Diskurs, um eine Transparenz von Themen und eine doch größtmögliche Involvierung jeglicher Interessierter. Ich bin zu nüchtern, um zu glauben, daß ich vieles lösen kann, aber ich habe in diesen zwei Jahren als Bundeskuratorin und durch das damit verbundene Budget ein ökonomisches, aber auch symbolisches Kapital, wo ich mal sagen kann, ich halte diese Frage jetzt mal für wichtiger als die nächste gute Ausstellung. Gute Ausstellungen sind zwar immer wichtig, mir kommt jedoch vor, daß die Diskussion derzeit so verhaftet ist an falschem Konkurrenzdenken, an Neidgeschichten, an dieser ganzen unausgesprochenen österreichischen Geschichte im Umgang mit Kunst, daß man einfach sagen muß, darum geht es doch nicht. Ich möchte die entscheidenden Hintergründe so lange aufkochen, bis man nicht mehr ganz so leicht an den relevanten Fragen vorbeikommt.

Wie will man sich eigentlich, wie angekündigt, bei den »Basistagen» einem breiten Publikum öffnen?

• Wir versuchen ein sehr breites Spektrum einzubeziehen, von traditioneller Malerei bis zu Dingen, die dem normalen Betrachter eher fremd sind. Was das breite Publikum angeht, muß man dann froh sein, wenn dieses Publikum das Ganze mal wahrnimmt und wenn nicht sofort am nächsten Tag die reaktionärsten Ecken eine parlamentarische Anfrage formulieren. Da habe ich eine sehr niedrige Schwelle.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Lioba Reddeker, geboren 1961 in Hövelhof/NRW, lebt seit 1988 in Wien. Tätigkeit in Galerien für zeitgenössische Kunst, Organisation verschiedener Ausstellungen, wissenschaftliche Projektarbeiten. 1994 Gründung des Vereins Der AKKU - Verein für aktuelle Kunst, Theorie und Vermittlung in Wien. 1995 Gründung des Instituts für Studien zur kulturellen Praxis in Bonn. 1996 Forschungsprojekt zu freier Kulturarbeit in Österreich. 1997 Kuratorin für Kunst im Auftrag des Bundeskanzleramtes.