april 1998

Thomas Neuhold
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»Von stalinistischen Reichweiten verabschieden«

Salzburger Radiomarkt: Aufbruchsstimmung bei Welle 1 - Gelassenheit beim ORF - Krise bei Melody

»Wir haben aus den Fehlern von Radio Melody gelernt. Wir machen ein Salzburger Ö3. Wir wollen nach drei Jahren positiv wirtschaften.« Beim Salzburger Radio-Newcomer »Welle 1« - seit Mai vergangenen Jahres im Kabel-Probebetrieb und ab April 1998 auf 106,2 »on air« - herrscht Aufbruchsstimmung. Im sympathischen Chaos in den Studioräumen des neues Senders im Airportcenter Wals-Himmelreich bemüht sich das junge Team um Geschäftsführer Stephan Prähauser, gegenüber BesucherInnen den Eindruck jugendlicher Professionalität zu vermitteln. Sogar ein eigens engagierter bundesdeutscher Radio-Trainer übt mit der aus ehemaligen FM4-, Ö3-, Melody- und Radio Salzburg-MitarbeiterInnen bunt zusammengewürfelten zwölfköpfigen Mann/Frauschaft.

Ziel der »Welle«-MacherInnen ist das Ö3-Segment der bis 14-39jährigen HörerInnen - kein Spartensender, kein Ö2-Format, eben 24 Stunden Pop-Mainstream mit starkem Lokalbezug. Dieser soll vor allem über die Nachrichten, eigene Veranstaltungen und Event-Marketing hergestellt werden. Daß die dabei vom ORF vorgelegte technische Qualität hoch ist, wissen die »Welle«-Leute: »Wir dürfen uns beim Sendestart keine Fehler leisten, das Image des Senders entsteht in den ersten vierzehn Tagen.«

»Radio Melody« leidet noch heute unter den Auswirkungen der verhauten Startwochen. Aber wenn’s nur das wäre. Derzeit trudelt »Melody« vor allem von einer internen Personalturbulenz zur nächsten. Zahlreiche junge JournalistInnen und ModeratorInnen haben den Sender wieder verlassen und von den vier selbsternannten »Radiomanagern« der ersten Stunde ist nur mehr der ehemalige SPÖ-Pressesprecher Erich Holfeld beim proporzmäßig zwischen schwarz-rot-blau aufgeteilten Sender am Ausstellungszentrum geblieben. Ob der überstürzte Verkauf des ersten Salzburger Privatradios an eine britische Gesellschaft die Situation des Senders wirklich stabilisieren kann, wird von Branchenkennern mehr als bezweifelt.

Bei der »Welle 1«, hinter der ein oberösterreichischer Gratiszeitungsverleger und der Wachdienst stehen, hofft man von solchen Sorgen weit entfernt zu sein. Dabei dürften auch die politischen »Kontakte« helfen. Prähausers Vater ist immerhin Landesparteisekretär der Salzburger SPÖ. Was unterm Strich wohl mehr hilft, als schadet. Mit dem Zuschlag zur Gaisbergfrequenz 106,2 und der Kooperation mit einem Regionalradiopartner in den Gebirgsgauen kann das Land Salzburg jedenfalls fast flächendeckend mit dem neuen Programm »versorgt« werden. Offizielle Kostenschätzung: zehn Millionen pro Jahr.

Nur wie diese Summe zu verdienen sein soll, weiß niemand so genau. Friedrich Urban, langjähriger Intendant des ORF-Landesstudio Salzburg, schätzt den Salzburger Radio-Werbemarkt »großzügig« auf rund 25 Millionen Schilling jährlich. Diesen müßten sich alle Sender teilen. Angesichts der hohen Kosten - mindestens zehn Mille bei der »Welle«, rund 25 bei »Melody« - sei »mit Radio in Salzburg kein Geld zu machen«.

Beim »Wirten« ORF

Und was denkt man beim ORF sonst über die neuen Konkurrenten? »Ich bin mit der Konkurrenz zufrieden«, sagt Urban und lächelt. »Natürlich nimmt jedes Fast-Food-Lokal auch guten Wirtshäusern etwas weg« und man müsse sich eben »von stalinistischen Reichweiten verabschieden«, aber Salzburg habe den Angriff der Privaten eigentlich schon hinter sich und wesentlich besser verdaut als der ORF in der Steiermark. Urbans Zufriedenheit hat gute Gründe: Beim Marktanteil Montag bis Freitag liegen der ORF-Salzburg und Ö3 weit jenseits der 35 Prozent-Marke. »Melody« hingegen grundelt unter 15 Prozent herum.

Im »kunstfehler«-Gespräch präsentiert sich Urban als grundsatztreuer »Öffentlich-Rechtlicher«. Der streitbare Intendant, der sich in der Vergangenheit auch nicht scheute, sich mit der Politik anzulegen, hält die Privatisierung der Radio- und TV-Landschaft »gesellschaftspolitisch nicht für sinnvoll«, da es zu keiner Meinungsvielfalt kommen werde. Im Gegenteil, es bestehe sogar die Gefahr, daß sich der ORF der Niveau-Nivellierung angleiche. In Salzburg versuche man den gegenteiligen Weg zu gehen. Als einziges Landesstudio produziere der ORF-Salzburg eine morgendliche Informationssendung des aktuellen Dienstes und stelle eine der besten Sendezeiten dem Kulturmagazin »Papageno« zur Verfügung.

Tatsächlich gleicht das Sendeschema von Radio-Salzburg der Speisekarte eines gut geführten bürgerlichen Wirtshauses. Im Gegensatz zum dumpfdösseligen Einheitsgesülze flacher Witzchen zwischen »Ö3 Wecker« und »Mahlzeit« und im Gegensatz zur Audio-Sauce des »Taxi- und Frisörradio« (so »Melody« im ORF-MitarbeiterInnenjargon) gibt es für jeden etwas: Gut gemachte Nachrichten, Sport, Kinderfunk, Volksmusik, aber auch »Rat und Tat« des Dr. Kurt Ostbahn, dessen Sendung allerdings - auf Wunsch von Willi Resitarits selbst - noch dieses Frühjahr auslaufen soll.

»Treffpunkt Salzburg«

Nicht ganz so reibungslos läuft hingegen die stärkere Regionalisierung des TV-Programms. Während die Qualität der Nachrichtensendung »Salzburg Heute« landauf-landab unbestritten ist, regt sich selbst ORF-intern Kritik an der Niveaulosigkeit der neuen Regional-Talkshow »Treffpunkt Salzburg«. Auch Urban räumt Unzulänglichkeiten ein, wenn auch nur mit der Gestaltung des Studios im Europark. Bei der Frage nach Inhalt und Form der thematisch matten Regional-Talk-show zuckt der oberste ORF-Boß die Schultern: Diese sei eben »für eine sehr bestimmte Klientel, nachmittags können wir kein ‘Zur Sache’ machen.« Der Bedarf nach solchen Sendungen wäre jedoch da. Schon in den ersten zwei Monaten sei es gelungen die ZuseherInnenzahlen von Schiejok auf rund 15.000 pro Sendung zu verdoppeln. Von Urbans persönlichem Ziel »im Europark einen Salzburger Hyde-Park-Corner« zu machen sind der ORF und das Niveau von »Treffpunkt Salzburg« aber wohl noch weit entfernt.