april 1998

Didi Neidhart
leitartikel

Das Leben ist ein Hit!

Wenn am 1. April 1998 österreichweit über 50 private Radiostationen auf Sendung gehen werden, um zwischen Boden- und Neusiedlersee ein längst überfälliges neues Medienzeitalter einzuläuten, wird der Äther voll sein mit Schall und Rauch über die nun angeblich endlich erreichte Meinungsvielfalt in Sachen Radio. Turn your radio on und die Demokratisierung eines ganzen Landes folgt auf dem Fuß.

Aber was bitte soll man nach Erfahrungen im benachbarten Ausland, mit Radio Melody und dem ganzen Satelliten/Kabel-Salat im Fernsehen denn wirklich Großes und Umwälzendes erwarten? Etwa ein Lernen aus den struktur- und quotenjagdbedingten Annäherungen im Untergürtelbereich zwischen öffentlich-rechtlichen und privat-kommerziellen TV-Stationen? Oder ein Gegenkonzept zur Boulevardisierung von Nachrichten (Stichwort: Infotainment)?

Es genügt ein Blick auf das Angebot des ORF zwischen »Vera«, »Treffpunkt Kultur«, »Lust auf Liebe« und »Treffpunkt Salzburg«, um anhand des aktuellen Erscheinungsbilds von Ö3 für die heimische Radiozukunft eine flächendeckende Supadupa-Gute-Laune-Verblödelung prognostizieren zu können. Statt auf einem Sender heißt es dann auf mehreren: »Das Leben ist ein Hit«.

Ob diese - zugegeben schwer kulturpessimistische - Prognose wirklich zutreffen wird, hängt nicht zuletzt von jenem Demokratieverständnis der Betreiber, welches sich immer wieder als »Spielen, was die Leute hören wollen« manifestiert, ab. Und da sollte man die HörerInnen nicht für zu blöd verkaufen/halten. Immerhin zeigen die letztjährigen Reichweitenverluste der deutschen Privat-TV-Anstalten, daß es auch bei Mainstream-KonsumentInnen Schmerzgrenzen geben dürfte. Denn die Reichweitengewinner waren sicherlich nicht ohne Grund jene, immer wieder ins Kreuzfeuer marktwirtschaftlich orientierter Medienpolitik genommenen dritten (Kultur-)Programme der ARD. Ein Umstand, der sicherlich nicht nur mit der Absenz von Werbeunterbrechungen erklärt werden kann.

Bleiben als einzig echte Hoffnungsträger die Freien Radios und ihr Community-Konzept eines offenen Zugangs zum Medium Radio als Sprachrohr für und von Minderheiten.

Wobei das Problem der Nichtnutzung jener Potentiale, die Radio erst ausmachen - Live-Charakter, Spontanität, »BürgerInnen-Nähe«, Flexibilität, Aktualität (für eine Meldung muß man nicht erst auf Bilder warten), Abenteuer Radio (als Hör-Fenster zu fremden, umbekannten Welten) - weniger im Privatgeschmack der Werbekunden zu suchen sein dürfte, als in jenen verborgenen Gehirnregionen der Programmverantwortlichen, wo ein Begriff wie »Unterhaltung« definiert wird. Und wenn hier Ö3 als Latte fungiert, die es zwecks Quotensteigerung zu unterlaufen gilt, stellt sich wirklich die prekäre Frage nach dem Sinn dieser schönen neuen Radiowelt.