MARTIN AMIS:
»1999«. Original: »London Fields« - Übersetzung von Elke Schönfeld. Verlag Rowohlt 1996.
»Dies ist eine wahre Geschichte, aber ich kann nicht fassen, daß sie wirklich geschieht.
Dazu noch eine Mordgeschichte. Ich kann mein Glück nicht fassen.
Komischerweise auch eine Liebesgeschichte (glaube ich), und das so nah am Ende des Jahrhunderts, so nah am Ende des verdammten Tages.«
Martin Amis Glück der wahren Mordgeschichte ist unser Lesevergnügen. »1999« ist ein Krimi, ein Thriller mit vorhersehbarem Ausgang. Eine Totgeweihte sucht ihren Mörder, bedient sich eines Mediums und wir werden in der Person des Autors zu gnadenlosen Voyeuren. Wer aber tötet? Der Mörder, das Medium oder wir, die SpannerInnengesellschaft...?
»1999« ist eine unbarmherzig komische Weltuntergangsgeschichte, deren morbide Gesellschaft beklemmend aktuelle Züge trägt. Wenn Amis dabei oft hart am Trivialen vorbeischrammt, liegt dies am Wahrheitsgehalt seiner Story. Die Ekel sind so trivial eklig, die Emotionen sind so trivial pervertiert, die Voyeure sind so ganz ohne Moral, die Gesellschaftsstrukturen sind totgeweiht; wie eben auch die Krankheit der Gattin des US-Präsidenten tatsächlich die Welt erschüttern würde.
»In der Literatur (die eben doch fiktiv ist) werden die Menschen kohärent und verständlich - aber das sind sie nicht. Wir alle wissen, daß sie das nicht sind. Wir alle wissen es aus eigener Erfahrung. Wir wissen doch Bescheid.«Vielleicht sollte man/frau daher Martin Amis »1999« noch heuer lesen - und warten, was nächstes Jahr noch geschieht.