april 1998

Gerald Gröchenig

Kulturarbeit zwischen Panzern

Das Kulturzentrum im Kino Allentsteig wird vom größten Truppenübungsplatz in Österreich umgeben.

Nach Allentsteig fährt man nicht auf Urlaub. Um den Ort zu erreichen, muß man Österreichs größten Truppen-übungsplatz durchqueren, und wer hält sich schon freiwillig in einer Gegend auf, in der vor jedem Waldweg ein Warnschild den Eintritt strengstens untersagt und mit Lebensgefahr droht? Manchmal stinkts auf den Zufahrtsstraßen mitten im Wald nach Treibstoff, wenn Österreichs Panzer wieder einmal zum Schutze des Landes ihre Runden gezogen haben.

Mit viel Zukunft kann der Ort nicht aufwarten. In den letzten dreißig Jahren ist die Zahl der Gewerbebetriebe von 150 auf 20 zurückgegangen, die Bevölkerungszahl ist von 4.000 EinwohnerInnen auf derzeit 2.500 gesunken. Und die über 100.000 Soldaten, die hier jährlich Station machen, sind wohl auch kaum als touristische Zielgruppe zu bezeichnen.

Und trotzdem: das kleine gallische Dorf, das bei Asterix mitten im römischen Reich der Übermacht trotzt, hier gibt es sowas: Es nennt sich Kulturzentrum Waldviertel, wird vom Verein Avalon geleitet und hat seinen Sitz im Kino Allentsteig. Und ihm ist es zu verdanken, daß der Jugend im weiteren Umfeld ein wenig kulturelle Vielfalt und damit Lebensqualität geboten wird.

1992 setzte man sich zum Ziel, das leerstehende Kino mit neuem Leben zu füllen. Ende 1996, nach jahrelangen Behördenkämpfen, 72(!) Bauauflagen, Dutzenden von Eröffnungen und Schließungen wegen neuerlicher Auflagen, war das Haus endlich behördenkonform, einem regulären Veranstaltungsbetrieb stand nichts mehr im Wege. Und der richtet sich an verschiedene Zielgruppen.

Die Veranstaltungen sind größtenteils im neueren musikalischen Bereich angesiedelt, wobei ein ausgewogenes Angebot von internationalen, österreichischen und regionalen Acts programmiert wird. Daneben gibts Theater, Kindertheater, Kabarett, Malhappenings, usw., Jugendlichen aus der Region wird das Haus für eigene Veranstaltungen zur Verfügung gestellt.

Mit dem Kinoprogramm will man cineastisch begeisterte Menschen ansprechen, wobei übrigens das Programm des Salzburger Filmkulturzentrums manchmal als Vorlage dient (deswegen wird es auch monatlich im Büro aufgehängt).

Daneben gibts VJ Performances, wobei die Kinoleinwand als Projektionsfläche für live gemischte Videoclips dient. Als Vorstufe zu einem Internetcafé installierte man ein Hauskommunikationssystem, mit dem in einem Chatprogramm mit bis zu sieben Teil- nehmerInnen kommunizieren können. Um eventuell alkoholisierten Besucherinnen und Besuchern eine nächtliche Heimfahrt zu ersparen (»Don’t drink and drive«) richtete man einen Chill Out Room ein, wo Couch, Tisch und Matratzenlager zum Ausklingen der Nacht einladen (Bevölkerung und Politik projizierten die eigene derbe Phantasie in diese Einrichtung und wieder einmal war ein Stein des Anstosses geschaffen).

Daß man sich mit dieser Art regionaler Kulturarbeit in Österreich kaum die Rentenberechtigung erarbeiten kann, ist ebenso logisch wie traurig. Die Förderungen des Landes Niederösterreich sind - im Vergleich zu ähnlichen Häusern in Oberösterreich oder Salzburg - von lächerlicher Größe, die Kinoförderung des Bundes stagniert seit Jahren (einige Millionen für die Diagonale sind dort allemal leichter zu bekommen als vielleicht 30.000 Schilling mehr für wieder-adaptiertes Landkino mit filmkulturellem Programm). Um sich ihre Kulturarbeit leisten zu können, müssen die Betreiber also auswärts jobben gehen. Kulturarbeit heißt hier nicht nur Programmieren und Organisieren, dazu gehört im Winter auch das Nachlegen von Kohlen während der Kinovorstellungen - durch die schlechte Isolierung fallen pro Jahr ca. 60.000 Schilling Heizkosten an (auch dieses Geld muß erst mal verdient werden).

Und während man vom vereinseigenen Jugendkulturmagazin »Der Auswurf« 5.000 Exemplare unters Volk bringt, der Verein über 2.800 Mitglieder verfügt, das Publikum zu manchen Veranstaltungen den Weg aus Krems, St. Pölten oder gar Wien findet: in der Freizeitbörse für die stationierten Soldaten wird nicht einmal das aktuelle Kinoprogramm angekündigt. Man hat es nicht leicht am Land, als Pazifist und/oder Langhaariger.

Entschädigt wird man dafür, wenn - wie im Vorjahr - an einem 8. März die schwedische Frauenband »Anita Livs« im Kino aufspielt, bei den Veranstaltungen nicht selten 200 - 300 Leute den Saal füllen, oder wenn man am Fuße des dritten Hügels in Allentsteig steht und auf das imposante Gebäude aufblicken kann, das mit seinen geschwungenen Aufgängen sicher zu einem der schönstgelegenen Kulturhäuser in Österreich zählt.

Adresse:

AVALON - Kulturzentrum

Waldviertel, Dr.-Ernst-Krennstr. 2, 3804 Allentsteig.

Tel. und Fax: 02824/2663.

e-mail:avalon@magnet.at

http://members.magnet.

at/avalon

Das alle 2 Monate erscheinende Jugendkulturmagazin »Der Auswurf« kann unter obiger Adresse bestellt werden (Abo: mindestens öS 60,— pro Jahr)

Darin sind auch die aktuellen Veranstaltungen angekündigt.