april 1998

Romana Klär
im gespräch

Schwulsein als Bedrohung

Ein kunstfehler-Gespräch mit Roman Schmeißner und Lisa Oberparleitner über antischwule Gewalt und Diskriminierung Homosexueller in Salzburg

»Schwule Männer werden regelrecht für das bestraft, was sie sind«, sagt eine Salzburger Soziologin, die nach einer Studie zu gesundheitlichen Fragen von Männern, die Männer lieben, jetzt an einer Untersuchung von antischwuler Gewalt arbeitet.

Verbale Attacken und permanente Diskriminierung zählen auch in Salzburg zum Alltag Homosexueller. Daß selbst vor körperlicher Gewalt nicht zurückgeschreckt wird, läßt sich jetzt durch die Arbeit von Lisa Oberparleitner nur langsam ans Licht bringen. Opfer von Gewaltverbrechen brächten diese nämlich nur ganz selten zur Anzeige, sagt sie. Wie bei vergewaltigten Frauen, von denen bis zu 80 Prozent der Betroffenen schweigen, leben auch mißhandelte Schwule in Angst vor dem Täter und mit dem Wissen, daß den Opfern selber eine Schuld am Verbrechen zugeschrieben wird. So wie Frauen es ja mittlerweile wissen müßten, daß der Heimweg zur nächtlichen Stunde ein Risiko birgt, werden auch Homosexuelle angehalten, ihr Auftreten in der Öffentlichkeit auf Notwendiges zu reduzieren.

Nachdem im Herbst 1996 ein schwuler Mann am Rosenhügel niedergestochen wurde, hat die Polizei den Täter nicht nur im »Milieu« - will heißen, in der Schwulenszene - gesucht (Oberwarter-Roma-Fehden-Effekt, könnte man dieses Vorgehen bezeichnen), sondern Homosexuellen vorgeschlagen, »die Gegend eben künftig zu meiden«.

• HOSI-Obmann Roman Schmeißner: Die Polizei hat einen Katalog von Vorsichtsmaßnahmen vorgelegt, die alle darauf hinausgelaufen sind, daß wir unser Verhalten ändern müssen. Wir wurden ganz klar als Bedrohung wahrgenommen. Aber die wirkliche Bedrohung stellt eine Gesellschaft dar, die Konflikte nicht regulieren kann. Eine Gesellschaft, die sich an Wörter wie »Randgruppe« und »Gastarbeiter« gewöhnt hat.

• Oberparleitner: Homosexualität bedroht die körperliche Identität jener, die sich als richtige Männer sehen. Schwule werden ja vor allem über ihre sexuelle Orientierung wahrgenommen. Bei Heteros denkt niemand zuallererst: Das ist ein Mann, der geht mit einer Frau ins Bett. Begegnet ein Hetero einem Homosexuellen heißt es hingegen gleich: Oh, Scheiße! Das ist ein Mann, der mit einem Mann...

Entsteht diese Bedrohung auch dadurch, daß ich als weißer, mitteleuropäischer Hetero sicher sein kann, nicht eines Tages als Türke aufzuwachen, daß ich mir hingegen vor der Manifestation der eigenen Homosexualität nie sicher sein kann?

Oberparleitner: Viele Hetero-Männer fühlen sich auch als Sexualobjekt bedroht. Es gibt für den Mann die Möglichkeit, schwul zu werden. Das bringt eine Unsicherheit ins System, weil es eben nicht nur mehr Männlein und Weiblein gibt. Auch Leute aus meinem Bekanntenkreis haben sich geweigert, auf ein HOSI-Fest zu gehen, weil sie sich vor einer möglichen schwulen Anmache bedroht gefühlt haben. Wobei es dafür überhaupt keinen Anlaß gibt. Immerhin machen Schwule ja nicht jeden x-beliebigen an. Da müßte ich mich als Hetero-Frau ja ständig bedroht fühlen, wenn ich nur auf die Straße gehe und einem Mann begegne.

Wenn sich die Gesellschaft mit Minderheiten arrangiert, vermittelt sie meist ein sehr homogenes Bild davon. Es gibt dann nicht die Homo-sexuellen, sondern den Homosexuellen. Punkt. Wenn man sich die mediale Vermittlung schwuler Images ansieht, könnte man zum Schluß kommen, daß Transvestiten und Drag-Queens jene Formen schwuler Lebensweisen sind, welche die Gesellschaft am unproblematischsten akzeptieren kann.

• Oberparleitner: Die Medien schmücken sich mit Schwulen. Sie laden sich für eine Talk-Show irgend-einen Schwulen als Exotikum ein. Das ist dann auch eine Form der Diskriminierung. Es ist eine Scheinsolidarisierung. Derzeit behandelt übrigens ungefähr jeder dritte Hollywoodfilm eine schwule Thematik.

Ist das eine positive Öffentlichkeit? Verändern sich dadurch Heteros in ihrem Verhalten gegenüber Schwulen? Wo bleiben dabei deren Interessen und Forderungen an die Gesellschaft?

• Oberparleitner: Es gibt einen tollen Cartoon zu diesem Thema bei dem zwei Männer aus einer Transvestiten-Show herauskommen und über die Supertypen schwärmen, die sie eben auf der Bühne gesehen haben und dann im Park einen Schwulen zusammenschlagen. Was auf der Bühne dargestellt wird ist super. Die Realität sieht aber ganz anders aus.

Noch einmal zurück zu einer Gesellschaft, die sich an »Randgruppen« gewöhnt hat. Was macht sie so gefährlich?

• Schmeißner: Weil die so Bezeichneten eine Art Sündenbockfunktion übernehmen können. Weil man seine eigenen Probleme auf jemand anderen überträgt, der damit fertig werden soll. Und so wird dieser Sündenbock dann auch zur Bedrohung. Für mich ist das eine primitive Gesellschaft. Die Freiheit eines Anderen, den ich zum Sündenbock mache, ist ja meine eigene Freiheit. Wenn ich sehe, daß ein Schwuler happy ist und Spaß hat am Leben, was löst das bei mir aus? Entweder ich möchte auch so sein, also bin ich neidig. Oder es ist mir egal. Aber hier ist es weder noch, sondern wird als Bedrohung wahrgenommen.

Die Bedrohung kann ja auch über einen nicht eingestandenen Neid entstehen. Das heißt, ich projiziere auf diese Sündenböcke Genüsse, die ich selber gerne hätte und ausleben möchte, die ich mir aber nicht eingestehen kann. Die Leute bei uns schimpfen beispielsweise, weil sie so viel arbeiten müssen und am liebsten immer Siesta machen würden. Sie schimpfen aber gleichzeitig auch über »Südländer«, weil die angeblich die ganze Zeit Siesta halten. Rassismen und Sexismen entstehen dann aus den verdrängten eigenen Bedürfnissen, für deren angebliches Ausleben man dann die Sündenböcke bestraft.Worin gründet diese Bedrohung noch?

• Schmeißner: Die ganze Gesellschaft - und das sieht man vor allem auch beim Lehrstoff in den Schulen - ist auf Zwangsheterosexualisierung aufgebaut. Als wäre die Familie das einzige Maß aller Dinge. Alles andere nennt man dann »Randgruppe«.

Gesellschaftsökonomisch kann man dann sagen, Schwule sind auch deshalb nicht erwünscht, weil sie keinen Nachwuchs produzieren.

• Schmeißner: Das ist das mechnistische Prinzip.

Spaß ist nicht erlaubt. Es geht nicht um Reproduktion, sondern um Lust und Begehren.

• Schmeißner: Der Ausspruch von Eduard Mainoni (Anm.: FPÖ), daß Homosexualität wie Rauschgift ist, entspricht in etwa auch dem Bild, das sich viele von Homosexualität machen. Ich würde es vielleicht ganz gerne genießen, aber ich tu es nicht. Ich bleibe abstinent. Noch etwas scheint mir wichtig: Im Zusammenhang mit dem Bedrohungsszenarium, daß jemand zur Homosexualität verführt werden könnte, wird in jüngster Zeit immer wieder Schwulsein mit Pädophilie gleichgesetzt. Da gab es beispielsweise den Vorwurf vom Krenn, warum sich Schwule wegen Groer aufregen. Das Thema sexuelle Abhängigkeit durch autoritäre Machtverhältnisse wird dabei kaum angesprochen.

Welche Erfahrungen habt ihr mit Leuten und Institutionen, die sich als links von der Mitte, aufgeschlossen, liberal und tolerant definieren?

• Schmeißner: Ich erinnere mich an eine Begegnung mit einem sogenannten guten Menschen: Wir haben zusammen Theater gespielt. Wir haben uns gefreut, wenn wir gut gespielt haben. Dann ist mir der Mann immer wieder einmal vor Freude um den Hals gefallen. Dann, als er erfahren hat, daß ich schwul bin, hat er gemeint, ich sei ein toller Schwuler, weil ich ihn nicht anmache. Jetzt meide ich den Kontakt zu ihm um jeden Preis. Ich bin für ihn der Schwule und es gibt für ihn sonst kein Thema. Es ging immer um dasselbe Thema, daß ich ihn nicht anbrate. Ich bin froh, wenn ich Leute treffe, die nicht wissen, daß ich schwul bin. Und bei den Institutionen: In der ARGE haben wir jedes Jahr das HOSI-Fest. Das wird dort ganz gut aufgenommen. Und 1989 hatten wir eine Ausstellung zu Homosexualität und Nationalsozialismus...

Wir danken für das Gespräch.