mai 1998

Thomas Neuhold
geschaut

Weltkultur-Erbe / Salzburgs Zwergerl waren beim Doktor

Weltkultur-Erbe

Als »Installationen von zeitgenössischen Künstlern wider die Postkarten-Ansicht« pries die Stadt:Zeitung im August letzten Jahres das Projekt von Stadtkino-Manager Peter Baldinger an. Der verzierte mit zwölf kritischen Zitaten prominenter Dichter und Denker die »oberflächliche Schönheit« unserer Stadt. Um genau zu sein, wollte Baldinger dies. Doch wie so oft in unserer kulturverliebten, aber kritikscheuen Stadt funkte ihm jemand dazwischen. Denn als er seine »Fußnote« vor dem Magistrat auf den Asphalt plaziert hatte, befand man im Schloß Mirabell, daß das Zitat nicht gar so passend sei und daher verschwinden müsse. Warum die Aufregung? Der kecke Sprayer hatte ausgerechnet ein Zitat vom ehemaligen Bürgerlisten-Stadtrat Johannes Voggenhuber (aus seinem Buch »Berichte an den Souverän«) ausgewählt. »Ein Aufstand der Verwaltung zur Rettung der Stadt ist nicht zu erwarten« stand am Gehsteig vor dem Gebäude, das die Spitzen von Politik und Stadtverwaltung beherbergt, zu lesen. Allerdings nicht lange. Denn bereits am nächsten Morgen hatten eifrige Menschen das Zitat überpinselt. Das hätten sie vielleicht lieber nicht tun sollen. Denn während der berüchtigte Salzburger Schnürlregen das bißchen Eis und Schnee des letzten Winters und die Straßenreinigung die restlichen elf Zitate schon längst unleserlich gemacht haben, tritt der Voggenhuber-Satz jetzt schön langsam ans Tageslicht. Der Künstler selbst ist über diese späte Gerechtigkeit der Natur logischerweise hoch erfreut. Er selbst hat nach der Überpinselung einen, wie er selbst sagt, »massigen« Schriftverkehr mit sämtlichen auch nur irgendwie zuständigen Verwaltungsbeamten geführt und hegt den Verdacht, daß der Magistratsdirektor selber die Übermal-Anordnung gegeben habe. Doch mittlerweile sieht Baldinger die Aktion sehr nüchtern und berichtet auch von anderen »Ausbesserungsarbeiten«. So veränderten etwa am Mozartplatz besorgte SalzburgerInnen das Mozart-Zitat »Ich will von Salzburg nichts mehr wissen« stets zu Gunsten der Stadt, indem sie das Wörtchen »nichts« unleserlich machten. Weltkultur-Erbe eben.

Salzburgs Zwergerl waren beim Doktor

Sie sind zwar nicht ganz so prominent, gehören aber dennoch zu Salzburg, wie die Festung, Wolferl Mozart und der Schnürlregen: Die barocken Zwerge, die im Zwerglgarten vom Schloß Mirabell beziehungsweise im Schloßpark Hellbrunn herumstehen. Da die vielen kleinen Gnome, die auf eine Idee von Fischer von Erlach zurückgehen, aus Untersberger Marmor schon etwas in die Jahre gekommen sind und zudem der eine oder andere »Kurpfuscher« abgeschlagene Ecken und Kanten brutal mit Polyester zugespachtelt hatte, entschlossen sich die zuständigen Behörden (das sind eine ganze Menge: Gartenamt, Landeskonservator, Bundesdenkmalamt,...) die lustigen Gesellen zum Schönheitschirugen zu schicken.

Dieser - namentlich der Wiener Restaurator und akademische Bildhauer Klaus Wedenig - stellte dann auch gleich eine alles andere als schmeichelhafte »Diagnose«: »Stark verschmutzt und versintert, gesamte Oberfläche mit Moos, Algen und Flechten bedeckt. Zahlreiche in Material und Farbe unpassende Epoxidharz- und Polyesterkittungen, teilweise stark aufgewitterte Steinoberfläche...«, heißt es beispielsweise im Befund des Zwerges mit Huhn (um 1715). Das Leben hinterläßt eben seine Spuren.

Also begann der »Zwergendoktor« mit der Schönheitsoperation: Mit Bioziden ging’s gegen das Moos, die rostigen Eisenverklammerungen wurden herausoperiert und durch Nirostaarmierungen ersetzt, Risse wurden verpreßt... und vieles mehr. Zum Schluß gab’s noch etwas Patina als Schminke und schon waren die Kobolde um ein paar ein bis zwei Jahrhunderte jünger.

Mit den Zwergen ist man vorerst soweit fertig. Nun stehen mit den vier Raptusgruppen im Mirabellgarten etwas größere Brocken am Plan der Schönheitschirurgen, wie der Leiter des Stadtgartenamtes, Wolfgang Saiko, dem »kunstfehler« erzählte. »Herkules bezwingt Antäus« erstrahlt bereits wieder in neuer/alter Schönheit, die drei weiteren Gruppen sollen bis zum Jahr 2000 fertiggestellt sein; Kostenpunkt: rund 600.000 Schilling. (Fortsetzung folgt.)