mai 1998

Stefan Jacob

Diagonale - ein österreichisches Filmfest

24. bis 29. März 1998 zum ersten Mal in Graz

Daß es in diesem unserem Land nicht leicht ist, ein nationales Filmfestival zu veranstalten, hat die Vergangenheit eindringlich bewiesen. Als im Jahr 1992 ein neuer Anlauf genommen wurde, den österreichischen Film einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren, kam man auf den Titel »Landvermessung«. Diese Filmreihe wurde quer durch Österreich transportiert und gezeigt. In der Folge kam man auf die Idee, aus dieser Schau ein österreichisches Filmfestival entstehen zu lassen mit dem neuen Namen: »DIAGONALE«.

Sollte es jedoch so weitergehen mit dem österreichischen Filmfestival wie bisher, könnte man wohl auch die wechselnden Orte langsam als eine Diagonale des österreichischen Filmfestivals begreifen.

Erste Station: 1977 Velden am Wörthersee findet nur einmal statt (Termin September-Oktober). Von 1978 bis 1982 folgt - in Anlehnung an Helmut Qualtinger (»Simmering - Kapfenberg, des is Brutalität«) - Kapfenberg (Termin: November, Oktober, September). Doch Kapfenberg hielt nicht lange durch. Nach Kapfenberg Pause. Ein neues Konzept wird erarbeitet, verschiedene Städte waren im Gespräch, unter anderem damals bereits Salzburg und Graz. Den Zuschlag erhielt jedoch die sich ein neues Image geben wollende Kleinstadt Wels. Die »Österreichischen Filmtage« in Wels starteten 1984 (Termin Oktober). Nach den ersten vier Jahren gab es bereits Probleme, Zwistigkeiten zwischen Regisseuren, Produzenten und Festivalleitung. Meinungsverschiedenheiten. Manche konnten kaum mehr miteinander reden. Produzenten und Regisseure boykottierten das Festival mit Filmverweigerung, viele waren der Meinung in Wels solle man überhaupt keinen österreichischen Film starten, er würde dort von den Kritikern bereits im Vorfeld zerfleischt und somit für das Kino kaputt gemacht. Abgesehen davon, daß es eine seriöse Filmkritik in Österreich kaum gibt, haben manche heimischen »Filmkritiker« der großen Boulevardblätter mit ihrer »Sternderl-Bewertungs-Kritik« viele gute österreichische Filmproduktionen im wahrsten Sinn des Wortes »hingerichtet«. So fristete Wels am Ende nur mehr ein bescheidenes Dasein. Vom zuständigen Bundesminister Rudolf Scholten wurde das Festival dann endgültig abgeschossen, mit dem Argument, Wels sei eine »braune Stadt« und daher als Veranstaltungsort in Frage zu stellen. Der Minister verweigerte Geld und Anwesenheit. Offensichtlich hatte der damalige Nachdenkprozeß acht Jahre gebraucht, um dies festzustellen.

Obligate Pause. Nachdenken. Wieder ein neues Konzept: »DIAGONALE - Festival des österreichischen Films«. Neuer Veranstaltungsort Salzburg (Termin Dezember).

Salzburg schafft es von 1993 bis 1995 genau dreimal. Pause. Wiederum wurde Unzufriedenheit breitgetreten. Der Minister zog sein Wohlwollen zurück, man überlegte wiederum neu, blieb allerdings beim gleichen Namen, änderte das Konzept ein wenig und beschloß, in eine andere Stadt zu gehen. Standort Nummer 5: Graz. Neuer Termin: Frühjahr (März).

Mit den beiden Intendanten der neuen DIAGONALE Constantin Wulff und Christine Dollhofer ist es gelungen, ein solides Festival auf die Beine zu stellen. Sie haben darauf geachtet - im Gegensatz zu den Veranstaltern in Salzburg - das Publikum anzusprechen und dieses ist gekommen.

Das kulturpolitische Klima in Graz präsentierte sich kompetent, neugierig, offen und interessiert (übrigens hat Graz und das Land Steiermark das Festival mit einer doppelt so hohen Summe als die »Kulturstadt« Salzburg unterstützt). Kurz gefaßt: in Salzburg geduldet, in Graz willkommen!

Immer wieder erstaunt kann man darüber sein, wieviel sich österreichische Kulturschaffende von Bundeskanzler Viktor Klima und seiner »Chefsache Kultur« gefallen lassen. In Vertretung des Ministers kam zur Eröffnung sein Statthalter, Kalmierer, Beruhiger, Staatssekretär Peter Wittmann. Eine derartig ambitionslose, lapidare, schnoddrige und heruntergewurstelte Rede zur Eröffnung hat das Kulturpublikum wohl seit langem nicht mehr gehört.

Klima und sein Adlatus Wittmann interessieren sich scheinbar nur für die Großen (siehe Bundestheater) und setzen auf oberflächliche Events - »wie der Wind halt so bläst« - gelinde kann man sie für alle mittleren und kleinen Kulturstätten als Strukturruinierer bezeichnen. Einen inkompetenteren Auftritt hätte sich Wittmann bei seiner Renommierveranstaltung, die dem Bund für fünf Tage immerhin ca. 10 Mio Schilling wert ist, gar nicht leisten können.

Die daran anschließende Tournee dieses Festivals, die inhaltlich als vielleicht wichtiger als das Festival selbst angesehen werden muß, kostet um ca. eine halbe Million Schilling mehr, als die fünf Programmkinos in Tirol, Salzburg, Kärnten, Oberösterreich, Steiermark zusammen jährlich vom Bund erhalten. Es wird überhaupt kein Augenmerk auf die Kinostruktur gelegt und jene Kinos benachteiligt, die seit Jahren die Filmkultur in Österreich hochhalten, sich für den österreichischen Film einsetzen, ihn spielen. Die Programm-Kinos zeigen 85% der in Österreich produzierten Kinofilme mit immerhin ca. 100.000 BesucherInnen.

Lediglich die Installation eines österreichischen Filmfestivals als Prestigeobjekt erscheint zuwenig, wenn in der Folge nicht auch mehr an die Struktur gedacht wird. Die Logik, daß Produktion, Startförderung für Filme und eine intakte Kinostruktur Hand in Hand gehen, scheint noch immer als Denkaufgabe für unsere höchsten Kulturpolitiker zu schwierig. Daß Innsbruck eine adäquate Spielstelle wie das Salzburger DAS KINO bekommt , hängt momentan am Bund. Mickrige 2 Mio. Schilling ist dem Bund diese für die nächsten 10 Kinojahre so wichtige Investition bis dato wert. 5 Mio. würde man brauchen. Nur ans Produzieren zu denken und nicht ans Abspielen erscheint wahrlich ziemlich dumm.

Dabei hat auch dieses Festival wieder bewiesen, daß einige österreichische Filmemacher sowohl künstlerisch als auch kommerziell erfolgreich sein können. Florian Flicker mit seinem Spielfilm »Suzie Washington«, der bemerkenswerte Film von Stefan Ruzowitzky »Die Siebtelbauern«. Darüber hinaus muß dem österreichischen Dokumentarfilm ein ausgezeichnetes Zeugnis ausgestellt werden. Viele dieser Produktionen werden international auf Festivals eingeladen, können dort reüssieren und sind immer im Spitzenfeld des Publikumsinteresses zu finden.