mai 1998

Thomas Randisek

Anatomie des Boulevard

Mit einem schlecht recherchierten Artikel düpieren die SN die Kulturszene

Ach ja, die bösen Kulturschaffenden können den Rachen nicht vollbekommen. Schon gar nicht, wenn die Salzburger Nachrichten auf Boulevardkurs gehen. Bernhard Strobl, Redakteur des SN-Appendix »Salzburger«, ließ seiner Kleinbürgerwut freien Lauf und gab sein Bestes.

Anlaß war die Überschuldung des Kleinen Theaters, die Bernhard Strobl rabiat werden ließ, um sogleich über die Elisabethbühne herzuziehen. Die Zahlen zur E-Bühne sind erwiesenermaßen falsch, trotzdem, so die Conclusio, bei so viel Verschwendung helfe nur mehr der Amateurstatus - oder gleich zusperren. Die Amateurtheater am Land Salzburg würden »ohne Aufwand für feste Spielhäuser, fixe berufliche Ensembles, teure Ausstattungen und Büros« ohne »Subvention« auskommen. Gemeint ist, daß das in der Stadt auch möglich sein müßte. Eine eigenwillige Form von Interpretation, Klassifizierung und Ausspielung: Hier das Land, wo Amateurtheater ohne »Subvention« auskommen, da die Theatermacher in der Stadt, die nie genug bekommen können. Strobl will die schlimmsten Kleinbürgerängste mit unseriöser Recherche: Öffentliche Gelder werden im übelsten Ausmaß verschwendet, 40 und mehr Telefone für ein Theater, alle Druckwerke auf teurem Hochglanzpapier, dubiose »Kellerleichen« (als neuer Ausdruck für nicht ausbezahlte Förderungen), angeblich horrende Steigerungsraten bei den »Subventionen« und der dezente Hinweis, wenn die Kulturschaffenden mit den von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellten Mitteln nicht zurechtkämen, »sollen sie lieber zusperren«. Zur Untermauerung ein Kasten mit den öffentlichen Förderungen an die freien städtischen Bühnen - die sind wohl alle potentielle und hinterlistige Förderhinterzieher. Keine Rede von den jahrelangen rückläufigen Förderungen für die freie Kulturarbeit. Herrgott hilf, so die Strobl-Diagnose, denn der Wunsch nach Subventionen scheint uferlos. Denn die Gesellschaft hat verlernt, in Finanzfragen die Notbremse zu ziehen. Gemeint sind wohl die Kultursubventionen, nicht die Presseförderung. Bernhard Strobl, der den Bühnen nichtexistente »teure Hochglanzmagazine« vorwirft, ist im übrigen auch für die Theaterzeitung der Salzburger Nachrichten zuständig. Ein Projekt, bei dem die öffentlich geförderten SN kräftig bei den öffentlich geförderten Kulturstätten abschöpften. Noch unentdeckte Verschwenderei?

Natürlich muß sich ein publizistischer Platzhirsch wie die Salzburger Nachrichten für Diffamierungen und Lügen nicht entschuldigen - die haus-eigene seriöse Kulturredaktion mußte zur schnellen Eingreiftruppe umfunktioniert werden und das dünne Stroblsüppchen auslöffeln. Gefallen gefunden an solcherart Boulevardjournalis- mus haben auch die Kulturverantwortlichen und politischen Parteien. Einzig die Bürgerliste fand solcherart Berichterstattung zum Kotzen und äußerte sich in einem Leserbrief. Ja, die Welt des Bernhard Strobl ist eine kleine und wohlgeordnete mit Guten und den vermeintlich Bösen. Das Kleinformat ist da das richtige.