mai 1998

Thomas Neuhold

Ein Stück Demokratie

Die »Wehrmachtsausstellung« mobilisierte das demokratische Salzburg

Die Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht« - im problematischen, da verharmlosenden, Kurztitel »Wehrmachtsausstellung« genannt, wurde in Salzburg zu einem gewaltigen Erfolg. Rund 20.000 BesucherInnen kamen ins Stadtkino. Auch für jene, die der dem »Dialog«-Konzept der AusstellungsinitiatorInnen vom Salzburger Verein »Erinnern!« skeptisch gegenüberstanden (und stehen), wurde die Ausstellung so zum deutlichen Lebenszeichen eines Stücks demokratischen Österreich.

Helga Embacher, stellvertretende Vorsitzende des Vereins »Erinnern!« bedankte sich bei der Abschlußkonferenz wohl zu Recht bei VP-Landeshauptmann Franz Schausberger, Landtagspräsident Helmut Schreiner, Bürgermeister Josef Dechant und der »Kronen Zeitung«, deren Kampagne gegen die Ausstellung nicht nur BesucherInnen scharenweise ins Stadtkino trieb, sondern auch finanziell mehr brachte als jeder Spendenaufruf.

Wie teifgreifend diese »zivilgesellschaftliche Mobilisierung« reichte, zeigte sich an den gelungenen Fernsehdiskussionen im ORF-»Treffpunkt Salzburg«. Ob der Dummheit und ob der Borniertheit der GegnerInnen kam selbst den ModeratorInnen öfters ihre antrainierte »Neutralität« abhanden und sie ergriffen offen Partei für die Ziele der Austellung.

Debakel für die Gegner

Die im Stadtkino erfolgte »Abstimmung mit den Füßen« geriet für die Gegner zum Debakel. Angeschlagen ist insbesondere Landeshauptmann Schausberger. Er hat sich nicht nur seine Reputation als Historiker und Wissenschafter auf Jahre hinweg vertan, sondern auch seine Rolle als Landeshauptmann arg beschädigt. Schausberger - eigentlich ein taktisch erfahrener Berufspolitiker - beging einen grundsätzlichen Fehler: Anstatt als »Landeshauptmann für alle SalzburgerInnen« moderierend über den Dingen zu stehen und die Gegenkampagne seinen Parteifunktionären zu überlassen, agierte er wie einst als Klubobmann und signalisierte so, daß für ihn Ideologie und Partei über allem steht.

Moralisch ramponiert ist auch VP-Bürgermeister Josef Dechant. Die skandalöse Weigerung der Stadt, auf die 40.000 Schilling Vergnügungs(!)-Steuer zu verzichten, löste österreichweit Empörung und Kopfschütteln ob soviel Geschmacklosigkeit aus.

Politische Gewinner

Politischer Gewinner der Auseinandersetzungen um die Wehrmachtsausstellung sind die Salzburger Sozialdemokraten. Zwar habe sich die Stadt-SPÖ auffällig zurückgehalten, wie Embacher bei der Abschlußpressekonferenz kritisch anmerkte, aber gerade das starke und vorbehaltlose Engagement des Zweiten Landtagspräsidenten Walter Thaler hat sicherlich auch jene beeindruckt, die allen Sozialdemokraten schon jegliche moralische Aufrichtigkeit abgesprochen haben. Thaler hat damit seinen GenossInnen bewiesen, daß demokratische Geradlinigkeit, die nicht immer auf jede erdenkliche WählerInnenstimme zielt, Erfolg bringen kann.

Eine optimistische Prognose

Der »zivilgesellschaftliche« Schwung, der rund um die aggressiven Attacken gegen die Ausstellung entstanden ist, hat GegnerInnen wie BefürworterInnen gleichermaßen überrascht. Die Aufarbeitung eines Stücks Vergangenheit hat in Salzburg zu einer ungeahnten Mobilisierung geführt. Auch wenn sich der Verein »Erinnern!« in den nächsten Wochen oder Monaten auflösen wird, und damit das unmittelbare organisatorische Gerüst ebenso wie die Ausstellung als Anlaß wegfällt, wird der entstandene Schwung nicht sofort versanden. Zumindest für die nächste Zeit ist zu hoffen, daß sich nach den Erfahrungen der letzten Monate wieder mehr Menschen in die gesellschaftliche Auseinandersetzung einschalten. Daß im Wahlkampf für das Megawahljahr 1999 wieder versucht wird, mit dumpfen Ressentiments gegen AusländerInnen oder sozial Schwächere zu punkten, ist sicher nicht zu verhindern. Vielleicht nimmt aber nach dem Erfolg der Wehrmachtsausstellung die Zahl jener zu, die nicht länger dazu schweigen.