juni 1998

Didi Neidhart
gehört

VARIOUS ARTISTS: Down & Out - The Sad Soul Of The Black South

(Trikont/Hoanzl)

Soul bedeutet Erlösung. Von privater, wirtschaftlicher und sozialer Misere. Oder zumindest Glaube an Erlösung. Denn nur wer sich ohne Rücksicht auf Verluste und mit geradezu religiöser Leidenschaft und Entzückung auf die dornenreichen Pfade einer real existierenden Via Dolorosa einläßt, kann dereinst auf ein Himmelreich hoffen. Welches sich notgedrungen jedoch nicht erst im Jenseits zu manifestieren hat. Auch das belegt der Rare Southern Soul-Sampler »Down & Out« mit schonungslos (sozial-)realistischem Nachdruck (»Crying In The Streets«, »Ghetto Child«). Denn der Weg von der Gospel-Kirche auf die Straße erschöpft sich nicht nur im Wechsel von »Lord« zu »Baby« (was gleichzeitig aber auch eine der Geburtsstunden der Popmusik bedeutet) und muß auch nicht zwangsläufig im geschleckten, großteils entpolitisierten Mainstream-R&B/Soul aktueller Prägung stecken bleiben. Dagegen präsentiert »Down & Out« Klassetracks von kleinen, unabhängigen Plattenfirmen. Stimmen der Extase, die »Down On Bended Knees« bis zur letzten »Love Don't Love Nobody«-Konsequenz gehen und dabei die soultypische Verknüpfung der Erotik des Sakralen mit dem Sakralen der Erotik in als Soulsongs getarnten öffentliche Beichten bis weit über jegliche Schmerzgrenzen treiben. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Etwa wenn die von ihrem »Lover« verlassene Ede Robin jegliche Hoffnungen fahren läßt (»He's gone/I'm all alone/With this razor in my hand/I'll remove my own veins/And no one is around/While I make this cut/Lord I'm Bleeding«), O.V. Wright Verdammnis und Erlösung durcheinanderbringt (»I wanna die/I wann go to heaven/But I'm scared to fly«), die Aufriß-Stories von Spezln solange lässig sind, bis sich der eigene Ehepartner als aktuellster One-Night-Stand herausstellt, man dem vermeintlichen Hausfreund in den eigenen, hart erarbeiteten neuen Schuhen auf der Straße begegnet oder sich Männer nach einem kurzen »Heartbreaker, Childmaker«-Gastspiel jeglicher Verantwortung durch Abhauen entledigen. Quälende Höllenfeuer, gegen die mitunter nicht einmal funky Soul Food hilft. Oder wie sollte Dicky Williams' schmerzhaft-detaillierter Ohrenzeugenbericht (»In the same motel/I didn't know I was next door to my woman/Till I heard her yell/With another man from the room next door/The wall was so thin/That I heard everything«) auch anders genannt werden? Beste Soul-CD der Saison!