juni 1998

Pilar Cabanas
gelesen

Zum 100. Geburtstag von Federico Garcia Lorca

1998 treffen verschiedene Hundertjahr-Jubiläen, die im kulturellen Kontext Europas eine wichtige Rolle spielen, zusammen. Im Fall Spaniens ist das bedeutendste Jubiläum zweifelsohne Federico García Lorcas hundertster Geburtstag. Ihn zu feiern kann nicht als Möglichkeit der Wiederentdeckung dieses Autors verstanden werden, denn seine Person ist in all diesen Jahren niemals in Vergessenheit geraten, wenn auch aufgrund der historischen Gegebenheiten der spanischen Gesellschaft durch Jahrzehnte hindurch die Tendenz bestand, ein bruchstückhaftes und eingeschränktes Bild von ihm zu vermitteln und man sich auch heute dieser Gefahr nur schwer entziehen kann. Das Interessante an diesem Lorca-Jubiläum besteht darin, die Aktualität der wohl emblematischsten Figur der spanischen Literatur dieses Jahrhunderts, das sich nun seinem Ende neigt, noch einmal hervorzukehren und von einer völlig veränderten Perspektive aus zu betrachten, nach so vielen Jahren, in denen sich politische und ästhetische Ansichten so sehr gewandelt haben.

Die Ermordung Federicos (1936) machte aus dem Autor ein archetypisches Opfer des Faschismus, und er wurde zu einer Ikone der intellektuellen Linken hochstilisiert, was zweifelsohne nicht unwesentlich dazu beigetragen hat, daß Lorca als der berühmteste spanische Autor dieses Jahrhunderts gilt. Dennoch rühren sein Bekanntheitsgrad und sein Prestige von Faktoren her, die sowohl auf die Person Lorcas als auch sein zutiefst spanisches wie radikal universelles Werk zurückgehen. Die Wurzeln seines lyrischen und dramatischen Werkes liegen tief verankert in einem uralten Primitivismus, der über die reine Tradition seines Landes hinausgeht und das eigentliche Geheimnis und die Ausdruckskraft seiner literarischen Sprache ausmacht. Darüber hinaus charakterisieren sein Werk zahlreiche Referenzen aus Kunst und Literatur, und sein Schöpfergeist denkt die Postulate und technischen Neuerungen der Vanguardia bis zur letzten Konsequenz zu Ende. In dieser Hinsicht hebt sich Federico durch die Virtuosität seines Werkes und die Verwendung einer beeindruckenden Vielfalt von Metaphern, Bildern und Symbolen, die noch heute das Interesse der Leser und Hispanisten weltweit erwecken, von den restlichen Mitgliedern der Generation von 1927 ab - unter ihnen Guillén, Alberti, Salinas, Cernuda oder Aleixandre, um nur einige zu nennen. Sein unerschöpfliches Repertoire an Kunstgriffen kontrastiert auf überraschende Weise mit der relativen Begrenztheit seines thematischen Universums, gestützt auf die Eckpfeiler der Liebe, der Enttäuschung, des Todes und einer heterodoxen Metaphysik, in der sexuelle, politische und religiöse Fragen verschiedener Art Platz finden.

100 Jahre Federico García Lorca?

• Weil er als Dichter und Dramatiker zu den größten Namen aller Zeiten zählt und uns seine Gedichte und Stücke noch immer mitreißen und uns überraschen durch die ausgeprägte Anschaulichkeit, mit der in ihnen Leben und Tod erfaßt werden, und die Ausdruckskraft, die durch den Einsatz dichterischer und dramaturgischer Techniken und Mittel von absoluter und radikaler Modernität erzielt wird.

•Weil Federico Literatur und Engagement in einer sehr komplexen und unwiderstehlich attraktiven Persönlichkeit vereint.

• Weil wir, wenn wir ihn lesen, seine Stimme durch eine der archetypischen und innerlich aufbegehrenden Figuren seiner Bühnenstücke hören oder ihn auf einer der Fotografien betrachten, uns unweigerlich wünschen, man hätte ihn diese hundert Jahre, die seit seiner Geburt vergangen sind, leben lassen, damit wir mit ihm diesen runden, freudigen und traurigen Geburtstag begehen könnten, den wir jetzt feiern, ohne recht zu wissen, wie Federico war und was aus ihm geworden wäre.

Pilar Cabañas

Weil ich nicht Poet, nicht Mensch, nicht Blatt bin, sondern ein verletzter Puls, der an die Dinge aus der anderen Seite rührt. (Federico Garcia Lorca)

Am Do., den 4. Juni veranstaltet die ARGE einen Abend zu Garcia Lorca, u. a. mit Pilar Cabañas, Gerhard Dorfer, Angela Hannappi, Gerhard Kofler, Alfred Pahola, Gerhard Peilstein, Hanne Rohrer, Robert Schindel, Peter Scholz...