juni 1998

Peter Pilz

Pakttreu und Neutral

Peter Pilz über das »Jein« der SPÖ zum Nato-Beitritt Österreichs

Heinz Fischer ist Nationalratspräsident und dagegen, Hannes Swoboda Klubobmann im Europaparlament und dafür, Peter Kostelka Klubobmann im Nationalrat und dagegen, Josef Cap ist Josef Cap und dafür. An der Spitze der Partei steht Viktor Klima, und der ist dagegen. Die SPÖ, so scheint es, ist wieder einmal auf klarem Kurs nach irgendwo. Aber immerhin, mit Fischer, Kostelka und Klima haben sich die drei Spitzen der SPÖ entschieden: gegen NATO und für die Neutralität.

Wenn Heinz Fischer, Peter Kostelka und Viktor Klima eindeutig und ohne wenn und aber Position beziehen, lohnt es sich, genauer hinzusehen. Mit größerer Nähe wird das Bild immer verschwommener. Peter Kostelka schließt den NATO Beitritt »mittelfristig« aus. Heinz Fischer ist »unter den gegebenen Umständen« dagegen. Und Viktor Klima will »derzeit« nicht dazu. Aber was passiert, wenn »mittelfristig« und »derzeit« vorbei sind und sich die »gegebenen Umstände« geändert haben?

Das sozialdemokratische Bekenntnis zur Neutralität ist vor allem ein Bekenntnis zu Meinungsumfragen. Die Mehrheiten für das NEIN zur NATO schwanken zwischen groß und überwältigend. Die SPÖ schwankt mit.

Ich kann mich noch gut an den zweiten Golfkrieg erinnern. Die USA hatten gerade ihren Techno-Blitzkrieg gegen den Irak begonnen. Österreich war immer noch immerwährend neutral. Die NATO suchte um Überflugsgenehmigungen für ihre Geschwader und um Durchführerlaubnis für ihre Panzer an. Die österreichische Regierung ließ sich nicht lange bitten und sagte zu. Erst zwei Wochen später dämmerte Franz Vranitzky und seinen immerwährend neutralen Regierungskollegen nach den ersten Protesten, daß es zwei Probleme gab: das Neutralitätsgesetz und das Kriegsmaterialiengesetz. Beide ließen keinen Zweifel zu: Überflüge und Durchfuhr waren gesetzeswidrig.

Nachdem die Neutralität so ein Loch erhalten hatte, wurde sie zum Emmentaler erklärt. Der Nationalrat wurde veranlaßt, die Löcher mit Mehrheit zu Gesetzesnovellen zu machen. Zwei Abstimm- ungen, und die Regierung war aus dem Schneider. Der Golfkrieg war der überraschende Anlaß, von der Neutralität die erste Scheibe abzuschneiden.

Der Anlaßgesetzgebung folgten weitere immerwährende Bekenntnisse. Wer heute das Dokument »Individual Partnership Programme between the North Atlantic Treaty Organisation and the Republic of Austria for 1997 - 1999« in den Händen hält, kann sich ein Bild über ihren Wert machen. Österreich ist heute Mitglied der Partnership for Peace(PfP) - und damit im Hinterzimmer der NATO.

Partnership for Peace:

• Übernahme der NATO-Terminologie, der Prozeduren und Mechanismen

• Koordination der zivilen und militärischen Luftraumüberwachung zwischen Österreich und der NATO

• NATO-Übungen in Österreich

• Konsultationspflicht in der militärischen Budgetplanung

• Anpassung an NATO-Standards in Ausrüstung und Bewaffnung

• Ausbildung österreichischer Offiziere in NATO-multinational headquarters

Für sozialdemokratische Sicherheitspolitiker ist die PfP ein Idealzustand. Nur so kann man im Ausland pakttreu und zu Hause neutral sein. Während ÖVP, FPÖ und LIF längst eigene Paktstrategien verfolgen, versucht die SPÖ, es jedem recht zu machen. Das Kanzlerlachen gilt NATO-Militärs ebenso wie den alten antimilitaristischen Kernen der Partei.

Opportunismus ist das aktuelle Motiv der sozialdemokratischen Vieldeutigkeit. Ihre Wurzel liegt dagegen wie meist in einem erstaunlichen Mangel an Ideen, Konzepten und Perspektiven. Der Kern rein militärischer Sicherheitspolitik besteht immer aus Heer und Block. Weitergehende, das rein Militärische überwindende Konzepte sind in ihrem Kern nicht militärisch, sondern außenpolitisch. Der Erfolg der aktiven Neutralitätspolitik von Bruno Kreisky gründet gerade in dem Umstand, daß sie Resultat einer durchdachten und engagierten Außenpolitik war. Das allianzfreie, kleine und niemanden bedrohende Österreich bot seine guten Dienste dort an, wo der Krieg gerade vorbei oder noch nicht begonnen war. Zumindest im Nahen Osten hat Österreich damit Geschichte geschrieben. Bruno Kreisky ist als vorläufig letzter sozialdemokratischer Außenpolitiker auch ihr letzter Sicherheitspolitiker von Format geblieben. Wo Kreisky Engagement zeigte, signalisieren seine Nachfolger Anlehnungsbedürfnis.

Unter Wolfgang Schüssel ist Österreichs Außenpolitik endgültig auf den Hund gekommen. Für konservative Sicherheitskonzepte ist das ohne Bedeutung. Vom Ballast jeder außenpolitischen Rolle befreit ,läßt es sich unbeschwerter in den Pakt drängeln. Die SPÖ setzt dem außer Verzögerung nichts entgegen.

Wahrscheinlich ist es kurzfristig einfach, mit der ÖVP die Auseinandersetzung über den NATO-Beitritt zu führen. Kaum jemand glaubt, daß Schüssel, Khol und Haider in den nächsten Jahren eine Volksabstimmung gewinnen können. Die Auseinandersetzung mit dem sozialdemokratischen »Jein« wird aber darüber entscheiden, ob Österreich jenseits der Blöcke eine Alternative entwickelt, die für Europa attraktiv werden kann. Wir haben dazu unsere Grüne Option vorgelegt. Ist ja schön, wenn Grüne einmal mehrheitsfähig sind...