juni 1998

Harald Friedl

Von und mit Elfriede Jelinek

Die Dichterin zu Gast in Salzburg

»Meine Sache ist nicht die positive Utopie, das, was sein könnte, sondern das Schlechte, das ist, aufzuzeigen und eine gewisse Wut und Leidenschaft auch beim Leser hervorzurufen.« (Elfriede Jelinek)

Eine der spannendsten Persönlichkeiten der deutschsprachigen Literatur ist diesen Sommer in Salzburg: Elfriede Jelinek. Die Dichterin, die sich durch ihre aggressiven Sprachkunstwerke internationalen Ruhm und durch ihre kontroversiellen Wortmeldungen zur Befindlichkeit Österreichs nationale Haßtiraden eingetragen hat, ist auf Initiative von Schauspieldirektor Ivan Nagel als »Dichterin zu Gast« bei den Salzburger Festspielen.

Der Auftakt zur Jelinek-Reihe erfolgt im Landestheater: Therese Affolter, Annemarie Düringer, Annette Paulmann, Ivan Nagel, George Tabori und Peter Turrini treten am 26. Juli auf zu einer Hommage.

Am 1. August folgt in der Elisabethbühne die Uraufführung ihres neuesten Stückes »er nicht als er«, einer Annäherung an den Schweizer Schriftsteller Robert Walser, der 1956 auf rätselhafte Weise zu Tode kam. Bei der insgesamt hochkarätig besetzten Aufführung führt der Schweizer Jossi Wieler Regie, dessen Inszenierung des Jelinekstückes »Wolken.Heim.« über hundertmal gelaufen ist.

Am 2. August wird zu einer »Reise durch Jelineks Kopf« geladen. Den ganzen Tag über präsentiert das Landestheater in sechs Räumen simultan KünstlerInnen und Werke, die Jelinek interessant und wichtig findet: Texte von Robert Walser, Mary Shelley, Friedrich Glauser, Marianne Fritz kommen unter anderem zur Aufführung. Aus eigenen Werken lesen Anselm Glück, Wolf Haas, Elfriede Gerstl, Neda Bei u.v.a. Gerhard Rühm spielt Klavier, Jelineks »Die Kinder der Toten« wird in Dauerlesung gebracht. An Horrorfilmen sind unter anderem »Near Dark« und »Night of the Living Dead« zu sehen.

Auch die vierteilige Lesungsreihe im Festspielprogramm wurde von Jelinek zusammengestellt: Georg Trakl, Werner Schwab, Paul Celan, Imre Kertez, Konrad Bayer, Sylvia Plath, Walter Serner und natürlich Robert Walser, um einige zu nennen, gelesen von Bruno Ganz, Martin Schwab, Hans-Michael Rehberg, Angela Winkler und Martin Wuttke.

Christa Gürtler vom »Literaturforum Leselampe« ist es zu danken, daß man sich gut vorbereitet auf diese Serie von Abenteuern einlassen kann. Am 16. Juni ab 15 Uhr bieten Elfriede Jelinek, die Dramaturginnen Rita Thiele und Brigitte Landes, die Germanistinnen Juliane Vogel, Christa Gürtler und Sigrid Schmid im Salzburger Literaturhaus eine Einführung in das poetische Konzept der Dichterin. Co-Veranstalter sind das Institut für Germanistik und die Jungen Freunde der Salzburger Festspiele.

Die Programmpunkte im Rahmen der Festspiele stellen nicht nur einen Querschnitt durch die Vorlieben von Elfriede Jelinek dar, sondern, mehr als die weitaus meisten von ihr verfaßten Werke, Äußerungen einer Daseinserfahrung, die um die Brüchigkeit all dessen weiß, was als selbstverständlich gilt. »Mir scheint an den Dichtern, die ich hier versammeln möchte, die Nichtsgewißheit das Gemeinsame zu sein«, schreibt Jelinek über das zusammengestellte Programm. Unbehauste, Fremde in dieser Welt führt sie als Personen, als Werke zusammen, Fremde auch sich selbst gegen-über.

Doch auch der unbehauste Robert Walser, auch die unbehauste Elfriede Jelinek suchen manchmal, zumindest über ihre Werke, den Austausch mit der Gesellschaft. Weil sie sich nicht einbinden, nicht verbinden, nicht verbünden wollen und können, bleibt ihnen nur der feine, verdeckte Spott, die Ironie, mit der sie das Unumstürzliche hinter dem Schein der Billigung lächerlich machen. Friede mit der Welt wollen solche Menschen nicht schließen. An den Bruchlinien der Existenz liegt ihre Wahl nicht im dumpfen Nihilismus, sondern in der weiteren Auseinandersetzung mit der Welt.

Dichterin zu Gast 98

Elfriede Jelinek

er nicht als er

(zu, mit Robert Walser)

Uraufführung

Regie Jossi Wieler

Premiere 1. August, 20.00 Uhr, Elisabethbühne

Weitere Vorstellungen am 4., 5., 7., 8., 11., 13., 15. August

Koproduktion mit dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg

Hommage an Elfriede Jelinek

Mit Therese Affolter / Annemarie Düringer / Markus Hinterhäuser/ Ivan Nagel / Annette Paulmann / George Tabori / Peter Turrini

26. Juli, Lamdestheater, 20 Uhr

Reise durch Jelineks Kopf

Lesungen / Filme / Musik /Performances / Modenschau und Szenen

2. August, Landestheater, 11-23 Uhr

Jelineks Wahl

Bruno Ganz liest Robert Walser und Friedrich Glauser

9. August, 20 Uhr

Martin Schwab liest Friedrich Hölderlin, Georg Trakl, Ernst Herbeck und Werner Schwab

16. August, 20 Uhr

Hans-Michael Rehberg liest Paul Celan, Imre Kertesz, Danilo Kis und Binjamin Wilkomirski

23. August, 20 Uhr

Angela Winkler und Martin Wuttke lesen Sylvia Plath, Unica Zürn, Walter Serner und Konrad Bayer

30.August, 20 Uhr