Gerard Mortier Salzburger Festspiele 1998
Zwischen dem sinnlichen Babylon
und dem ätherischen Jerusalem,
die Wanderschaft der Menschen,
bisweilen auf der Flucht,
ein andermal am Erobern -
der Streit zwischen Kain, dem Seßhaften
und Architekten,
und Abel, dem Nomaden und Poeten ...
Philipp II. und der heilige Franz von Assisi.
Die Siedlung - von Urbs zu Civitas -
ihre Gebote, Gesetze und Sehnsüchte,
der strenge Glaube an die Wohltaten
des Absolutismus,
die fanatische Verteidigung des Terrors,
den Menschenrechten zuliebe,
die ostinate Hoffnung auf brüderliche Freiheit;
die zynische Gleichschaltung der
Klassen durch Eros Pfeile,
das Diktat der kleinstädtischen Bürgermoral,
die Käuflichkeit aller Werte,
der Geldmangel als einziges Verbrechen,
das betäubende Parfum von Bildern aus
dem baldigen Jenseits.
Motive von Giotto und Sebastiao Salgado,
Fresken aus der Blütezeit des Mittelalters,
als Dante vom Inferno zum
Paradiso wanderte;
Bilder aus dem Spätkapitalismus,
die Dantes Divina Commedia neu in
Szene setzen.
Engel, die Dämonen werden könnten,
Arbeiter, die wie Engel musizieren.
Zentral: die niederschmetternde Kraft
des schutzlosen Bergarbeiters,
selbstbewußt wie eine Skulptur von
Michelangelo,
weil er auf seiner Würde als Mensch besteht...
Stillstand und Stille;
Nur Beethovens Trompete vermag
sie aufzulösen.
Der Versuch, das mit Festspielen
in Salzburg zu erzählen.