juni 1998

Thomas Neuhold

Näherungen

Im Salzburger »Volksheim« der KPÖ hing jahrelang (vielleicht immer noch?) ein Wandbild, mit dem ein - dem Autor unbekannter - Künstler die Herrschaftsverhältnisse an der Salzach symbolisieren wollte: Über Bürgerhäusern, Banken und Kirchen residiert Herbert von Karajan und dirigiert ein Orchester aus Banknoten. Tatsächlich haben die »Spiele der Reichen« immer sehr viel mit Herrschaft und noch mehr mit Herrschaftssymbolik zu tun gehabt.

Das Gemälde entstand wohl zu einer Zeit, als die freie und autonome Kulturszene um ihren Platz in der Stadt kämpfte. Die Opposition zu den Festspielen spielte dabei eine wichtige Rolle. Heute sind die so entstandenen kleinen und mittleren Kulturinitiativen und -einrichtungen aus dem kulturellen Leben der Stadt nicht mehr wegzudenken.

Gleichzeitig haben sich auch die Festspiele verändert. Brecht und Jelinek am Spielplan 1998 sind deutliches Zeichen dafür. Das kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, daß zwischen Festspielen und autonomen, freien Kulturstätten gravierende Unterschiede bestehen. Im Materiellen hat das Bild von der lecken Nußschale auf stürmischer See und einem gesetzlich abgesicherten Komfort auf den Oberdecks der MS Berlin immer noch seine Berechtigung. Zweifelsfrei ist auch das Verhältnis zu den wirtschaftlich und politisch Mächtigen nicht vergleichbar.

Dennoch: Einiges von dem, was unter der Leitung von Gerard Mortier im Festspielkalender Platz findet, hätte inhaltlich zweifelsfrei auch im Programm der Kulturstätten Platz. Der »kunstfehler« will versuchen, diesen Näherungen Rechnung zu tragen, und widmet den Festspielen 1998 in dieser Ausgabe breiten Raum. Dies auch, weil durch die pluralistischere Ausrichtung des Sommerfestivals dieses an künstlerischer Bedeutung und Gewicht gewonnen und nicht mehr nur dem Geld- und sonstigen Adel vorbehalten bleibt.