juni 1998

Brandmal Salzburg

Denkzeichen zur Erinnerung an die Salzburger Bücherverbrennung vom 30. 4. 1938

Auf dem Residenzplatz in Salzburg wurde am 30. April 1938 die einzige österreichische Nachhol- oder »Anschluß«-Bücherverbrennung inszeniert. In der Folge dieser Brandstiftungen wurden Synagogen, Städte und Menschen verbrannt. Die Erinnerung daran ist - nicht nur in Salzburg - sehr schwach; die systematische Vernichtung der von den Nazis verfemten Bücher und ganzer Bibliotheken ist ebensowenig bekannt und erforscht wie der Verbleib geraubter Literatur aus dem Besitz verjagter und ermordeter Juden.

Salzburg - schwarzer Fleck und weiße Weste

Einen schwarzen Fleck aus Ruß und Holzkohle richtete der Künstler Wolfram Kastner - fast unbemerkt von der Öffentlichkeit - auf dem Residenzplatz in Salzburg genau an der Stelle an, wo die Bücherverbrennung vor 60 Jahren stattgefunden hatte.

Etwa 100 Menschen hörten an-schließend Texte aus Büchern, die damals in Salzburg verbrannt wurden. Hanna Hiob (Tochter Bert Brechts) und Studierende der Hochschule für Musik und darstellende Kunst/Mozarteum lasen eine Stunde lang u. a. aus Werken von Vicki Baum, Alfred Kerr, Lion Feuchtwanger, Jakob Haringer, Heinrich Heine, Else Lasker-Schüler, Stefan Zweig und Bert Brecht.

Ein wenig mehr Resonanz hatten die AkteurInnen erhofft, aber offenbar will man in Salzburg - und nicht nur hier - von den dunklen Flecken der eigenen Geschichte lieber nicht viel sehen oder hören.

So war der dunkle Fleck auf dem Residenzplatz, der künstlich weißen Weste der Stadt, wenig später (über Nacht) mit großer Sorgfalt gesäubert und fast vollständig weggeputzt. Ein weißes Party-Zelt mit Getränkeverkauf erstrahlte am nächsten Morgen blütenweiß an der Stelle, wo noch am Abend zuvor ein häßliches Brandmal prangte.

Wolfram Kastner regt nun an, Licht auf den dunklen Flecken der Salzburger Geschichte zu werfen, und schlägt eine Lichtinstallation vor, mit der täglich (ab Einbruch der Dämmerung und auf Bewegung im Umkreis von 5 m hin) ein Lichtkreis auf die Brandstelle (20 sec.) und nach einer kurzen Pause ein Lichttext (deutsch/ englisch, 30 sec.) projiziert wird. Für diesen Vorschlag wirbt er um die Unterstützung von Schriftstellern, Verlegern, Bibliothekaren, Studenten, Wissenschaftlern, Politikern und allen, die sich für die Freiheit des Geistes einsetzen.