juni 1998

Gerald Gröchenig
titel

Neue Vertrauensbasis gesucht

Als Antwort auf Salzburgs Theaterkrisen sind anstatt des Wachhunds von außen neue Kooperationsmodelle zwischen Kultur, Politik und Verwaltung gefragt

Die Finanzkrise von Salzburger Theatern ist auch eine Krise von Politik und Verwaltung: eine Krise der Verwaltung, weil diese augenscheinlich Finanzkonzepte und deren Folgen nicht erkennen konnte; eine Krise der Politik, weil diese es verabsäumt hat, ihrer Verwaltung die entsprechenden Strukturen zum Umgang mit derartigen Herausforderungen zur Seite zu stellen. Dem gestiegenen Interesse an der Kulturpolitik sowie den ständigen Veränderungen in der Kunstszene stehen in Österreich kaum entsprechende Veränderungen in der Administration gegenüber.

Die Männer und Frauen in den Verwaltungseinheiten sind wirklich nicht zu beneiden: In den letzten 20 Jahren hat sich ihr Aufgabengebiet vervielfacht, ihr Anforderungsprofil qualitativ grundlegend geändert (z. B.Verwaltung als Moderator oder Serviceagentur), und anstatt entsprechend aufrüsten zu können, stehen Personaleinsparungen an erster Stelle von angekündigten Reformen. Von anderen europäischen Ländern drohen Reformmodelle eines »New Public Management« als Antwort auf die wachsende Politik- und Bürokratieverdrossenheit sowie den gesellschaftlichen Wertewandel. Ökonomische Liberalisierungspolitik drängt in den Vordergrund, Merkmale wie Marktorientierung, Wettbewerbsdenken sollen auch in der Verwaltung plaziert werden. Eine aktive Auseinandersetzung mit geänderten Anforderungen und Voraussetzungen ist von außen allerdings nicht wahrzunehmen.

Ideen und Modelle für die nötigen Anpassungen gibts genug. In den Organisationsstrukturen müßte man z. B. dem »Zwang zu flexibler Spezialisierung« Rechnung tragen, d. h. das Kult-uramt müßte die Komplexität einer turbulenten, hochdiversifizierten und stark fluktuierenden kulturellen Szene in den eigenen Strukturen abbilden, neue Aufgaben explizit definieren und selbständigen organisatorischen Einheiten zuweisen. Das Wiener Institut für Kulturstudien IKUS schlug vor Jahren vor, eine Neuverteilung von Aufgaben mehr nach strukturellen denn nach obsoleten Spartenprinzipien zu orientieren. Bei den Personalstrukturen wäre z. B. bewußt und strategisch für Motivation und Professionalisierung zu sorgen (in der Region um Nürnberg werden für Kulturverwaltungen im Rahmen der Verwaltungsreform 14 Fortbildungseinheiten zwischen Grund-, Fach- und Führungsseminaren angeboten). Von dem allen ist in Salzburg bzw. Österreich nichts zu hören. Krisen werden bewältigt, indem man irgendwelche Schuldigen benennt. Anstatt die eigenen Lösungskompetenzen von Kultur und Verwaltung zu optimieren, wird als des Rätsels Lösung der Aufpasser von außen auf die Bühne geschickt (nur zum Vergleich: Schnells Aufpasser Rumpold ist zumindest in derselben Partei).

Es ist nun sicher die schlechteste aller Lösungen, allen Kulturschaffenden einen Wachhund von außen zur Seite zu stellen. Willi Rehberg mag zwar vom Theater einiges verstehen, daß er aber auch über Kompetenzen in anderen kulturellen Entwicklungen, Querschnitts- und Randbereichen bzw. prozeßorientierten Ansätzen verfügt, darf bezweifelt werden. Kennzahlen oder eine ausgeglichene Bilanz stellen sehr oft nur zwei (verglichen mit inhaltlichen Fragen eher unwichtige) Gradmesser über den Erfolg eines kulturellen Projekts dar. Angeblich hat sich Rehberg bereits als Controller für andere Kultureinrichtungen angeboten. Es ist dem Mann zu wünschen, daß er sich hier nicht übernimmt. Weitaus zielorientierter wäre es wohl, Kulturschaffenden wie der Verwaltung das Rüstzeug für eine weitere kooperative Zusammenarbeit zur Verfügung zu stellen: Jeder Schilling, der hier in Ausbildung, Professionalisierung, Beratung oder Coaching gesteckt wird, kommt in Zukunft vielfach zurück. So könnte sich eine verantwortungsvolle Politik jene Vertrauensbasis schaffen, der sie sich jetzt - nicht zuletzt aus eigenem Verschulden - beraubt sieht.

Politik, Verwaltung und Kulturschaffende sollten sich auf schnellstem Weg über weitere Entwicklungsszenarien zusammensetzen: In Bremen kam man bereits auf die Idee, von der Beratungsfirma McKinsey ein Gutachten über die Neuordnung der Bremer Kulturförderung einzuholen. Der rein wettbewerbs- und marktorientierte Ansatz sieht Kultur eher als Mittel im Konkurrenzkampf von Wirtschaftsstandorten und reduziert die zeitgemäße Kulturpolitik auf den Wettbewerb der öffentlich finanzierten Kultur mit anderen Anbietern der Freizeit- und Kulturindustrie. Was Salzburg mit Willi Rehberg anfängt, muß logischerweise später bei McKinsey enden. Spätestens dann wird man sich aber auch fragen müssen, wofür man noch Kulturpolitiker und -beamte braucht.