juni 1998

Doc Holliday
wenn und aber

Der definitive Countdown zur Fußball-WM 98 - Teil 4

Rückblende: Vor 20 Jahren, 1978, fand die WM in Argentinien statt. Im Gastgeberland herrschte seit 1976 eine faschistische Militärdiktatur unter General Videla. Dessen Folterknechte hatten bis zur Turniereröffnung mindestens 20000 Menschen ermordet! In ganz Europa gab es heftige Diskussionen über einen etwaigen WM-Boykott. Besonders in Holland herrschte tiefe Empörung, und der weltbeste Spieler der 70er Jahre, Johan Cruyff, verzichtete auf die Reise nach Argentinien. Übrigens sprach sich die dortige Stadtguerilla gegen ein Fernbleiben der Kicker aus. Schließlich sei »der Fußball der Sport des Volkes und wir sind die Repräsentanten des Volkes«. Nachdem der Papst aus Rom zur Sicherheit noch seinen Segen übermittelt hatte und Foltergeneral Videla dem FIFA-General Havelange während der Eröffnungsfeier zu den Klängen eines zackigen Militärmarsches schnell einen Orden angeheftet hatte, konnte das Kugeltreten beginnen. Eine überraschend offensive argentinische Mannschaft erreichte mit dem überragenden Torschützenkönig Mario Kempes und der freundlichen Hilfe einiger Schiris schließlich das Finale gegen die Holländer, die vom Wiener Original Ernst Happel trainiert wurden. Die Europäer unterlagen unglücklich. Als es daran ging die Trophäen in Empfang zu nehmen, weigerten sich die Oranje-Kicker den Führern die Hand zu geben. Eine aufrechte Haltung, die andere vermissen ließen. So der Kapitän der deutschen Mannschaft und heutige Bundestrainer Berti Vogts. Der meinte einige Tage nach Turnierbeginn: »Argentinien ist ein Land, in dem Ordnung herrscht. Ich habe keinen einzigen politischen Gefangenen gesehen.« Soviel dummdreiste Ignoranz sollte nicht unbestraft bleiben. Ausgerechnet Österreich vermasselte am 21.6.78 in Cordoba, einem Ort, der Issos, Waterloo oder Stalingrad an Symbolkraft um nichts nachsteht, der BRD mit einem 3:2-Sieg den Weg ins Finale. Hans Krankls Bummerln bombten den damals noch amtierenden Weltmeister heim ins Reich. Und als wäre es noch nicht genug der Demütigung, gelang Hobbypolitologe Vogts auch das wichtigste Tor seiner Karriere - in den eigenen Kasten. Hansi-Burli und die anderen rot-weiß-roten Helden brachten Reporterlegende Edi Finger an den Rand eines Herzkasperls: sein »I wear narrisch«-Aufschrei wurde zu einem österreichischen Glaubensbekenntnis. Ansonsten bin ich der Meinung, daß das Deutsche Größenwahnsinnsreich rechtzeitig geschlagen werden muß!