juni 1998

kurzfehler

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Klaus Firlei, Universitätsprofessor, noch SPÖ-Landtagsabgeordneter und in den eigenen Reihen ungeliebter Vordenker, hat anläßlich der Reform der Salzburger Landesverfassung seinen Polit-KollegInnen im Salzburger Landtag ganz ordentlich die Leviten gelesen. Firleis Standpauke geriet - von den Salzburger Medien ignoriert - zu einer Abrechnung mit der politischen Kaste. Diese hinke weit hinter den Erfordernissen der Zeit nach und betreibe Politik nur als Reaktion auf Katastrophen, so die Botschaft. Firlei im O-Ton: »Wir brauchen ein Schaf Dolly, damit man gewisse Gefahren in der Gentechnologie sieht. Wir brauchen Leichen in den Pensionistenpflegeheimen, damit man in den Krankenanstalten eine Supervision und eine bessere Ausbildung des Pflegedienstes durchführt. (...) Und wann müssen unsere Berge ins Rutschen kommen, damit wir endlich im ökologischen Bereich stärker handeln? Und wann werden wir erkennen, in welche Abhängigkeiten wir uns von den internationalen Nahrungsmittelkonzernen begeben, wenn wir nicht handeln? (...)« In für einen SPÖ-Funktionär ungewohnter Offenheit verlangt Firlei von der Politik im allgemeinen (und damit auch von seinen eigenen Leuten), daß sie endlich arbeiten. »Wir brauchen in der Politik ein größeres Tempo, weil Gesellschaft und Wirtschaft ungeheuer schnell geworden sind.« Mit dem jetzigen Tempo gehe die Politik unter.

Nachdem Clemens M. Hutter ins journalistische Pensionistendasein abgeschoben wurde, hat er es sich zur Aufgabe gemacht, mittels diverser Briefe und Leserbriefe das kulturelle Abendland zu retten. Was soweit nicht weiter stören würde, wenn sich nicht die Salzburger Landeszeitung »Unser Land« zum Träger seiner Polemiken hergeben würde. In der Nr. 6/98 druckte diese kurz vor Beginn der heurigen Rauriser Literaturtage einen Beitrag Hutters zu den Rauriser Literaturtagen 1997(!) ab, in dem Hutter (anhand eines dort nie vorgetragenen Nitsch-Textes) gegen Nitsch polemisiert, sich zum Verteidiger der »Rauriser Hinterwäldler« aufspielt und gar eine offizielle Entschuldigung bei den Raurisern einfordert. Ob das wohl die Antwort von Landespressechef Floimair auf die oftmalige Kritik des Fachbeirats Literaturvermittlung des Landeskulturbeirates darstellt, daß sich das offizielle Medium des Landes zuwenig dem Thema der Salzburger Literatur widmet? Daß sich diese Veröffentlichung zu diesem Zeitpunkt »an der Grenze des Unseriösen« abspielt, wurde übrigens selbst von der landeseigenen Kulturabteilung offiziell kundgetan.

Das vierte »Festival der Regionen« findet vom 25. Juni bis 4. Juli 1999 in Oberösterreich statt. Es soll wieder zu einer kreativen Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Problemen in den Regionen führen, dabei die lokale Bevölkerung soweit wie möglich einbinden und dazu beitragen, daß die klassische Produzenten- und Rezipientenrolle überwunden wird. Das Festival soll auch 1999 wiederum ein Experimentierfeld für unkonventionelle Projekte auf den Gebieten Kunst, Kultur, Wissenschaft und Publizistik darstellen. Erstmals wird im Gegensatz zu den bisherigen Festivals kein Generalthema für die Projektideen vorgegeben. Einreichfrist für geplante Projekte ist der 30. Juli 1998, auch Salzburger Künstler und Kulturschaffende sind dazu eingeladen.

Bewerbungsunterlagen kann man unter folgender Adresse anfordern:

Festival der Regionen, Marktplatz 12, A-4100 Ottensheim, Tel: 07234/85285, Fax: 85285-4

»Musikalische Sprachtherapie« für Familien mit hörbehinderten Kindern (0-6 Jahre) bietet der Verein »Arge freies lesen« von 12. bis 18. Juli am Landesinstitut für Hörbehinderte in Salzburg (Lehenerstr. 1) an. Vorrangig soll es eine Woche der Kultur, Kommunikation und Therapie für die ganze Familie werden. Denn Eltern, die mit der Nachricht konfrontiert werden, daß ihr Kind hörbehindert ist, erleben neben dem Schock, den diese Diagnose mit sich bringt, einen ungeheuren Druck: Das Kind soll in seine Umgebung integriert werden, die Sprachentwicklung muß so früh wie möglich gefördert werden, technische Möglichkeiten werden gesucht, das Resthören zu stimulieren. In dieser Woche der »Musikalischen Sprachtherapie« soll nun den Eltern, Geschwistern und den hörbehinderten Kindern so viel Information wie möglich über verschiedenste Therapieformen geboten werden. Neben Gebärdenkursen, Logopädie, Physiotherapie, Theaterwerkstatt, Selbsterfahrungsgruppen und Spielpädagogik wird vor allem auch Musiktherapie eingesetzt. Diese Therapieform bietet den Vorteil, daß für die Musik wichtige Bestandteile wie Rhythmus und Intonation auch in der Laut-Sprache verankert sind. Mit Hilfe von musikalischen Elementen kann die Sprachentwicklung in Gang gesetzt werden.

Für die Veranstalter , dem Verein »freies lesen« und »hallo hört«, ist diese Woche eine Möglichkeit, Mut zu machen und etwas Entlastung anzubieten. Informationen und Anmeldung bei Katharina Ferner, Tel.: o662 / 62 33 03.

Die Goldegger Dialoge stehen 1998 unter dem Motto »Genuß zwischen Wahn und Sinn«. Die Gemeinschaftsveranstaltung des Kulturvereines Goldegg, der Salzburger Ärztekammer und des ORF beschäftigt sich heuer von 10. bis 13. Juni mit so grundsätzlichen Fragen wie »Genuß ohne Reue« oder »Lebensstilmedizin«. Als kultureller Aufputz der »Sucht«-Veranstaltung wurde Konstantin Wecker engagiert.

Modern Talking, für viele das personifizierte Grauen international erfolgreicher deutscher Popmusik (Stichwort: Jogginganzüge, Riesengoldkettchen mit dem Namen der Freundin und dabei so spritzig-poppig wie Helmut Kohl), haben sich nun auch zur Wiedervereinigung entschlossen und stürmen gerade mit dem modisch aufgepeppten 85er- »Gott-sei-bei-uns!«-Ohrwurm »You're My Heart, You're My Soul« (incl. Alibi-Rapper und Kirmes-Technosounds) erneut die Hitparaden. Das gibt zu denken. Und zwar nicht aus kulturpessimistischen Gründen, sondern aus phänomenologischen. Denn egal wo, z. B. auch in der ARGE (bei experimenteller Electronica auf dem Liquid Planet oder an der Bar während des Pere Ubu-Gigs), überall outen sich plötzlich selbst die Unverdächtigsten als ehemalige Modern Talking-Fans. Sei es weil deren Hits damals der Soundtrack zum Leben als Pickelface waren, oder weil akustische Dauerberieselung doch zu massiven, subkutanen Effekten führen kann. Jedenfalls sollte man nicht voreilig lästern. Denn wenn Francesca von Habsburgs »State Of The Art«-Spektakel mit dem Begriff »Weltkulturerbe« kompatibel ist, dann sei an dieser Stelle schon einmal darauf hingewiesen, daß es doch z. B. für das Mozartjahr 2006 oder als Alternative zu den Festspiel/Szeneplänen mit David Bowie/John Cale-Opern durchaus logisch wäre, Modern Talking mit einer zeitgemäßen Auftragsarbeit (Vertonung von Habsburg-Urlaubsdias anhand bekannter Mozartmelodien, o.ä.) zu betrauen. Und immer daran denken: Es kann nix wirklich so verblödet klingen, als daß es nicht mit Steuergeldern doch in die Tat umgesetzt werden könnte. Adel verpflichtet immerhin.