august 1998

Gerald Gröchenig

»Besessen muaßt sein«

Der Salzburger Fotograf und Musiker Peter Angerer über Musik, Fotografie und seine Arbeit mit dem Haubenkoch Jörg Wörther

Das »Wörtherbuch« ist eins der ersten Kochbücher, bei dem Du als Fotograf in den Rezensionen immer mitgenannt wirst. Was ist die spezielle Art der Fotografie in diesem Buch?

• Alle Speisen sind auf weißem Plexiglas mit Licht von unten aufgenommen, sodaß man auch die Soßen und andere Feinheiten sieht. Das geht auf einem Teller nicht so schön. Dabei haben wir alles weggelassen, was praktisch unwichtig ist, z.B. Tischschmuck und Besteck.

Wie lange habt ihr an dem Buch gearbeitet?

• Die effektive Arbeit dauerte über zwei Jahre. Geplant haben wir das Ganze allerdings schon vor 20 Jahren, als wir beide gerade ausgelernt waren.

Die Arrangements sind schon sehr kunstvoll und erinnern an Gemälde. Wer hat das gestaltet, der Wörther oder Du?

• Das haben wir miteinander getan. Er weiß natürlich, wie er anrichtet, obwohl das ohne Teller für ihn schwieriger war. Ich hab ihm natürlich beim Blick durch die Kamera gesagt, wie’s noch schöner ausschauen könnte.

Du bist ausgebildeter Fotograf, kannst Du uns ein bißchen was über die Lebensmittelfotografie erzählen?

• Früher war es üblich, alles mit Chemie zu machen, das Hendl mit Haarspray ansprühen, daß es glänzt, Rasierschaum ins Bier. Ich trickse da so wenig wie möglich. Wenn Du optimale Ware hast, dann geht das, du mußt halt schnell sein und es ist aufwendiger. Beim Bier kannst du halt nur einmal abdrücken.

Du bist neben dem Fotografieren noch Musiker, Schlagzeuger. Wie ist da die Aufteilung der beiden Berufe?

• Fünfzig - fünfzig. Ich bin sowohl Musiker mit den Hobbies Kochen und Fotografieren, als auch Fotograf mit den Hobbies Trinken und Musizieren.

Die Qualität hängt wohl in beiden Fällen vom Verhältnis zwischen Technik und Kreativität ab. Wo steht das musikalische Gegenstück zu den Fotos im »Wörtherbuch«?

• Musikalisch mach ich alles. Z. B. gestern in Hallein eine Performance gemeinsam mit einem Alphornbläser; eine schöne Sache war die Europatournee mit der Editta Braun; eine andere schöne Sache war es auch, mit dem Herrn Kurt Ostbahn zu spielen. Mir haben einige gesagt, du bist kein richtiger Musiker, weil du bist ja auch noch Fotograf. Ich habe das widerlegen können. Du mußt dich dann halt nach acht Stunden Arbeit noch hinsetzen können und zwei Stunden lang üben. Und wenn du das ernst nimmst, dann geht das.

Ist es schwer, da von einem Genre ins andere umzusteigen?

• Ja schon, weil es einfach andere Welten sind, ob Du mit Tänzern oder mit Rock’n’ Roll Musikern arbeitest. Ich hab da meine Übungen, meine Rituale, wo ich weiß, das mach ich, und dann bin ich der Rock’n`Roll-Musiker. Mir ist es in diesen beiden Jobs gelungen, daß ich nichts machen muß, nur um überleben zu können. Dadurch kann ich mir die schönsten Sachen aussuchen.

Kann man in Salzburg als Musiker berühmt werden?

• Salzburg ist klein, die ersten zwei Jahre spielst du vor Verwandten und Schulkollegen, die füllen die Säle, und schon sagen alle, ich bin eh berühmt. Ein bißl berühmt ist o.k., weltberühmt wäre zwar auch schön, aber so richtig wollen will’s keiner: das wäre dann zuviel Arbeit.

Sind die Salzburger zu sehr auf sich konzentriert.

• Vielleicht das, und sie sind vor allem nicht offen. Sag heute einem Heavy Metaller, er soll sich doch einmal eine Jazz-Platte anhören, was dort einer mit seinem Instrument machen kann: das interessiert den gar nicht.

Hat es für Dich Vorbilder gegeben?

• Ein einzelnes Vorbild nicht wirklich. Sicher hat’s immer einige gegeben, die für mich ein Wahnsinn waren. Aber ich hab relativ bald überrissen, ich kann nur gut werden, wenn ich spiele wie der Peter Angerer, weil da gibts nur einen auf der Welt. Und sobald du einen imitierst, bist du immer der zweite.

Gilt das auch in der Fotografie?

• Ja. Ich habe da meine Vorstellungen. Es wird sicher bessere Fotografen geben, die technisch vielleicht besser sind. Aber wie ich was hinlege und welches Licht ich verwende, das macht kein anderer so. Das sieht man gerade in diesem Buch.

Und das zählt bei den Köchen genauso.

• Natürlich. In Wien hat bei der Präsentation der Gourmet-Journalist Christoph Wagner gemeint, das Genie beim Wörther ist nicht, daß er kochen kann, sein Geniestreich war, daß er sich von Witzigmann, bei dem er sechs Jahre arbeitete, gelöst hat und eigenständig geworden ist.

Macht also die Eigenständigkeit das Genie aus?

• Karl Ratzer hat einmal einem Journalisten auf die Frage, wie er das alles mache, geantwortet: »Heast Oida, besessen muaßt sein.« Und das ist auch bei uns so, seit wir jung waren. Ob der Wörther ein Rezept träumt und das dann sofort probiert, ob ich eine Lichtstimmung im Hirn habe und die dann sofort im Studio nachvollziehen will.

Letzte Frage: Du hast das alles, was da im Buch ist, auch gegessen?

Ja natürlich. Ich hab’s auf einen Teller geschaufelt und dann gegessen. Ich hab aber auch noch viele andere Sachen bei ihm gegessen, weil wir uns einfach gut kennen.

Und das »Wörtherbuch« verkauft sich?

• Das hat uns alle überrascht. Die erste Auflage ist praktisch weg.

Danke für das Gespräch!

Das Gespräch führte Gerald Gröchenig

Peter Angerer, geboren 1957 in Badgastein, Fotografenlehre, Spezialisierung auf Food- und Still-Life-Fotografie, seit 1989 selbständiger Fotograf (Studio Contraste). Musiker (Schlagzeug und Percussions), spielte u.a. mit Don Cherry, Dollar Brand, Wolfgang Puschnig, Doretta Carter, Kurt Ostbahn, H.C. Artmann, Raoul Schrott, Editta Braun Company; Schlagzeuger von diversen Salzburger Bands der letzten zwei Jahrzehnte, u.a. Scheiblingseder, Funk Off, Paul Kuhn Gedächtnistrinker.

Buchtip: Jörg Wörther: Das Wörtherbuch. Von Flußkrebsen, Erdäpfelgnocchi, Hollerkoch und anderen Feinheiten der österreichischen Küche. Mit Fotos von Peter Angerer. Haymon Verlag, Innsbruck 1998.