august 1998

Ursula Rotter

Reformbedürftig

Die Landesnervenklinik braucht dringend eine Verjüngungskur

Heuer wird sie 100 Jahre alt. Die Salzburger Landesnervenklinik, erbaut in den Jahren 1896 bis 1898 - in Rekordzeit also. Damals war sie, dank der Pavillon-Bauweise und der autarken Versorgung (die LNK war im Prinzip eine kleine Stadt mit eigener Versorgung) eine der modernsten Nervenkliniken in ganz Europa. Mittlerweile scheint die »Psych« einen neuen Rekord verbuchen zu können: bereits über zehn Jahre wird nun schon der Umbau geplant, passiert ist - vom Neubau der Geriatrie abgesehen - nichts.

Doch nicht nur das. Auch von der mittlerweile sogar vom Bundesrechnungshof verlangten Dezentralisierung ist wenig zu spüren. Dabei läuft Salzburg im bundesweiten Vergleich schön langsam die Zeit davon. Selbst Ober-österreich, bis vor kurzem ebenfalls kein großer Freund von Veränderungen, gliedert aus wie verrückt. So soll beispielsweise im Milleniumsjahr in Braunau eine Psychiatrie mit 62 Betten eröffnet werden. In einem »stinknormalen« Krankenhaus wohlgemerkt. Dort wird also genau das verwirklicht, was in Salzburg gefordert wird: Psychiatrie-Betten in allgemeinen Krankenhäusern. Doch hat man damit, wie es scheint, wenig Freude: »Laut Stellungnahme der Salzburger Landesregierung sei die Einrichtung psychiatrischer Akutbetten an allgemeinen Krankenanstalten unzweckmäßig und unwirtschaftlich (...)« (Zitat des brandneuen Rechnungshofberichts). Der Rechnungshof (RH) allerdings entgegnet darauf, »ohne Dezentralisierung des stationären psychiatrischen Versorgungsangebotes könne der eklatanten Unterversorgung der von der Landesnervenklinik Salzburg weit entfernten Bezirke (vor allem Lungau und Pinzgau) nicht wirkungsvoll entgegengetreten werden« .

Damit sieht sich die Salzburger Patientenanwaltschaft ( s. a. »kunstfehler -special« »Psychiatrie in Österreich«) bestätigt. »Der Rechnungshof bestätigt das, was wir schon jahrelang kritisiert haben. Die zentralisierte Versorgung ist überholt und es ist den Betroffenen einfach nicht zumutbar, dauernd in die Stadt zu pendeln!«, betont Patientenanwalt Peter Sönser. Dabei forderte der Landtag bereits 1989 die Landesregierung auf, die Psychiatriereform fortzuführen. Die in der Folge entstandenen Konzepte sahen dabei im stationären Bereich Betten in den Krankenanstalten Schwarzach/Pongau und in Zell/See vor. Und nicht einmal das wurde beschlossen. Doch wie vermerkt der RH-Bericht dazu so schön: »Die Landesregierung begründete das Fehlen eines beschlossenen Dezentralisierungskonzepts mit unterschiedlichen Expertenmeinungen.«

Die grüne Landtagsabgeordnete Karoline Hochreiter, im Zivilberuf selbst als Psychotherapeutin tätig, weiß um die Defizite der psychiatrischen Versorgung. Sie zieht einen Vergleich: »Würde man heute Chirurgie so betreiben wie Psychiatrie, kein Mensch würde sich mehr operieren lassen.« Doch der fachliche und vor allem der gesellschaftliche Druck seien in der Psychiatrie nicht so groß. Es ist ja auch bedeutend einfacher, wegzuschauen und »die Depperten« zentral wegzusperren. Und das in einem Bundesland, in dem die Rate der Selbstmorde x-mal höher ist als jene der Verkehrsunfälle.

Dennoch: »Eines der Krankenhäuser wird es machen müssen. In einer der letzten Landtagssitzungen hat Buchleitner noch gemeint, daß es wohl Schwarzach werden wird«, so Hochreiter.