august 1998

Thomas Neuhold

Bauchen wir Dechant?

Unter Bürgermeister Dechant hätten auch die Festspiele keine Chance gehabt Unter Bürgermeister Dechant hätten auch die Festspiele keine Chance gehabt

»Brauchen wir Schlingensief?« Unter diesem Titel ließ VP-Bürgermeister Josef Dechant in der Juli-Ausgabe der (aus Steuergeldern finanzierten) Schloßpostille »Stadt:Zeitung« eine Polemik gegen Christoph Schlingensief und die SZENE publizieren. Der wohl nicht zufällig im Stil der Kronen-Zeitung verfaßte Artikel kommt zum Schluß: »Schlingensief zählt aber sicher nicht zu den großen Geistern in der Kultur-szene und insofern ist das Engagement für seine Person völlig unverständlich.« Das hätte ein Kulturfunktionär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands in den 70er Jahren auch nicht schöner formulieren können.

Aber egal, angesichts der »Vorzensur« (*) stellt sich ohnehin weniger die Frage nach einer Bewertung Schlingensiefs als nach der Person des Zensors. Immerhin will die ÖVP-Salzburg im kommenden Jahr Herrn Josef Dechant erneut zum Salzburger Bürgermeister küren lassen.

Dechant, Krone, FP und Fux

Die Aversion des zum Kulturpolitiker mutierten Handelskammerangestellten gegen eine offene Kulturpolitik, gegen Neues, Ungewohntes und Intellektuelles ist bereits Legende. Dechants Aktionen gegen Salzburgs Kulturschaffende leider auch. Dechants Kampfruf lautet »Kein Geld!«. Seine Verbündeten sind Kronen-Zeitung, FPÖ und Herbert Fux. Sein Mittel ist der Rufmord. SPOT-Geschäftsführer Otto Hochreiter war genauso ein Opfer Dechant’scher Beschuldigungen wie das in sexistischster Art als Lesbenverein abgekanzelte Frauenkulturzentrum. Die »ARGE« wurde ebenso in die Nähe des Terror gerückt wie eben jetzt Christoph Schlingensief.

So läuft Salzburg unter Josef Dechant Gefahr, seinen ohnehin schon arg ramponierten Ruf als Kulturstadt endgültig zu verlieren und wieder im provinziellen Sumpf lodenbemantelter Gartenzwerge zu versinken. Oder kann sich irgend jemand vorstellen, daß unter einem Herrn Dechant die Festspiele eine Chance gehabt hätten und ein Festspielhaus entstanden wäre? Auch zu Zeiten der Festspielgründung war die Stimmung unter Salzburgs BürgerInnen nicht gerade kulturfreundlich und Dechants Verhinderungspolitik wäre auf ebenso fruchtbaren Boden gefallen wie heute.

Salzburg - eine Lachnummer

»Es stellt sich die Frage, ob wir Kulturschaffende wie Christoph Schlingensief wirklich brauchen. Haben wir diesen vordergründig auf Selbstdarstellung ausgerichteten Aktionismus wirklich nötig? Hat die Szene in Salzburg nicht mehr zu bieten? Haben wir es nötig als Plattform für den deutschen Wahlkampf zu dienen?«, läßt Dechant in seiner Anti-Schlingensief-Agitation fragen.

Gegenfrage: Es stellt sich die Frage, ob wir Kulturpolitiker wie Josef Dechant wirklich brauchen. Haben wir diesen vordergründig auf Selbstdarstellung ausgerichteten rechten Populismus wirklich nötig? Hat die ÖVP in Salzburg nicht mehr zu bieten? Haben wir SalzburgerInnen es nötig, als Plattform billiger Wahlschmähs zu dienen?

Und da sind wir schon beim Kern der ganzen Affäre: »Salzburg hat größere Probleme. Die Erhaltung und Entschuldung des Kleinen Theaters, die Förderung der Kultur, die Verbesserung des Busangebotes, der Busanschluß für Taxham, der Neubau von Kindergärten, der Kongreßhausneubau, die Autobahnüberdachung in Liefering, die Errichtung einer Veranstaltungshalle im SAZ, die Belebung der Wirtschaft in der Innenstadt und Aufhebung der Parkraumbewirtschaftung an Samstagen und vieles andere mehr, verdienen unseren ganzen Einsatz«, schreibt der Bürgermeister in der »Stadt:Zeitung«. So ist es! Salzburg hat größere Probleme als Christoph Schlingensief! Die Kommunalpolitik, die sich auf Verkaufs-»entscheidungen« - was, wann, um wieviel, an wen - reduziert hat, ist unter Dechant zur nationalen Lachnummer verkommen; vom internationalen Parkett ganz zu schweigen.

Dechant - ein Rechtspopulist

ÖVP-intern wurde diese Gefahr lange vor Dechants überraschender Wahl zum Bürgermeister bereits erkannt. Hans Katschthaler versuchte vor rund acht Jahren als Landeshauptmann und VP-Parteichef wiederholt Dechant loszuwerden. Vergeblich! Vergleicht man/frau den geistigen und klimatischen Zustand Salzburgs etwa mit jenem im ebenfalls schwarz regierten Oberösterreich, wird klar, daß weniger die Volkspartei an sich oder ihre ideologische Ausrichtung das Problem ist: Dechants Ausfälle gegen Kulturschaffende oder SozialbeamtInnen, die offene Zensur, das alles hat vor allem einen Zweck: Von eigener politischer Erfolg- und Konzeptlosigkeit ablenken und billiges Polit-Kleingeld sammeln. Schon seit längerem kursiert ÖVP-intern eine Wahl-Umfrage, die Dechant für einen Bürgermeister beschämend schlechte Bekanntheitswerte attestiert. Was dagegen tun? In bewährter rechtspopulistischer Manier Kulturschaffende kriminalisieren! Das löst zwar kein einziges Problem dieser Stadt, bringt aber Schlagzeilen. Die FPÖ könnte es nicht besser machen.

(*) Laut Rechtsinterpretation der IG AutorInnen erfüllt Dechant mit der Androhung der Streichung der gesamten Subvention, für den Fall, daß der Programmbeitrag »Schlingensief« von der SZENE nicht aus dem Programm gestrichen wird, »das in zahlreichen Entscheidungen des österreichischen Verfassungsgerichtshofes beschriebene Tatbild der seit 1918 in Österreich verbotenen Vorzensur«.