august 1998

Mario Jandrokovic
schön und gut

Nachruf auf das Schnaitl-Pub

Nachruf auf das Schnaitl-Pub

Schön und gut, kann sich das offiziöse Salzburg nunmehr denken, daß auf der fünften Fassade der Linzer Gasse stilgerecht nur noch der Odeur von gutbürgerlich Gekotztem und Gepinkeltem vorzufinden sein wird - ganz so, wie es der Schreiber dieser Zeilen mit Wohnadresse in der Altstadt von diversen gestandenen Zentrums-Festivitäten kennt. Es wird in der Linzer Gasse mit seinen Boutiquen, Spelunken und Nachtlokalen gewiß so aussehen und zugehen wie zuvor, nur das Schnaitl-Musikpub, das für diverse Retter des dahinsiechenden Wirtschaftsstandorts Rechte Altstadt als Quelle allen Übels herhalten mußte, das gibt es seit Mitte Juli endgültig nicht mehr.

Das Schnaitl-Pub war über ein gutes Jahrzehnt nicht bloß Treffpunkt von Generationen der quirligen Salzburger Jugend, sondern entwickelte sich mit seinen Konzerten und Ausstellungen auch zu einem lebendigen kulturellen Podium. Daß die Schnaitl-Konzerte ungleich mehr Ärgernis erregten als das Gröhlen treudeutschen Liedguts aus den offenen Fenstern des anliegenden Burschenschafts-Hortes, bleibt eine süffisante Fußnote in der Programmatik zur Schaffung einer sauberen Rechten Altstadt. Bereits während der unrühmlichen ersten »Chaos-Tage« ward das Schnaitl-Pub von oberster Stelle als Drehscheibe der Unruhe lokalisiert: Die Spezialisten von der Polizei konnten die gesuchten Punks auch im Lokal nicht finden, erkundigten sich bei der Belegschaft zur Sicherheit gleich nach dem Verbleib der Bunthaarigen. Sofern diese im näheren oder weiteren Umkreis des Pubs in der Bergstraße gesichtet wurden, galt automatisch das »Schnaitl« als deren vermeintliche Basis. Die Massenparanoia während der letztjährigen »Chaostage« bescherte dem Pub gästevertreibende Razzien, bei denen wieder einmal gerade jene mit unüblicher Haartracht oder von eindeutig »fremdländischem« Aussehen arrogante Übergriffe der Exekutive zu spüren bekamen. Wohl kaum ein anderes Altstadtlokal wurde so häufig auf Drogen gefilzt, gefunden wurde nie etwas. Dennoch erdreisteten sich der oberste Polizeibeamte der Stadt und ein Hauptschuldirektor mittels einer wohlbekannten Boulevardzeitung zur rufmörderischen Aussage, das Pub sei ein Drogenumschlagplatz ersten Ranges. Den Rest besorgte der biererzeugende Lokalpächter mit seinem selbstgebrauten Umsatzrückgang durch Streichung des Kulturprogramms, Massenentlassungen und Eliminierung der umsatzstärksten Getränke und Imbisse von der Speisekarte. Ein Teil jüngster, lebendiger Altstadtgeschichte ist auch nur noch museale Vergangenheit.